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· Teammanagement

„Teamuhr“ richtig anwenden und Zusammenarbeit im Team in Zeiten von Corona verbessern

Bild: ©Clkr-Free-Vektor-Images - pixabay.com

von Franco Tafuro, TAFURO & TEAM, Hamburg, tafuro-und-team.de

| Die Coronakrise hat auch die Zusammenarbeit in der Praxis vor neue Herausforderungen gestellt. Häufig funktioniert sie nicht mehr so gut wie früher. Aus Gesprächen mit Zahnärzten und deren Mitarbeiterinnen ist regelmäßig herauszuhören, dass Unzufriedenheit, Lästereien und „Zickigkeiten“ zugenommen haben. Die Stimmung in manchen Praxen ist gereizt und angespannt. Die Zahnärzte fühlen sich zum Teil hilflos und suchen Rat. Hilfreich kann in vielen Fällen die „Teamuhr“ sein. Diese beschreibt die vier Phasen der Teamentwicklung und bietet Entscheidungshilfen für Führungskräfte. |

So funktioniert die Teamuhr

Tuckman beschrieb bereits 1965 die Teamentwicklung in einem Vier-Phasen-Modell. Dabei stellt die Teamuhr die Stufen der Teamentwicklung dar, beschreibt diese Phasen („Forming“, „Storming“, „Norming“ und „Performing“ ‒ siehe unten) und unterstützt den Zahnarzt bzw. die Führungskraft in der Entscheidungsfindung und Festsetzung der richtigen Maßnahmen. Sie eignet sich sowohl zur (Eigen-)Analyse wie auch als Führungsinstrument. Das Ziel ist dabei, die natürlichen und unumstößlichen Phasen der Teamentwicklung zu erkennen und gezielt die Weiterentwicklung zu steuern.

 

Bild: IWW Institut

Jedes erfolgreiche Team hat ‒ bewusst oder unbewusst ‒ diese Phasen durchlebt und muss sie z. T. auch wieder durchleben, um die Phase einer effektiven und reibungslosen Zusammenarbeit wieder zu erleben. Viele Zahnärzte und deren Mitarbeiterinnen unterschätzen dabei, dass die Teamentwicklung ein aktiv gesteuerter Prozess ist, der die Zusammenarbeit der Mitarbeiter optimiert. Dabei werden nicht nur Kompetenzen einzelner Teammitglieder oder der ganzen Gruppe ‒ wie etwa die Kommunikation untereinander ‒ optimiert, sondern auch Strukturen der Zusammenarbeit neu geordnet. Aufgabe des Zahnarztes ist es, das Praxisteam in den vier Phasen der Teamentwicklung zu unterstützen.

1. Forming: die Formierungs- und Kennenlernphase

Die 1. Phase beschreibt das Kennenlernen der Mitarbeiterinnen. In dieser Phase befindet sich jede Praxis übrigens immer wieder, wenn neue Kolleginnen kommen oder die Arbeitszeiten und die Zusammenarbeit in einer Gruppe durch Veränderungen wie z. B. Kurzarbeit verändert werden.

 

Typisch für Phase 1: Die aktuellen Befugnisse, die Aufgabeninhalte sowie die Wertschätzung der jeweiligen Kollegin werden aus der jeweils eigenen Perspektive eingeschätzt. Höflichkeit, Freundlichkeit und Konfliktfreiheit sind daher das oberste Ziel in dieser Phase, um eine „gesunde arbeitsfähige Beziehung“ aufzubauen. Es herrscht jedoch vor allem Unsicherheit. Genau in dieser Phase haben sich viele Praxen nach den durch Corona verursachten Unruhen ab April befunden und sind durch die Ferienzeit dort auch wieder gelandet. Wir haben oft bemerkt, wie gerade auch langjährige Mitarbeiterinnen in dieser Zeit ins Schwimmen und Grübeln gekommen sind. Denn in vielen Bereichen muss wieder von vorne begonnen werden. Und dies ist vielen müßig, ist doch der sonstige Arbeitsaufwand oftmals weiterhin sehr hoch.

