· Fachbeitrag · Stiftungsmanagement
Covid-19-Versammlungsverbot: Erleichterte Beschlussfassung auch des Stiftungsvorstands?
von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel
| Gelten die mit dem „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (Covid-19-Folgenabmilderungsgesetz, Abruf-Nr. 216480 ) geschaffenen Erleichterungen in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 bei Stiftungen? Bundesweit scheinen die Meinungen auseinander zu gehen. Ein Beispiel liefert aktuell Bayern: Hier vertreten die zuständigen Landesministerien diametral entgegenstehende Ansichten. |
Ansichten der Landesministerien in Bayern
Der StiftungsBrief wollte vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz (StMJ) und vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) wissen, ob § 5 Abs. 2 und Abs. 3 bei Stiftungen gilt.
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Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat sich gegenüber dem BMJV für eine gesetzliche Klarstellung eingesetzt, um Vereine und Stiftungen bei ihrer wertvollen Arbeit für die Gesellschaft gerade in diesen Zeiten bestmöglich zu unterstützen. Vereine und Stiftungen dürfen in diesen Zeiten bei der Rechtsauslegung, die im Streitfall letztlich von den entscheidenden Gerichten vorzunehmen ist, nicht im Ungewissen gelassen werden. |
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Der Bundesverband Deutscher Stiftungen weist auf seiner Internetseite auf die Rechtsunsicherheit hin. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 18.05.2020 eine Länderumfrage eingeleitet und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Thema kontrovers diskutiert und insbesondere in der Wissenschaft (entgegen der Auffassung des BMJV) auch die Auffassung vertreten werde, dass die Regelungen in § 5 Absatz 2 und 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie als von § 32 BGB abweichende Sonderregelung für die Beschlussfassung der Vereinsmitglieder weder direkt noch analog auf die Beschlussfassung von Vereins- und Stiftungsorganen anwendbar seien. Die Stellungnahmen der Länder auf die Umfrage des BMJV ließen ebenfalls unterschiedliche Interpretationen deutlich werden.
Unsere ‒ mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ‒ gemeinsame Rechtsauffassung lautet wie folgt: Für Art. 2 § 5 Abs. 2 und 3 des o.g. Gesetzes sehen wir keine analoge Anwendung auf Stiftungsorgane; hier fehlt es unseres Erachtens mangels mitgliedschaftlicher Struktur der Stiftung an der Vergleichbarkeit der geregelten Sachverhalte.
Die Vorschrift gilt nur für Vereine (Mitgliederversammlungen). Dies ergibt sich unseres Erachtens sowohl eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus der Gesetzesbegründung. Für Stiftungsorgane sind insoweit vorrangig die jeweiligen Regelungen in der Stiftungssatzung maßgeblich. Diese sehen vielfach bereits schriftliche Umlaufverfahren für Beschlussfassungen vor (wie auch unsere für Stiftungen empfohlene Mustersatzung). Auch ohne eine solche satzungsrechtliche Regelung lässt § 32 Abs. 2 BGB, der nach §§ 86, 28 BGB auch auf mehrköpfige Stiftungsvorstände anwendbar ist, bereits bisher ein schriftliches Umlaufverfahren zu.
Außerdem hatten wir die Regierungen darauf hingewiesen, dass trotz der in Bayern geltenden Beschränkungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes Sitzungen ehrenamtlicher Stiftungsorgane mit physischer Präsenz der teilnehmenden Mitglieder bei Beachtung der notwendigen Hygiene- und Abstandsgebote durchgeführt werden können, um unverzichtbare, unaufschiebbare Entscheidungen treffen zu können. |
Bedeutung für die Praxis
Wir lernen: In Bayern gehen die (Stiftungs-)Uhren etwas anders. Betrüblich ist, dass es so schwerfällt, eine einheitliche Linie zu finden. „Steine statt Brot“, lautet die bedauerliche Botschaft des StMI. Für Stiftungen in Bayern (und überall dort, wo es auch unterschiedliche Meinungen gibt) heißt das:
- 1. Den Vorstandsbeschluss verschieben, sofern nicht Eile geboten.
- 2. Andernfalls ein unnötiges Risiko eingehen, dass ein Vorstandsbeschluss, falls er angefochten werden sollte, durch das zuständige Gericht kassiert werden könnte. Verträten die Ministerien eine einheitliche Linie, wäre dieses Risiko zumindest etwas abgemildert.
- 3. Dennoch mit der Stiftungsaufsicht sprechen und die Situation erörtern. Seitens der Stiftungsbehörden in Bayern ist man sehr bestrebt, eine für die Stiftungen praktikable Lösung zu finden.
BMJ: Erleichterungen gelten auch für Stiftungsvorstand
Das BMJ hat dem StiftungBrief mitgeteilt: Die vereinsrechtlichen Regelungen über die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung in § 5 Absatz 2 und 3 dürften auch auf die Beschlussfassung von Vorständen von Vereinen oder Stiftungen, die aus mehreren Mitgliedern bestehen, angewendet werden können. Jedenfalls dürfte man aber § 5 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschaft-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelungen zumindest entsprechend auch auf die Beschlussfassung der Vorstände von Vereinen und Stiftungen anwenden können (Details in SB 5/2020, Seite 87 → Abruf-Nr. 46529171).
Folgt man der weiten BMJ-Auffassung, gelten bis 31.12.2021 für die Beschlussfassung von Vorständen von Stiftungen folgende Erleichterungen:
- § 5 Abs. 2 Nr. 1 Covid-19-Folgenabmilderungsgesetz stellt eine virtuelle Versammlung des Stiftungsvorstands der Präsenzversammlung gleich, sodass in ihr wirksame Beschlüsse gefasst werden können. Die virtuelle Versammlung bedarf hiernach weder einer Satzungsgrundlage noch der Zustimmung sämtlicher Vorstandsmitglieder.
- § 5 Abs. 2 Nr. 2 Covid-19-Folgenabmilderungsgesetz ermöglicht, dass einzelne Vorstandsmitglieder der Stiftung ihre Stimmen im Vorfeld einer ‒ virtuellen oder physischen ‒ Versammlung schriftlich (z. B. per Fax) abgeben.
- Schließlich können nach § 5 Abs. 3 Covid-19-Folgenabmilderungsgesetz im Umlaufverfahren Beschlüsse mit der erforderlichen Mehrheit nach dem Gesetz oder der Satzung getroffen werden, wenn
- alle Vorstandsmitglieder beteiligt wurden und
- bis zu dem festgesetzten Termin mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder im Umlaufverfahren ihre Stimme in Textform abgegeben haben (anstelle einer eigenhändig unterschriebenen Erklärung ist somit auch eine Stimmabgabe z. B. durch E-Mail und Telefax möglich) und
- der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wird.
Prüfschema
Damit Sie sich im Dschungel der Vorschriften zurecht finden, nachfolgend ein Prüfschema, mit dem Sie die richtige Beschlussform in der Stiftung finden.

Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Tagungen des Stiftungsvorstands im Covid-19-Versammlungsverbot ‒ Regelung für Zukunft treffen“ mit „Satzungsregelung zur Beschlussfassung des Stiftungsorgans“ SB 5/2020, Seite 87 → Abruf-Nr. 46529171