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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Alles Wichtige zur umsatzsteuerlichen Kleinunternehmer-Regelung

von Dipl.-Finw. (FH) Rabea Schwarz, LL.M., Waltrop/Münster

| Die Kleinunternehmer-Regelung des § 19 UStG stellt eine Vereinfachungsregel dar und führt dazu, dass Unternehmer, die nur in geringem Maße Umsätze tätigen, wie Nichtunternehmer behandelt werden. Der Kleinunternehmer muss die Umsatzsteuer damit weder anmelden noch abführen. Gleichzeitig steht ihm allerdings auch kein Vorsteuerabzug zu. Der Beitrag liefert die wichtigsten Informationen zur Kleinunternehmerschaft und zeigt aktuelle Entwicklungen. |

1. Wann ist die Kleinunternehmer-Regelung anzuwenden?

Um die Kleinunternehmer-Regelung anwenden zu können, darf der Unternehmer gewisse Umsatzgrenzen nicht überschreiten. Damit können insbesondere Unternehmer mit geringen Umsätzen profitieren. Allerdings ist die Bezeichnung „Kleinunternehmer“ irreführend ‒ auch Unternehmer mit hohen Umsätzen, die jedoch bestimmte steuerfreie Umsätze ausführen, können sich unter den Vorgaben des § 19 UStG wie ein Nichtunternehmer behandeln lassen.

 

Beachten Sie | Die Vereinfachungsregelung ist als Wahlrecht ausgestaltet. Erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen, kann er von der Vereinfachung Gebrauch machen ‒ er muss es aber nicht.

 

Nur Unternehmer, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, können die Kleinunternehmer-Regelung anwenden. Sie greift, wenn der Gesamtumsatz i. S. des § 19 Abs. 3 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer

  • im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 EUR nicht überstiegen hat und
  • im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.

 

Beachten Sie | Der Vorjahresumsatz wurde von 17.500 EUR auf 22.000 EUR angehoben. Die Neuregelung (BGBl I 19, 1746) trat am 1.1.20 in Kraft.

 

MERKE | Die Grenzen beziehen sich auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit des Unternehmers. Die planmäßige Aufspaltung und künstliche Verlagerung von Umsätzen auf mehrere Unternehmen mit dem Ziel der mehrfachen Inanspruchnahme der Kleinunternehmer-Regelung stellt eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Regelung dar, die zu ihrer Versagung führt. Dies hat der BFH kürzlich in zwei Entscheidungen (BFH 11.7.18, XI R 26/17 sowie XI R 36/17) deutlich gemacht.

 

Entscheidend für die Grenze des voraussichtlichen Jahresumsatzes ist eine Prognose ‒ übersteigt der tatsächliche Umsatz die Grenze von 50.000 EUR, steht dies der Anwendung der Vereinfachungsregelung im aktuellen Jahr nicht entgegen.

 

  • Vor- und Nachteile der Kleinunternehmerschaft
Vorteile
Nachteile
  • keine Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen
  • günstigere Preise für den Endkunden, da dieser nicht mit Umsatzsteuer belastet wird
  • bei steigenden Umsätzen entfällt früher oder später die Möglichkeit, sich auf die Kleinunternehmerschaft zu berufen
  • ggf. „Image“-Nachteil
  • kein Preisvorteil gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern
  • kein Vorsteuerabzug
 

2. Wie ermittelt sich der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG)?

Bei der Ermittlung der in § 19 Abs. 1 UStG genannten Grenzen ist jeweils auf den Brutto-Gesamtumsatz i. S. des § 19 Abs. 3 UStG abzustellen. Sofern keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde, entspricht der Nettobetrag dem Bruttobetrag ‒ die Hinzurechnung einer „fiktiven Umsatzsteuer“ ist nicht geboten.

 

Maßgebend ist bei der Bestimmung des Gesamtumsatzes die Berechnung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung). Voraus- und Anzahlungen sowie die Veräußerung von Umlaufvermögen fallen in den Gesamtumsatz.

 

Beachten Sie | Bei der Margenbesteuerung nach § 25a UStG ist das vereinnahmte Entgelt und nicht die Marge zu berücksichtigen.