 

Lösungen: Erste Regeln werden wiederholt und eingeführt. Dabei werden aber auch Grenzen getestet. Hier sind der Chef und sein Führungsteam gefragt, frühzeitig zu korrigieren. Insgesamt werden in dieser Phase aber die ersten Ziele „Heraus aus dem Krisenmodus“ definiert und man wendet sich langsam den Praxisaufgaben zu. Das Praxisteam ist jedoch durch die Zurückhaltung noch nicht eigenverantwortlich arbeitsfähig und verlangt klare Ansagen durch die Führungskraft.

 

Die Phase 1 wird oft unterschätzt, der Erfolg ist zudem stark abhängig von den Charakteren im Team. Denn die Ansagen und Entscheidungen müssen im Team oft erst diskutiert werden und der Einzelne muss Stellung beziehen ‒ offen und nicht im „Flurfunk“. Das Team muss durch Zeit, Ansprache und Raum geführt werden, sonst sind Stillstand und Frust dauerhafte Wegbegleiter von Chefs und Mitarbeiterinnen.

2. Storming: die Konflikt- und Streitphase

Die Konfliktphase („Storming“) ist die kritische Phase der Gruppenbildung. Sie ist geprägt von unterschwelligen Konflikten, einer Selbstdarstellung der (neuen) Teammitglieder, dem Kampf um (informelle) Führung und Cliquenbildung. Jetzt werden Unterschiede deutlich. Einzelne möchten sich in der Gruppe profilieren, die anderen überzeugen und eines Besseren belehren. Andere möchten die Diskussionen und den Stress durch leises Leiden oder stille Zustimmung irgendwie beenden. Es kommt zu Machtkämpfen, in denen auch „Koalitionen“ bzw. Cliquen gebildet werden. Manche Führungskraft wird hier infrage gestellt mit einem „Hast Du mir überhaupt etwas zu sagen?“

 

Die Konflikte und Unannehmlichkeiten in dieser Phase wecken in manchem das Bedürfnis, diesen ausweichen zu wollen. Aber hier lauern für die Teambildung wesentliche Gefahren. Einerseits bedeutet eine Flucht die Fragmentierung der Gruppe in Cliquen. Interessengegensätze werden andererseits auch nicht mehr konstruktiv ausgehandelt, sondern inoffiziell in gleichgesinnten Gruppen besprochen. Es kommt täglich zu Unstimmigkeiten über das gemeinsame Handeln und den richtigen Weg. Die Stimmung fällt in den Keller, Streitereien häufen sich. Es wird langsam laut nach dem Chef gerufen, der endlich mal auf den Tisch hauen soll. Doch dabei lauert Gefahr.

 

Lösungen: Anstatt durch vermeintlich klare Ansagen den Streit beenden zu können, muss die Führungskraft das Organigramm mit allen Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Befugnissen sowie die gemeinsamen Ziele klar aufzeigen:

 

  • Wer ist z. B. zuständig für den Steri am Vormittag, wer am Nachmittag?
  • Wer sorgt für eine flüssige Besetzung der Zimmer in der jeweiligen Schicht und kümmert sich um die Erledigung der Aufgaben im Hintergrund?
  • Wer kontrolliert den Laborauftrag, wer stellt die Beratung und Aufklärung z. B. im Bereich Mehrkostenvereinbarung sicher?

 

PRAXISTIPP | Alle Vereinbarungen in dieser Phase kommen aus dem Bereich „Back to the Basics“. Diese wiederholten Aussagen und Definitionen sind wichtig, weil das Team sich (wieder) neu finden muss. Jammern hilft da übrigens nicht. Vielmehr schaffen Sätze wie „Wenn Frau Müller das sagt, ist das genauso, als würde ich das sagen“ wichtige Klarheit. Aber nur so können Positionskämpfe und die Konfliktbereitschaft gezügelt und entschärft werden. Und nur so bleiben die produktiven und wichtigen Mitarbeiter langfristig „an Bord“.

 

Die Storming-Phase kann also nur dann erfolgreich bewältigt werden, wenn das Team unter Anleitung gemeinsam Normen und Regeln im Umgang miteinander entwickelt sowie die Kommunikation verbessert. Die Führungskraft unterstützt das Team in dieser konfliktgeladenen Phase und lenkt den Prozess der Teamentwicklung. Sie moderiert und fungiert als Klärungshelfer, bevor sie den Übergang in die Organisationsphase („Norming“) einleitet.

