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· Fachbeitrag · Streitwertecke Teil 8 (8/2021)

Beim Gegenstandswert fängt die Vergütung an

von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

| Hat der Gesetzgeber mit dem KostRÄG 2021 die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts um linear 10 Prozent an der Grenze des noch Hinnehmbaren nach fast acht Jahren erhöht, hat er sie für die Inkassodienstleistungen ab dem 1.10.21 um 20 bis 75 Prozent gesenkt. Vor diesem Hintergrund muss die Optimierung aller Gebühren wieder verstärkt in den Fokus rücken. Die Berechnung jeder Vergütung beginnt beim Gegenstands- oder Streitwert. Der folgende Teil 8 zeigt 14 aktuelle Entscheidungen hierzu und gibt ‒ auch für die Kostenfestsetzung ‒ praktische Hinweise zum Umgang damit. |

 

1. Der ewige Streit um den Wert des Auskunftsanspruchs

Der Wert des Auskunftsanspruchs ist in der Regel nur mit einem Teilwert des Leistungsanspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll (OLG Düsseldorf 16.11.20, 12 U 29/20, Abruf-Nr. 223431).

 

Stützt der Kläger auf denselben Sachverhalt sowohl einen Vorlageanspruch (z. B. § 810 BGB) als auch einen Auskunftsanspruch (§ 260 Abs. 1, § 242 BGB), dienen beide zwar als Hilfsansprüche der Vorbereitung eines Zahlungsbegehrens. Sie stehen grundsätzlich gleichwertig nebeneinander. Prozessual handelt es sich aber um zwei verschiedene Ansprüche mit unterschiedlicher Anspruchsgrundlage und verschiedenartigem Rechtsschutzziel. Obwohl sie auf derselben Grundlage ‒ hier § 242 BGB ‒ und auf derselben, ersten Stufe geltend gemacht werden, führt dies nicht dazu, dass die streitgegenständlichen Ansprüche auf Einsichtnahme für sich genommen zusätzlich mit 10 bis 25 Prozent des Werts des letztendlich verfolgten Leistungsanspruchs zu bewerten sind. Sie sind vielmehr nur mit einem Bruchteil des Werts der Auskunftsansprüche zu bewerten, den der OLG-Senat hier mit 50 Prozent veranschlagt.

 

MERKE | Der (Zuständigkeits- oder Rechtsmittel-)Streitwert einer Auskunftsklage richtet sich gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH nach dem wirtschaftlichen Interesse, das die klagende Partei an der Erteilung der Auskunft hat. Dieses ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei bildet der ‒ noch unbezifferte ‒ Leistungsanspruch einen Anhaltspunkt, zu dessen Durchsetzung die Auskunft benötigt wird. Er ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen.

 

2. Der Streit um die Berechtigung zum Einsatz von Guthaben-Vouchern hat erhebliche Bedeutung

In gewerberechtlichen Streitigkeiten bemisst sich der Streitwert nach dem durchschnittlichen Jahresgewinn aus der streitgegenständlichen Tätigkeit (OVG Nordrhein-Westfalen 5.5.21, 4 A 4531/18, Abruf-Nr. 223432). Das OVG orientierte sich dabei an Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach der Streitwert bei einer Gewerbeerlaubnis dem Jahresbetrag des erzielten oder zu erwarteten Gewinns, mindestens aber 15.000 EUR, entspricht.

 

Zwar wurde im vorliegenden Fall nicht um die Gewerbeerlaubnis gestritten. Vielmehr war streitig, ob die Beklagte Guthaben-Vouchers im Einzelhandel zur Kundengewinnung einsetzen durfte. Mit Blick auf die für die Streitwertbemessung maßgebliche Bedeutung der Sache (Eröffnung eines weiteren Vertriebswegs mit erheblichem Kundenpotenzial) handelt es sich aber um eine vergleichbare Fallkonstellation.

