· Fachbeitrag · Umgangsverweigerung des Kindes
Ordnungsgeld gegen Amtsvormund Jugendamt
| Gegen das JA, das als Amtsvormund am gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich beteiligt ist, kann bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld festgesetzt werden ( BGH 19.2.14, XII ZB 165/13, Abruf-Nr. 140937 ). Der Beitrag zeigt, was zu beantragen ist, wenn das Kind den Umgang verweigert. |
Sachverhalt
Der Antragsteller ist der Vater des 2004 geborenen Kindes. Das am Verfahren beteiligte Jugendamt (JA) ist dessen Vormund. Das Kind lebt in einer Pflegefamilie. Der Umgang zwischen Vater und Kind ist durch gerichtlich gebilligte Vereinbarung geregelt worden. Das AG hat das JA darauf hingewiesen, dass beim Verstoß gegen die Umgangsregelung ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann. Nachdem das Kind zum Umgang mit den Eltern nicht bereit war, hatte der Vater erfolglos beantragt, gegen das JA ein Ordnungsgeld festzusetzen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist nach § 156 Abs. 2 FamFG ein Vollstreckungstitel (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) und kann Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sein.
MERKE | Das Ordnungsgeld ist ein Zwangs- und kein Beugemittel, sodass es unerheblich ist, dass die vereinbarten Umgangstermine bereits verstrichen sind. |
Der Hinweis gemäß § 89 Abs. 2 FamFG wurde erteilt.
Ordnungsgeld gegen das JA als Amtsvormund festsetzbar
Gegen das JA als Amtsvormund kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB steht dem nicht entgegen. Danach kann gegen das JA als Amtsvormund im Gegensatz zum Einzelvormund kein Zwangsgeld festgesetzt werden. Die Vorschrift gilt aber nicht, wenn das JA Verpflichteter eines Vollstreckungstitels ist und eine Zuwiderhandlung begehen kann, zumal es hier um ein Ordnungs- und nicht um ein Zwangsgeld geht. Gegenstand des § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB ist die Beratung und Aufsicht des Vormundes durch das Gericht. Sie betrifft die dem Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2a, § 14 RPflG) übertragene allgemeine Aufsicht über die Amtsführung und die insoweit zulässigen gerichtlichen Maßnahmen.
Damit ist die Beteiligung des JA als Amtsvormund am Gerichtsverfahren nicht vergleichbar. In Kindschaftsverfahren ist es unerlässlich, dass das Gericht dem JA als Amtsvormund etwa für dessen Wahrnehmung des Aufenthaltsbestimmungsrechts konkrete Pflichten auferlegen kann. Insbesondere die Umgangsregelung bedarf, um das unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK stehende Umgangsrecht zu wahren, einer effizienten gerichtlichen Geltendmachung und Vollstreckung. Für einen effektiven Rechtsschutz muss die gerichtliche Anordnung vollstreckt werden können, wenn ihr zuwidergehandelt wird. Damit fehlt es für eine entsprechende Anwendung des § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB an der notwendigen Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Zudem ist es kein Hinderungsgrund, dass sich die Vollstreckung gegen eine Behörde richtet. Vielmehr war das JA am Ausgangsverfahren zur Umgangsregelung als Amtsvormund beteiligt und in dieser Eigenschaft Verpflichteter des Vollstreckungstitels.
Festsetzung des Ordnungsmittels konnte nicht unterbleiben
Fraglich ist, ob die Festsetzung des Ordnungsmittels (§ 89 Abs. 4 S. 1 FamFG) unterbleiben konnte, weil das JA die unzureichende Realisierung der Umgangskontakte nicht zu vertreten hatte. Der Verpflichtete muss die Umstände, die den Grund für das Scheitern des Umgangs darstellen, im Einzelnen darlegen. Denn diese liegen i. d. R. in der Sphäre des Verpflichteten und sind nur eingeschränkt feststellbar. Erläutert der Verpflichtete nicht detailliert, warum er die gerichtliche Anordnung nicht befolgen konnte, kann nicht von der Festsetzung des Ordnungsmittels abgesehen oder es nachträglich aufgehoben werden. Wird die Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes gestützt, muss der Verpflichtete darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen. Diese Darlegungslast obliegt in gleicher Weise dem JA als Adressat der Pflicht.
Zwar verfügt der Amtsvormund aufgrund des nur sporadischen Kontakts zum Kind nicht über die Einflussmöglichkeiten der Pflegeeltern, um es zu motivieren, die Umgangskontakte wahrzunehmen. Dies ändert nichts daran, dass das JA dafür sorgen muss, dass die Kontakte zwischen Kind und Eltern auch stattfinden. Das JA ist aufgrund der Vormundschaft Inhaber der elterlichen Sorge. Es verfügt über rechtliche Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Erziehung und Lebensgestaltung des Kindes, wie sie sonst den Eltern zustehen. Das JA muss nach § 37 Abs. 1 S. 3 SGB VIII während der Pflege durch Beratung und Unterstützung der Familien darauf hinwirken, dass die Beziehung des Kindes oder Jugendlichen zur Herkunftsfamilie gefördert wird. Ferner muss es gem. Abs. 3 S. 1 der Vorschrift den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Pflegeperson eine dem Wohl des Kindes und des Jugendlichen förderliche Erziehung gewährleistet. Daher benötigen die Pflegeeltern nach § 44 SGB VIII eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege, die nach § 44 Abs. 2 S. 1 SGB VIII zu versagen ist, wenn das Wohl des Kindes nicht gewährleistet ist. Außerdem steht es dem JA als Vormund offen, das Kind einer anderen Pflegestelle anzuvertrauen. Das JA muss alle ihm als Fachbehörde zur Verfügung stehenden psychologischen, Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ausschöpfen, um die Pflicht zu erfüllen, die Umgangskontakte zu ermöglichen.