3. Norming: Entstehen eines Miteinanders

Ist die Stormingphase so langsam überwunden, finden Mitarbeiterinnen und Praxisleitung wieder ihren Platz und Rolle in der Gruppe. Die Kooperation beginnt. Wachsendes Feedback, ein regelmäßiger Austausch und gegenseitige Unterstützung schaffen ein Wir-Gefühl. Zudem wächst eine neue Orientierung hin zu den Aufgaben. Der Zahnarzt oder auch die Praxismanagerin koordinieren in dieser Phase die einzelnen Aufgaben und Personen. Persönlich spürt die Führungskraft hier ihre Akzeptanz.

 

In der Norming-Phase verfallen die Teammitglieder nicht mehr dem egoistischen Denken, sondern bewegen sich auf den anderen zu. Jeder gibt zunächst seine Erwartungen, Wahrheitsansprüche und Vorurteile auf und verspürt nicht mehr den Wunsch, den Kollegen oder die Kollegin von den eigenen Ansichten überzeugen zu wollen.

 

Gefahren in dieser Phase? Der Zahnarzt ist aufgrund seiner Führungsverantwortung immer wieder versucht, durch Interventionen das Geschehen zum Teil auch ungeduldig im Sinne seiner eigenen Interessen manipulieren zu wollen. Genau dieses Verhalten verhindert jedoch, dass das Team sich eigenverantwortlich weiterentwickelt und „Selbstständigkeit“ erlernt.

 

PRAXISTIPP | „Mitdenkende Mitarbeiterinnen“ erfordern von der Führungskraft Geduld. Lassen Sie ihr Team auch mal machen ‒ dort, wo es geht. Ihr Verzicht auf zu viel Kontrolle öffnet sie für Neues. Ein arbeitsfähiges Team, in dem Kollegen ohne Vorurteile und Ängste Ideen austauschen, das Team weiterentwickeln und sich gegenseitig inspirieren, entsteht.

 

4. Performing: das arbeitsfähige Team

Die Arbeitsphase („Performing“) ist die Phase der störungsfreien Zusammenarbeit. Sie ist geprägt durch Arbeitsorientierung, Flexibilität, Offenheit der Teammitglieder, Solidarität, Leistungsausrichtung und zielgerichtetes Handeln des Teams. Die Aufgabenbewältigung verläuft schnell und energievoll, die Rollen werden flexibler gehandhabt und können zwischen Personen wechseln. Die Führungskraft benötigt wenig Energie und gibt lediglich Globalziele (Visionen) vor. Das Team steuert sich größtenteils selbst.

 

Die Kultur der Zusammenarbeit im arbeitsfähigen Team ist charakterisiert durch ein friedliches Wahrnehmen eines jeden Einzelnen ‒ ohne Kampf, ohne Sturheit und ohne Rechthaberei. Die Anwesenden fühlen sich durch die gemeinsam geschaffene Atmosphäre eingeladen, ihre eigenen Ideen und Ansichten mitzuteilen.

 

Die Arbeit in einem solchen Team ist nicht unbedingt leichter oder bequemer ‒ aber inspirierender und effektiver als die Arbeit in einer unstrukturierten Gruppe. Entscheidungen, die das Team in engagierten Diskussionen beschließt, sind gerade deshalb tragfähig und verbindlich. Sie sind unerlässlich für ein Team, das sein Potenzial voll ausschöpft und die Praxisziele erreicht.

 

FAZIT | Gute Teamarbeit ist in den aktuellen Zeiten rund um das Coronavirus ein Zeichen guter Teamführung. Vor dem aktiven Führen liegt die Kenntnis, in welcher Phase der Teamuhr sich Ihr Team aktuell befindet. Und zuvor gilt es auch zu akzeptieren, dass gerade solch massive Veränderungen, wie sie Corona mit sich gebracht haben, die Beachtung der Teamphasen verlangt. Erst dann können die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, damit ein Team eine „gesunde Eigendynamik“ entwickelt. Wesentlich ist aber auch, zu akzeptieren, dass ein Team sich stetig in einem Prozess befindet ‒ die Notwendigkeit von Teamanalyse und Entwicklung ist daher ein wesentlicher Führungsauftrag für den Zahnarzt.

 
Quelle: Seite 11 | ID 46853031