 

PRAXISTIPP | Liegen im Rahmen von Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für den Jahresgewinn in Bezug auf den konkreten Streitgegenstand keine Erkenntnisse vor, ist auf den Mindeststreitwert von 15.000 EUR abzustellen. Im eigenen Interesse sollten die bevollmächtigten Rechtsanwälte deshalb konkrete Umstände vortragen, die für einen höheren Gewinn sprechen.

 

3. Mindeststreitwert für den Widerruf der Bestellung als Sachverständiger

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Bestellung als Sachverständiger ist es angemessen, den Streitwert in Verfahren wegen Widerrufs der öffentlichen Bestellung auf mindestens 15.000 EUR festzusetzen (OVG Nordrhein-Westfalen 29.4.21, 4 B 116/21, Abruf-Nr. 223433).

 

Die Streitwertfestsetzung beruht in diesem Fall auf § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist danach der Streitwert grundsätzlich nach der Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergibt. Erzielt der Sachverständige gerade wegen der öffentlichen Bestellung hohe Einnahmen, kann dies also auch zu einem höheren Streitwert führen. Dies muss der Rechtsanwalt vortragen.

 

Beachten Sie | Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist dieser Betrag nach Ansicht des OVG zu halbieren. Soweit nur über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung gestritten wird, ist der Betrag zu vierteln.

4. Streitwertbeschwerde: Wann beginnt die Sechs-Monats-Frist?

Wird die Hauptsache für erledigt erklärt, beginnt die Sechs-Monats-Frist für die Einlegung der Streitwertbeschwerde mit der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen, also mit dem Eingang der letzten Erklärung bei Gericht (VGH Bayern 13.4.21, 4 C 21.647, Abruf-Nr. 223434).

 

Nach § 68 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat. Die Frist beginnt auch zu laufen, wenn in dem Verfahren eine Erledigung der Hauptsache auf andere Weise als durch Eintritt der Rechtskraft erfolgt ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn beide Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

 

MERKE | Bezüglich des Fristbeginns der Streitwertbeschwerde ist für den Rechtsanwalt Vorsicht geboten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG kommt es nach dem VGH allein auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens an. Nicht entscheidend ist dagegen das Bekanntwerden des zur Rechtskraft bzw. zur Erledigung führenden Ereignisses oder der Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung bzw. deren Bekanntgabe durch das Gericht.

 

5. In den Streitwert fließt nur ein, was im Streit ist

Die Annahme eines Titulierungsinteresses für die in eine Beendigungsvergleich integrierte Zeugnisvereinbarung setzt voraus, dass die Durchsetzbarkeit des titulierten Anspruchs aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls gleichwohl ungewiss ist. Fehlt es daran, kann eine entsprechende Festsetzung des Arbeitsgerichts im Beschwerdeverfahren gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG auch zum Nachteil des beschwerdeführenden Rechtsanwalts von Amts wegen nach unten abgeändert werden (LAG Hamm 22.1.21, 8 Ta 587/20, Abruf-Nr. 220513).

 

Das Arbeitsgericht hatte 20 Prozent des Monatsgehalts als Streitwert für den titulierten Anspruch auf ein Zeugnis angesetzt. Der Rechtsanwalt hatte Streitwertbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass für den Zeugnisanspruch ein volles Monatsgehalt angesetzt wurde. Der Schuss ging nach hinten los. Auch die 20 Prozess sind entfallen.

 

MERKE | Bei der Streitwertbeschwerde gilt der Grundsatz der reformatio in peius jedenfalls im Ergebnis nicht. Das Gericht kann nach § 66 Abs. 3 ZPO das Beschwerdeverfahren zum Anlass nehmen, den Streitwert von Amts wegen zu ändern. Der Rechtsanwalt, der Streitwertbeschwerde einlegt, riskiert also immer, dass der Wert niedriger festgesetzt wird.

 

6. Klageerhebung stoppt Kostengrundentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren

Ein Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO ist im Beschwerdeverfahren aufzuheben, wenn die Klage erst nach dem Kostenbeschluss erhoben worden ist (LG Lübeck 31.3.21, 7 T 127/21, Abruf-Nr. 223435).

