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Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Studenten ‒ das sind die Grundsätze
| Studenten arbeiten oft neben ihrem Studium oder während der Semesterferien in Unternehmen. Für die Unternehmen stellt sich da stets unweigerlich die Frage, wie die Beschäftigung sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen ist. LGP erläutert die Beurteilungsgrundsätze. |
Kurzfristig ausgeübte Beschäftigung
Für Studenten, die ausschließlich während der Schul- oder Semesterferien mehrere Wochen am Stück arbeiten, ist die kurzfristige Beschäftigung die optimale Beschäftigungsform (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Damit keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen, darf die Beschäftigung im Kalenderjahr nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage ausgeübt werden. Die Höhe des Arbeitslohns spielt bei einer kurzfristigen Beschäftigung im Sozialversicherungsrecht keine Rolle.
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Ein Student hat einen Ferienjob vom 15.02.2022 bis zum 15.04.2022. Er erhält ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.200 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden. Bis dahin hat er 2022 noch nicht anderweitig gearbeitet.
Ergebnis: Es liegt eine sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung vor, weil der Student die Beschäftigungsdauer von drei Monaten/70 Tagen einhält. |
Wichtig | Mehrere kurzfristige Beschäftigungen innerhalb eines Kalenderjahrs sind zeitlich zusammenzurechnen. Wurde bereits eine kurzfristige Beschäftigung ausgeübt, kann eine weitere zur Versicherungspflicht führen. Das hat zur Folge, dass Beiträge nacherhoben werden. Das kann bereits zu Beginn der kurzfristigen Beschäftigung sein, wenn im gleichen Jahr schon eine kurzfristige Beschäftigung ausgeübt wurde und abzusehen ist, dass die neue Tätigkeit mit der vorherigen mehr als 90 Kalendertage andauert. Liegen Vorbeschäftigungen vor, treten an die Stelle der drei Monate die 90 Kalendertage.
Geringfügig entlohnte Beschäftigung
Auch für Studenten kommt die geringfügig entlohnte Beschäftigung in Betracht (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV). Sie bietet sich insbesondere an, wenn eine kurzfristige Beschäftigung nicht (mehr) möglich ist. Es gilt die Entgeltgrenze von 450 Euro. Die Beschäftigung eines Studenten als Minijobber hat zur Folge, dass der Arbeitgeber
- einen pauschalen Krankenversicherungsbeitrag von 13 Prozent (sofern der Student gesetzlich [mit-]versichert ist; der Beitrag entfällt hingegen für privat krankenversicherte Minijobber) und
- einen pauschalen Rentenversicherungsbeitrag von 15 Prozent leisten muss.
Wichtig | Übt ein Student einen 450-Euro-Job aus, besteht grundsätzlich Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (Besonderheiten für Werkstudenten siehe unten).
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Ein Student arbeitet im April 2022 auf Minijob-Basis. Er hat laut Fragebogen ausdrücklich nicht zur Rentenversicherungsfreiheit optiert. Er ist familienversichert.
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PRAXISTIPPS |
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Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs
Eine sozialversicherungsrechtliche Besonderheit gilt für immatrikulierte Studenten, die neben ihrem Studium ein Beschäftigungsverhältnis ausüben. Für sie gilt das Werkstudentenprivileg.
Als Werkstudenten sind sie
- in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei,
- in der Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig,
- in der Rentenversicherung dagegen versicherungspflichtig.
Die Rechtsprechung des BSG verlangt für die Versicherungsfreiheit neben dem förmlichen Status des Studenten als ordentlichem Studierenden einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt. Er muss also trotz der „neben“ dem Studium ausgeübten entgeltlichen Beschäftigung nach seinem Erscheinungsbild noch Student bleiben.