 

  • Ermittlungsschema für den Gesamtumsatz

Gesamtbetrag der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ‒ Berechnung nach vereinnahmten Entgelten

+

vereinnahmte Umsatzsteuer

+

vereinnahmte Anzahlungen bzw. Vorauszahlungen inkl. Umsatzsteuer

+

unentgeltliche Wertabgaben inkl. Umsatzsteuer

+

Umsätze nach § 1 Abs. 3 UStG in Freihäfen, Gewässern und Watten

+

ausgeführte Umsätze nach § 13b Abs. 2 UStG, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet

Umsätze für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ‒ Berechnung nach vereinnahmten Umsätzen

Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind

Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind

Umsätze bei Dreiecksgeschäften nach § 25b Abs. 2 UStG an den letzten Abnehmer

=

Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG

 
  • Beispiel

Allgemeinmediziner A erbringt in 2019 nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungsleistungen i. H. von 250.000 EUR. Darüber hinaus hält er regelmäßig kostenpflichtige Vorträge zum Thema „Gesundheit“. Er erzielt aus dieser Tätigkeit einen jährlichen Umsatz i. H. von 21.000 EUR.

 

Die steuerfreien Heilbehandlungsleistungen sind nicht in den Gesamtumsatz i. S. des § 19 Abs. 3 UStG einzubeziehen. Damit kann A mit seinem maßgeblichen Gesamtumsatz von 21.000 EUR von der Kleinunternehmer-Regelung Gebrauch machen.

 

Nimmt der Unternehmer seine Tätigkeit im laufenden Kalenderjahr auf, ist für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerschaft auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz abzustellen (A 19.1. Abs. 4 UStAE). Im Eröffnungsjahr ist die Grenze von 22.000 EUR maßgebend. Der voraussichtliche Gesamtumsatz ist auf einen Jahresumsatz hochzurechnen.

 

  • Beispiel

Unternehmer K eröffnet am 1.9.19 einen Kosmetiksalon. K rechnet im laufenden Kalenderjahr mit einem voraussichtlichen Bruttoumsatz von

  • a) 8.000 EUR
  • b) 6.000 EUR

 

Lösung

  • a) 8.000 EUR ÷ 4 × 12 = 24.000 EUR
  • K kann die Kleinunternehmer-Regelung nicht in Anspruch nehmen, da sein voraussichtlicher Jahresumsatz größer ist als 22.000 EUR.
  • b) 6.000 EUR ÷ 4 × 12 = 18.000 EUR
  • K kann die Kleinunternehmer-Regelung in Anspruch nehmen, da sein voraussichtlicher Jahresumsatz kleiner ist als 22.000 EUR.
 

Beachten Sie | Im Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG sind auch die Umsätze enthalten, für die der andere Unternehmer als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet. Umsätze hingegen, für die der zu beurteilende Unternehmer die Umsatzsteuer als Leistungsempfänger schuldet, sind nicht in den Gesamtumsatz einzubeziehen!

3. Rechtsfolgen

Sind die Voraussetzungen der Kleinunternehmer-Regelung gegeben, treten folgende Rechtsfolgen ein:

 

  • Auf die Erhebung der Umsatzsteuer wird verzichtet.
  • Der Kleinunternehmer weist in seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer aus. Er weist jedoch auf die Anwendung des § 19 UStG hin.

 

MERKE | Weist der Kleinunternehmer dennoch Umsatzsteuer in seiner Rechnung aus, dann schuldet er diese nach § 14c Abs. 2 S. 1 UStG. Nach A 14c.2. Abs. 1 S. 5 UStAE hat der angegebene Steuersatz bei Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) die Wirkung des gesonderten Ausweises einer Steuer.

 
  • Trotz der Qualifikation als Kleinunternehmer besteht die Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung nach § 18 Abs. 3 UStG. Umsatzsteuer-Voranmeldungen muss der Kleinunternehmer grundsätzlich nicht abgeben, es sei denn, er schuldet Steuerbeträge nach §§ 13b Abs. 5, 14c Abs. 2 oder 25b Abs. 2 UStG.

 

  • Der Kleinunternehmer ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

MERKE | Trotz der grundsätzlichen Nichterhebung der Umsatzsteuer muss der Kleinunternehmer in folgenden Fällen die Steuer abführen:

 

  • Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe, wenn der Kleinunternehmer die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR überschreitet, er zur Erwerbsbesteuerung optiert oder er verbrauchssteuerpflichtige Waren bzw. neue Fahrzeuge einkauft

 

  • Einfuhrumsatzsteuer
  • Beachten Sie | Der Kleinunternehmer muss die Einfuhrumsatzsteuer zwar abführen, ein Recht auf Vorsteuerabzug der ihm in Rechnung gestellten Einfuhrumsatzsteuer steht ihm dennoch nicht zu.