 

Das LG setzt sich damit allerdings in Widerspruch zu dem OLG Karlsruhe (NJW-RR 08, 1196) und dem OLG Koblenz (27.2.15, 3 W 99/15). Nach deren Auffassung ist eine einmal getroffene Kostengrundentscheidung nicht mehr zu ändern, wenn sie nach Ablauf der Frist zur Klageerhebung und vor der verspätet erfolgten Klageerhebung getroffen worden ist.

 

Demgegenüber betont das LG Lübeck den absoluten Vorrang der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren. Auch könne die spätere Klageerhebung nach § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

 

Doch diese Konstellation hat bereits der BGH entschieden: Wenn der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens die Klage zwar nicht mehr innerhalb der Klagefrist des § 494a Abs. 1 ZPO, aber noch vor der Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO erhebt, ist eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO nicht mehr zulässig (BGH NJW 07, 3357).

7. Verzögerungsrüge: Vom Normsatz kann nur bei besonderen Gründen abgewichen werden

Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz (§ 198 Abs. 2 S. 3 GVG) aus Billigkeitsgründen gemäß § 198 Abs. 2 S. 4 GVG abzuweichen. Dafür ist nach dem BGH Folgendes erforderlich (6.5.21, III ZR 72/20, Abruf-Nr. 223150):

 

Das zu beurteilende Verfahren muss sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von anderen Verfahren dieser Art abheben, sodass die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen. Das hat der BGH bei einem um 37 Monate verzögerten Verfahren betreffend das Sorge- und Umgangsrecht angenommen, weil damit die verfassungs- und europarechtlichen Rechte aller Beteiligten in besonderer Weise beeinträchtigt werden.

 

MERKE | Die Entschädigung beträgt nach § 198 Abs. 2 GVG grundsätzlich 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

 

8. Kostenpauschale bei Verkehrsunfallsachen

Die Kosten- oder Auslagenpauschale des Geschädigten in Verkehrsunfallsachen ist auch unter Berücksichtigung der Veränderungen im sog. Kommunikationsmarkt weiterhin in Höhe von 25 EUR angemessen. Der Nachweis höherer Kosten im Einzelfall bleibt davon allerdings unberührt (OLG Celle 16.6.21, 14 U 152/20, Abruf-Nr. 223436).

 

In dem zugrundeliegenden Fall wollte die Versicherung eine Absenkung erreichen, da die Kosten für Kommunikation und insbesondere Internet in den letzten Jahren deutlich gesunken sind. Auch Portokosten fallen infolge der Digitalisierung bei der Schadensbearbeitung jedenfalls im Vergleich zu der Zeit, in der die Pauschale mit 25 EUR bemessen wurde, im Ganzen gesehen kaum mehr an. Die Übermittlung der Schadensunterlagen erfolgt regelmäßig digital. Telefonkosten unterliegen aufgrund von häufigen „Flatrates“ keiner gesonderten Berechnung.

 

All das hat das OLG zwar nicht in Abrede gestellt. Damit würden aber die von der allgemeinen Unkostenpauschale gedeckten Kosten nur unzureichend erfasst. Die Pauschale erfasse gerade die Kosten, die in der Regel nur schwierig quantifizierbar sind, jedoch nach der Lebenserfahrung bei der Abwicklung vergleichbarer Schadensfälle üblicherweise anfallen. Dazu gehören Fahrtkosten mit erhöhten Benzinkosten und erhebliche Stromkosten für die digitale Kommunikation. Es zeige sich ein uneinheitliches Bild der Kostenentwicklung, das keine Abweichung von der anerkannten Pauschale trage.

9. Wenn der Sachverständige unterschiedliche Fassungen des Gutachtens liefert

Wenn der Sachverständige für die Parteien unterschiedliche Gutachtenversionen einreicht, kann dies nicht nur die Besorgnis der Befangenheit begründen, sondern auch den Vergütungsanspruch entfallen lassen (LG Bremen 2.2.21, 1 O 201/18, Abruf-Nr. 223437).