Definition „ordentlich Studierender“
Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit der von Studenten ausgeübten Beschäftigungen ist zunächst die Zugehörigkeit zum Personenkreis der ordentlichen Studierenden. Dies setzt voraus, dass eine wissenschaftliche Ausbildung in einem geordneten Studien- oder Ausbildungsgang erfolgt und der Student sich einer mit dem Studium in Verbindung stehenden oder darauf aufbauenden Ausbildungsregelung unterwirft (BSG, Urteil vom 19.12.1974, Az. 3 RK 64/72).
PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten sich von den Studenten immer die aktuelle Studienbescheinigung geben lassen. |
Einhaltung der 20-Wochenstunden-Grenze
Personen, die neben ihrem Studium nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich beschäftigt sind, gehören ihrem Erscheinungsbild nach grundsätzlich zu den Studenten und nicht zu den Arbeitnehmern. Die Höhe des Arbeitsentgelts ist dabei ohne Bedeutung.
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Ein Student übt eine unbefristete Beschäftigung aus. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 19 Stunden, das Entgelt 1.400 Euro monatlich.
Ergebnis: Die 20-Stunden-Grenze wird nicht überschritten. Die Beschäftigung ist versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. In der Rentenversicherung besteht Versicherungspflicht. |
PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten wöchentliche Stundenaufzeichnungen führen, um die 20-Wochenstunden-Grenze nachweisen zu können. |
Einhaltung der 26-Wochen-Grenze
Bei Beschäftigungen in der vorlesungsfreien Zeit, am Wochenende sowie in den Abend- und Nachtstunden kann Versicherungsfreiheit auch bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden bestehen, wenn Zeit und Arbeitskraft des Studenten noch überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werden. Davon gehen die Spitzenorganisationen aus, wenn eine solche Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden auf einen Zeitraum von 26 Wochen befristet ist.
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„Ordentlich Studierende“ ‒ Beginn und Ende
Zu den „ordentlich Studierenden“ gehören diejenigen, die an einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eingeschrieben (immatrikuliert) sind. Die Einschreibung bzw. Immatrikulation wird in der Regel mit der Immatrikulationsbescheinigung bestätigt. Die Hochschulausbildung endet mit dem Tag der Exmatrikulation, wenn das Studium abgebrochen, unterbrochen oder in sonstigen Fällen durch Exmatrikulation ohne Prüfung beendet wird.
Hat der Studierende die von der Hochschule für den jeweiligen Studiengang nach den maßgebenden Prüfungsbestimmungen vorgesehene letzte Prüfungsleistung (z. B. Ablegen der Diplomprüfung, des Staatsexamens, der Magisterprüfung oder Abgabe der Bachelor- oder Masterarbeit) erbracht, endet das „Werkstudentenprivileg“; und zwar mit Ablauf des Monats, in dem der Studierende vom Gesamtergebnis der Prüfungsleistung offiziell schriftlich unterrichtet worden ist (Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung, gemeinsames Rundschreiben vom 23.11.2016, Abruf-Nr. 191542).
PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten einen Nachweis des Prüfungsamts über die Unterrichtung des Prüfungsteilnehmers zu den Entgeltunterlagen nehmen. |
Beschäftigung während eines Urlaubssemesters
Arbeiten Studenten, die bei fortbestehender Immatrikulation für ein oder mehrere Semester vom Studium beurlaubt sind, während der Dauer der Beurlaubung, ist davon auszugehen, dass das Erscheinungsbild als Student nicht gegeben ist. Daher besteht keine Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs. Das bedeutet, es besteht auch Versicherungspflicht.
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Ein Student lässt sich für ein Semester vom Studium beurlauben. Er besucht keine Vorlesungen und arbeitet während dieser Zeit für einen monatlichen Lohn von 1.200 Euro und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden.
Ergebnis: Aufgrund des Urlaubssemesters greift das „Werkstudenten“-Privileg nicht. Es besteht nicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch in allen anderen Sozialversicherungszweigen Versicherungspflicht. |
PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten die Studienbescheinigung genau prüfen. Im Kleingedruckten erkennt man, ob ein Fach- oder ein Urlaubssemester vorliegt. |