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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Das BMF erläutert den Vorsteuerabzug bei der Einfuhrumsatzsteuer

von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Meurer, Baesweiler

| Obwohl § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG auf den ersten Blick unproblematisch erscheint, kommt es beim Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung. Das BMF (16.7.20, III C 2 - S 7300-a/19/10001 :004, Abruf-Nr. 218858 ) hat nun einige Klarstellungen vorgenommen, die in der Praxis hilfreich sein dürften. |

1. Das Zusammenspiel: Abzug der Einfuhrumsatzsteuer und Ort der Lieferung

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG ist die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für das Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehbar. Die Entstehung ist durch einen zollamtlichen Beleg nachzuweisen (A 15.8 Abs. 1 S. 2 UStAE).

 

Im Gegensatz zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist beim Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer nicht in der Person des Leistungsempfängers vorbestimmt. D. h., auch ein anderer Unternehmer als der Leistungsempfänger kann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein.

 

Die Vorsteuerabzugsberechtigung ist bei dem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt (A 15.8 Abs. 4 S. 2 UStAE). Da aus der Praxis die Frage gestellt wurde, ob sich dieser Zeitpunkt nach den allgemeinen Ortsregelungen (§ 3 Abs. 6 bis 8 UStG) oder nach dem Zivilrecht (z. B. Incoterms) bestimmt, hat das BMF hierzu nun klarstellend Stellung bezogen: Relevant sind allein die umsatzsteuerlichen Ortsbestimmungen. Die Lieferklauseln sind insoweit unbeachtlich.

 

Befördert oder versendet der Lieferer, der Abnehmer oder ein von diesen beauftragter Dritter den Gegenstand, gilt die Lieferung grundsätzlich dort als ausgeführt, wo sie beginnt (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG).

 

  • Beispiel 1

Unternehmer N aus Norwegen liefert Ware, die er mit eigenem Lkw befördert, an seinen Abnehmer U aus Deutschland. U überführt die Ware in die Überlassung zum freien Verkehr und entrichtet dementsprechend die Einfuhrumsatzsteuer (Lieferkondition: DAP „Delivered At Place“ = unversteuert und unverzollt).

 

Ort der Lieferung ist Norwegen (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG). U kann die entstandene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, da er im Zeitpunkt der Überführung verfügungsberechtigt ist. Die Lieferkondition ist unbeachtlich.

 

Der Ort einer Lieferung aus dem Drittland in das Inland gilt ‒ abweichend von § 3 Abs. 6 UStG ‒ nach § 3 Abs. 8 UStG als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. Da in diesen Fällen dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand erst im Inland verschafft wird, ist allein der Lieferer zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.

 

  • Beispiel 2

Wie Beispiel 1, jedoch überführt N die Ware in die Überlassung zum freien Verkehr und entrichtet dementsprechend die Einfuhrumsatzsteuer (Lieferkondition: DDP „Delivered Duty Paid“ = verzollt und versteuert).

 

Der Ort der Lieferung gilt als im Inland gelegen (§ 3 Abs. 8 UStG). N hat den Umsatz folglich im Inland zu versteuern und ist zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt, da er bei Überführung noch verfügungsberechtigt ist. Die Lieferkondition ist unbeachtlich.

 

MERKE | § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG und § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG schließen sich gegenseitig aus. Das bedeutet: Der Unternehmer kann entweder die gesondert in Rechnung gestellte Steuer oder die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen (A 15.8 Abs. 10 S. 1 und S. 2 UStAE). Für die Beispielsfälle heißt das:

 

  • Im Beispiel 1 kann U die Einfuhrumsatzsteuer abziehen. Er hat aber keinen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da wegen des Lieferorts in Norwegen keine (deutsche) Steuer entstanden ist.

 

  • Im Beispiel 2 kann U die Einfuhrumsatzsteuer nicht abziehen. Wegen des inländischen Leistungsorts erhält U aber von N eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, die zu einem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG berechtigen kann.
 

2. Verstoß gegen Lieferkonditionen

Entspricht die tatsächliche Abwicklung nicht den vereinbarten Lieferkonditionen, muss im Einzelfall geprüft werden, wer zollrechtlich als Einführer anzusehen ist.

 

  • Beispiel 3

Unternehmer N aus Norwegen liefert Ware an den im Inland ansässigen Unternehmer D. N beauftragt einen Spediteur mit dem Transport der Ware zu D. Zwischen N und D wurde die Lieferkondition DDP vereinbart. Die Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt jedoch hiervon abweichend durch D.

 

Würde man strikt auf die vereinbarten Lieferkonditionen abstellen, wäre N als Lieferant Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG im Inland), sodass N im Zeitpunkt der Überlassung verfügungsberechtigt wäre (vgl. Lösung zu Beispiel 2). Wird die Ware aber entgegen den vereinbarten Lieferkonditionen vom Warenempfänger zur Überführung in die Überlassung zum freien Verkehr im eigenen Namen angemeldet, ist festzustellen, wer zollrechtlich als Einführer gilt, da dieser über die Verfügungsmacht des Gegenstands im Zeitpunkt der Einfuhr verfügt.

 

Vorliegend ist D als Warenempfänger Zollanmelder im eigenen Namen. Er wird dadurch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (Art. 77 Abs. 3 UZK). Da deshalb kein Fall des § 3 Abs. 8 UStG vorliegt, ist nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG davon auszugehen, dass die Verfügungsmacht bereits vor der Überführung auf D übergegangen und dieser zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt ist.

3. BMF-Schreiben gilt auch für Reihengeschäfte

Das BMF führt nun explizit aus, dass die umsatzsteuerlichen Ortsvorschriften auch beim Reihengeschäft gelten.

 

  • Beispiel 4

CH aus China, B aus Brasilien und D aus Deutschland schließen über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab. Die Ware gelangt unmittelbar von CH an D (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG). CH beauftragt ‒ wie in der Praxis häufig der Fall ‒ den Transport und D fertigt die Ware zum freien Verkehr ab, da er als einzige beteiligte Partei in der Europäischen Union ansässig ist. Des Weiteren möchte B möglichst eine umsatzsteuerliche Registrierung vermeiden und von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 4b UStG Gebrauch machen können.

 

Wenn CH den Transport beauftragt, ist die bewegte Lieferung im Reihengeschäft der Lieferung von CH an B zuzuordnen (§ 3 Abs. 6a S. 2 UStG). B erwirbt mit Beginn des Transports im Drittland Verfügungsmacht an der Ware (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG).

 

§ 3 Abs. 8 UStG findet keine Anwendung, da CH nicht Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. Die Lieferung von B an D ist eine nachfolgend unbewegte Lieferung, sodass D gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG mit Beendigung der Lieferung im Inland Verfügungsmacht erwirbt. Die Lieferung des B ist dann steuerfrei nach § 4 Nr. 4b UStG.

 

Beachten Sie | Es kommt nicht darauf an, wer bei Eintritt der Ware in die Europäische Union Verfügungsmacht hat. Entscheidend ist vielmehr, wer diese im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr hat. Demzufolge ist D zum Vorsteuerabzug berechtigt. Denn zuvor hat die Lieferung nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG an ihn im Inland stattgefunden (vgl. A 3.14 Abs. 16 UStAE).

Quelle: Seite 9 | ID 46915944