 

Nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG entfällt eine Vergütung, wenn der Sachverständige im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen. Das sieht das LG für gegeben an, wenn der Sachverständige durch eine gesonderte Gutachtenfassung einer Partei bestimmte Aspekte besonders akzentuieren will.

 

MERKE | Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wird. Das ist der Fall, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste und sich geradezu aufdrängt. Maßstab ist dabei die absolute Neutralitätspflicht des Sachverständigen im gerichtlichen Erkenntnisverfahren.

 

10. Verzögerte Erinnerungsverfahren

Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO gehören zu den Gerichtsverfahren i. S. d. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Sie können bei einer unangemessenen Dauer einen Entschädigungsanspruch begründen (KG Berlin 11.6.21, 7 EK 13/19, Abruf-Nr. 223438).

 

Nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von PKH/VKH. Davon ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung. Im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren. Nach Auffassung des KG sei der Schutz des § 198 GVG schon von seiner Entstehungsgeschichte her ausgehend umfassend.

 

MERKE | Da (nur) das Insolvenzverfahren ‒ mithin die Gesamtzwangsvollstreckung ‒ von dem Entschädigungsanspruch ausgenommen ist, hätte es nahe gelegen, dass der Gesetzgeber dies auf die Einzelzwangsvollstreckung erstreckt, wenn er dies gewollt hätte. Daran fehlt es. Im Hinblick auf häufig lange Zeiten, bis der Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag ausführt, wird die Entscheidung in der Praxis ihre Wirkung nicht verfehlen.

 

11. Einigungsgebühr kann auch im Sorgerechtsstreit entstehen

Auch in Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB kann eine anwaltliche Einigungsgebühr entstehen (OLG Frankfurt 25.5.21, 7 WF 33/21, Abruf-Nr. 223439). Diese Sichtweise aus Frankfurt ist aber durchaus streitig:

 

  • Die bisher wohl herrschende Auffassung verweist zur Begründung darauf, dass die Kindesschutzverfahren von Amts wegen im Kindesinteresse geführt werden. Deshalb würden die Offizialmaxime und der Grundsatz der Amtsermittlung gelten und den Eltern die für eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG erforderliche Dispositionsbefugnis fehlen.
  • Die Gegenauffassung verweist ‒ wie jetzt das OLG Frankfurt ‒ auf die Einführung der Anmerkungen Abs. 5 zu Nr. 1000 VV RVG und Abs. 2 zu Nr. 1003 VV RVG zum 1.9.09 durch Art. 47 Abs. 6 FGG-RG. Danach entsteht eine Einigungsgebühr auch „in Kindschaftssachen ..., ... für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt“.

 

MERKE | Der Gesetzgeber hat mit dem KostRÄG zum 1.1.21 und dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht zum 1.10.21 die Regelung in Abs. 5 zu Nr. 1000 VV RVG im Angesicht der bekannten Streitfrage nicht geändert, obwohl die Norm an anderen Stellen angepasst wurde. Das spricht für die Ansicht des OLG Frankfurt.

 

12. Kosten der Abschrift des Vermögensverzeichnisses

Für die Abschrift des Vermögensverzeichnisses nach Abnahme der Vermögensauskunft für den Schuldner entsteht eine Dokumentenpauschale. Dies gilt jedenfalls nach dem OLG Karlsruhe, wenn ‒ wie regelmäßig ‒ auch dem Gläubiger eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses erteilt wird (12.3.21, 15 W 45/20, Abruf-Nr. 223441).

 

Nach Nr. 700 Abs. 4 S. 1 KV GvKostG sei nur die erste Abschrift des Vermögensverzeichnisses kostenfrei, wenn zugleich die Gebühr nach Nr. 260 oder Nr. 261 KV GvKostG für die Abnahme oder die Übersendung entstehe. Jede weitere Kopie ‒ gleich für welchen Beteiligten ‒ verursache dagegen eine Dokumentenauslage. Dass es sich für einen anderen Beteiligten als den Gläubiger um die erste Kopie handele, sei unerheblich.