 

  • Umsatzsteuer auf Auslagerungsumsätze i. S. des § 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG

 

  • Umsatzsteuer, die der Kleinunternehmer nach § 13b Abs. 5 UStG als Leistungsempfänger schuldet

 

  • Umsatzsteuer, die vom letzten Abnehmer in einem Dreiecksgeschäft i. S. des § 25b Abs. 2 UStG geschuldet wird

 

  • Umsätze i. S. des § 16 Abs. 5 UStG
 

Beachten Sie | Die Vorschriften über

  • die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und
  • den Verzicht auf Steuerbefreiungen (Option)

finden bei der Nichterhebung der Umsatzsteuer keine Anwendung.

 

PRAXISTIPP | Hinsichtlich der Aufzeichnungspflichten können Kleinunternehmer nach § 65 UStDV Erleichterungen nutzen.

 

4. Optionsausübung

Nach § 19 Abs. 2 UStG ist eine Option zur Regelbesteuerung möglich. Dies kann insbesondere bei geplanten größeren Investitionen vorteilhaft sein, um den Vorsteuerabzug beanspruchen zu können. Sowohl die Option selbst als auch ihr Widerruf kann der Unternehmer nach § 19 Abs. 2 UStG formlos gegenüber dem FA erklären.

 

Die Optionserklärung kann sich insbesondere aus schlüssigem Verhalten des Unternehmers ergeben. Berechnet der Unternehmer in den Voranmeldungen oder in der Steuererklärung für das Kalenderjahr die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ist darin grundsätzlich eine Erklärung i. S. des § 19 Abs. 2 S. 1 UStG zu sehen (A 19.2. Abs. 1 Nr. 2 UStAE). Allerdings kann diese Erklärung nur bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung abgegeben werden. In diesem Zusammenhang ist auf die formelle, nicht aber auf die materielle Bestandskraft der Steuerfestsetzung abzustellen.

 

Die Optionserklärung gilt ab Beginn des Jahres, für das der Unternehmer sie abgegeben hat. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG bindet sie den Unternehmer nach Eintritt der Unanfechtbarkeit für fünf Jahre. Nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums gilt die Regelbesteuerung so lange fort, bis der Unternehmer sie mit Wirkung vom Beginn des Kalenderjahres widerruft. Eine Rücknahme der Verzichtserklärung ist wiederum nur möglich bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Jahres, für das sie gelten soll.

 

Beachten Sie | Hinsichtlich der Bindungsfrist muss der BFH (Rev. XI R 34/19) demnächst Folgendes klären:

 

  • Besteht für einen Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 4 UStG jährlich die Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung, wenn er im Gründungsjahr auf die Kleinunternehmer-Regelung verzichtet hat und die fünfjährige Bindungsfrist ausgelaufen ist?

 

  • Beginnt die Bindungsfrist nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG erneut zu laufen, wenn nach erstmaligem Verzicht die Umsatzgrenzen des § 19 UStG für zwei Veranlagungszeiträume überschritten worden sind?

5. Wechsel zur Regelbesteuerung

Umsätze, die der Unternehmer vor dem Übergang zur Regelbesteuerung ausgeführt hat, fallen auch dann unter § 19 Abs. 1 UStG, wenn die Entgelte nach diesem Zeitpunkt vereinnahmt werden. Umsätze, die der Unternehmer nach dem Übergang ausführt, unterliegen der Regelbesteuerung. Beim Übergang von § 19 Abs. 1 UStG zur Besteuerung nach § 24 UStG gilt dies sinngemäß.

 

Beachten Sie | Nach § 15a Abs. 7 UStG erfolgt bereits beim Wechsel der Besteuerungsform (von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmer-Regelung und umgekehrt) eine Vorsteuerberichtigung.

6. EU-rechtliche Regelungen

Die nationale Regelung des § 19 UStG findet ihr europarechtliches Vorbild in den Art. 281 ‒ 294 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Die „Sonderregelung für Kleinunternehmer“ stimmt fast vollständig mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe überein. Lediglich gegen die Anwendungsbeschränkung des § 19 UStG auf Unternehmer, die ihren Sitz im Inland bzw. in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten haben, bestehen aufgrund des Diskriminierungsverbots gemeinschaftsrechtliche Bedenken.

 

Auf EU-Ebene wird eine unionsweite Vereinheitlichung der Kleinunternehmer mit dem Ziel diskutiert, eine grenzüberschreitende Anwendung zu ermöglichen. Nach den Vorschlägen soll sich ein Unternehmer auf die Vereinfachungsregelung berufen können, wenn sein Umsatz in einem Mitgliedstaat der EU max. 85.000 EUR und in der gesamten EU max. 100.000 EUR beträgt.

Quelle: Seite 86 | ID 46366260