Prüfung des Kindeswohls erfolgt im Erkenntnisverfahren
Die Kindeswohldienlichkeit des Umgangs ist im Erkenntnisverfahren zu prüfen. Die Vollstreckung (§ 86 Abs. 1 Nr. 2, § 89 Abs. 1 FamFG) baut darauf auf. Die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung wird nicht erneut geprüft. Auch wenn der Umgangstitel nicht materiell rechtskräftig wird, muss ein nach § 86 Abs. 2 FamFG vollstreckbarer Umgangstitel effektiv durchsetzbar sein. Neue Umstände können der Vollstreckung nur entgegenstehen, um das Kindeswohl zu wahren, wenn darauf ein zulässiger Antrag auf Abänderung des Titels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) gestützt ist.
JA hätte notfalls ein Abänderungsverfahren einleiten müssen
Die mangelnde Beteiligung der Pflegeeltern im Ausgangsverfahren ist unerheblich. Denn das JA verfügt über ausreichende Einflussmöglichkeiten.
Das JA hat den Umgang vereinbart, obwohl eine ablehnende Haltung des Kindes geltend gemacht worden war. Daher reicht es nicht, dass das JA das Kind anhielt, die Umgangskontakte wahrzunehmen. Es ist nicht festgestellt, welche zusätzlichen Maßnahmen das JA ergriffen hat, um die Gründe des Kindes herauszufinden und ggf. geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu treffen. Die Weigerung darf aber wegen der schon im Erkenntnisverfahren nicht aufgeklärten Ursache nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die Umgangsvereinbarung sich im Vollstreckungsverfahren als wirkungslos erweist. Vielmehr kann ein Abänderungsverfahren eingeleitet werden, in dem alle Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen sind. Die im Erkenntnisverfahren getroffene Regelung muss - auf sachverständige Beratung gestützt - erneut überprüft werden.
Relevanz für die Praxis
Fraglich ist, wie die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG beim Umgangsvergleich zu erfüllen ist. Danach muss der Beschluss, der den Umgang regelt, auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinweisen. Eine Umgangsvereinbarung ist aber keine Gerichtsentscheidung. Es ist aber - entgegen der Ansicht des BGH s. o. S. 4 - nicht erforderlich, diesen Vergleich gerichtlich zu genehmigen, § 156 Abs. 2 FamFG. Daher läuft § 89 Abs. 2 FamFG leer, da es keinen Beschluss gibt, der den Umgang anordnet. Es muss daher möglich sein, in einem weiteren Beschluss auf die Folgen des § 89 Abs. 2 FamFG hinzuweisen (BVerfG NJW 11, 2347). Das Gesetz regelt nicht den Zeitpunkt des Hinweises. Folge: Man darf die Regelungen gegen Wortlaut auslegen. Dies trägt nicht besonders zur Vertrauensbildung in gesetzliche Regelungen bei.
Offengelassen hat der BGH, ob gegen das JA auch ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, wenn es nur bei seiner Beteiligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 162 Abs. 2 S. 2 FamFG sein Einverständnis mit der Umgangsregelung erklärt und deren Unterstützung gem. § 18 Abs. 3 SGB VIII zugesichert hat. Dies hat der BGH deswegen offengelassen, weil das JA hier in seiner Eigenschaft als Amtsvormund beteiligt war. Die Problematik liegt darin, dass das JA, das nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG von Amts wegen beteiligt ist, nur die Rechte geltend machen kann, die sich aus dem FamFG in § 162 Abs. 1 bis 3 FamFG (Anhörung, Rechtsmittel einlegen und Beteiligung bei Kindeswohlgefährdung) ergeben. Weitere Verfahrensrechte stehen dem JA nicht zu. Erklärt das JA mit einer Umgangsregelung sein Einverständnis, wird es damit nicht zum Beteiligten des Vollstreckungstitels, sodass kein Ordnungsgeld verhängt werden darf.
Weigert sich ein Kind, den Umgang wahrzunehmen, muss der Verpflichtete auf das Kind einwirken, damit die Kontakte stattfinden können und dies darlegen. Er muss angeben, warum es sich weigert, Kontakt zum Elternteil aufzunehmen. Dies muss notfalls aufgearbeitet werden. Die Angaben sind erforderlich, um einen Umgangstitel zu errichten und gehören zum Erkenntnisverfahren. Eltern bzw. das JA sollten daher nicht über den Kindeswillen hinweg Umgangskontakte vereinbaren, in der Hoffnung, dass es gelingen wird.