 

Ausgehend hiervon sieht das OLG aber nicht nur den Vollstreckungsschuldner als Kostenschuldner, sondern gleichermaßen den Gläubiger nach § 13 Abs. 2 GvKostG als Antragsteller des Verfahrens. So in Anspruch genommen, hat der Gläubiger zwar nach § 788 ZPO einen Erstattungsanspruch gegen den Schuldner, trägt aber auch dessen Liquiditätsrisiko.

13. Notwendigkeit der Mehrkosten bei Drittwiderklage

Mehrkosten, weil der im Rahmen einer (Dritt-) Widerklage gesamtschuldnerisch mit dem Kläger in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer einen gemeinsamen Anwalt mit der Verteidigung gegen die Widerklage beauftragt, während der Kläger bei der Geltendmachung des Klageanspruchs durch einen eigenen Anwalt vertreten wird, sind regelmäßig notwendig und erstattungsfähig (OLG Saarbrücken 27.4.21, 9 W 24/20, Abruf-Nr. 223442). Dafür sprechen mehrere Gründe:

 

  • Der Versicherer ist nicht mit der Widerklage seines Versicherungsnehmers befasst. Er wird im Zweifel kein Interesse daran haben, das Mandat des mit der Verteidigung gegen die Klage beauftragten Rechtsanwalts auf die Widerklage zu erstrecken.
  • Es greift auch nicht die Regelung, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer im Haftpflichtprozess die Prozessführung überlassen muss, weil es nicht um die Abwehr von Ansprüchen geht, für die der Versicherer haften müsste. Im Gegensatz dazu hat der Versicherungsnehmer ein kostenrechtlich schützenswertes Interesse, bei der Wahl des Anwalts frei zu sein, dem er die prozessuale Geltendmachung seiner Ansprüche überlässt. Von ihm kann grundsätzlich nicht verlangt werden, zur Vermeidung ansonsten drohender Kostennachteile einen Anwalt mit der Führung der Widerklage zu beauftragen, auf dessen Auswahl er keinen Einfluss hat.
  • Der Versicherungsnehmer verstößt zudem nicht gegen das Kostenminderungsgebot, weil er seine Ansprüche auch in einem eigenen Prozess verfolgen könnte, was (noch) kostenträchtiger wäre.

14. Kostengrundentscheidung im Erinnerungsverfahren gegen einen KFB

Da es sich bei dem Erinnerungsverfahren um ein kontradiktorisches Verfahren handelt, ergibt sich die Kostenfolge aus §§ 91 ff. ZPO und damit nach dem Obsiegen und Unterliegen (AG Bünde 20.11.20, 5 C 344/19, Abruf-Nr. 223443).

 

Gemessen an diesem Grundsatz fallen die Kosten einer erfolgreich eingelegten Erinnerung gemäß § 91 Abs. 1 ZPO ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden der gegnerischen Partei an der fehlerhaften Kostenfestsetzung durch das Gericht grundsätzlich dem Erinnerungsgegner zur Last (vgl. Zöller, a. a. O.; OLG Celle 23.12.08, 2 W 277/08). Das AG Bünde tritt damit dem LG Bielefeld (7.6.17, 3 O 27/16) entgegen, wonach eine Kostenaufhebung zumindest dann veranlasst sein soll, wenn die gegnerische Partei der Erinnerung nicht entgegengetreten ist.

 

MERKE | Grundsätzlich sind die Kostenfestsetzung und die Entscheidung über die Erinnerung nach § 11 RPflG kostenfrei. Erst im Beschwerdeverfahren entstehen Gerichtskosten. Allerdings sind auch schon im Ausgangsverfahren Auslagen zu erheben. War der Bevollmächtigte bereits im Erkenntnisverfahren als Prozessbevollmächtigter tätig, erhält er keine Gebühren (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 14 RVG). Nur wenn der Rechtsanwalt kein Prozessbevollmächtigter war, erwächst ihm die Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG.

 
Quelle: ID 47491897