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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Die neuen Gutscheine in der Praxis: Auf diese Stolperfallen müssen Sie sich einstellen

| Mit dem „Jahressteuergesetz 2018“ hat die Bundesregierung die „EU-Gutschein-Richtlinie“ vom 27.06.2016 umgesetzt. Die verfolgt das Ziel, dass Gutscheine EU-weit steuerlich gleich behandelt werden. Das UStG ist deshalb in § 3 um die Absätze 13 bis 15 ergänzt worden. Erfahren Sie nachfolgend, was sich hinter den Neuregelungen verbirgt und wo in der Praxis Steuerfallen und -probleme lauern. |

Das galt bei Gutscheinen bis Ende 2018

Im Umsatzsteuergesetz hat man bisher vergeblich nach einer Definition des Begriffs Gutschein gesucht. Es war also an Rechtsprechung und Finanzverwaltung, den Begriff auszulegen. Das führte dazu, dass bis Ende 2018 zwischen zwei Gutscheintypen unterschieden worden ist, nämlich

  • dem Wertgutschein und dem
  • Waren- oder Sachgutschein.

 

Wertgutschein

Bei einem Wertgutschein befindet sich auf dem Gutschein lediglich ein Betrag und der Kunde kann beliebig Waren und Dienstleistungen des Ausstellers beziehen. Hat ein Unternehmen einen solchen Wertgutschein verkauft, hat es sich aus umsatzsteuerlicher Sicht lediglich um einen Tausch von Zahlungsmitteln gehandelt. Folge: Der reine Verkauf hat noch nicht dazu geführt, dass Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt werden musste. Umsatzsteuer wurde erst fällig, wenn der Gutschein eingelöst wurde.

 

Waren- oder Sachgutschein

Bei einem Waren- oder Sachgutschein ist neben dem Betrag auf dem Gutschein eine konkrete Ware bzw. Dienstleistung ausgewiesen. Der beim Erwerb eines Waren- oder Sachgutscheins gezahlte Betrag wurde als Anzahlung auf die bezeichnete Leistung eingestuft. Folge: Bereits beim Gutscheinverkauf wurde Umsatzsteuer fällig (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG.)

Das ist bei Gutscheinen seit dem 01.01.2019 neu

Die Neuregelungen bestehen im Kern darin, dass ein Gutschein jetzt erstmals gesetzlich definiert ist und ‒ als Folge ‒ dass nicht mehr zwischen Wert- oder Waren- bzw. Sachgutschein unterschieden wird, sondern zwischen Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein

 

Die neue gesetzliche Definition des Gutscheins

Der neue § 3 Abs. 13 UStG definiert einen Gutschein grundsätzlich als Instrument, bei dem

  • die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Gegenleistung anzunehmen,
  • Gegenstand der Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen angegeben sind.

 

Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, gelten nicht als Gutschein. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nicht auf die Behandlung von Preisnachlassgutscheinen einigen konnten und diese daher aus der Gutschein-Richtlinie ausgeklammert haben.

 

Der Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein

Wie oben erwähnt, wird nicht mehr zwischen Wert-, Waren- bzw. Sachgutschein, sondern zwischen Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein unterschieden.

 

  • Einzweck-Gutschein: Als Einzweck-Gutschein gilt ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen (§ 3 Abs. 14 UStG).

 

  • Mehrzweck-Gutschein: Als Mehrzweck-Gutschein gelten alle Gutscheine, die kein Einzweck-Gutschein sind (§ 3 Abs. 15 UStG).

 

PRAXISTIPP | Schon hier sei gesagt: SSP empfiehlt Ihnen den Mehrzweck-Gutschein. Er ist für Sie einfacher zu handhaben. Und bei ihm besteht nicht die Gefahr einer Doppelbesteuerung.

 
  • Beispiel

Ein Friseur hat nur einen Betriebssitz, also keine Filiale. Er tätigt ausschließlich Umsätze zu 19 Prozent. Wenn er einen Gutschein verkauft, ist das folglich ein Einzweck-Gutschein. Er muss aus dem Verkaufsbetrag sofort 19 Prozent Umsatzsteuer herausrechnen und ans Finanzamt abführen. Es ist egal, wann der Käufer den Gutschein einlöst oder ob er das überhaupt tut!

 

Diese Probleme bringt die Neuregelung in der Praxis

Obwohl die Neuregelung erst vier Monate alt ist, zeigen sich doch jetzt schon die Probleme in der Anwendungspraxis. SSP will Sie für die drängendsten sensibilisieren.

 

Doppelbesteuerung bei Einlösung eines Einzweck-Gutscheins verhindern

Als Unternehmer müssen Sie vermeiden, dass Sie zwei Mal Umsatzsteuer zahlen. Sie müssen also organisatorischen Mehraufwand betreiben und da-rauf achten, dass der Gutschein im Kassensystem richtig erfasst bzw. boniert wird.

 

Mit anderen Worten: Tragen Sie dafür Sorge, dass nicht erneut Umsatzsteuer fällig wird, wenn der Einzweck-Gutschein eingelöst wird.

 

Was passiert mit nicht eingelösten Gutscheinen?

Da der Einzweck-Gutschein bereits bei Ausgabe (Verkauf) der Umsatzsteuer unterworfen wurde, hat eine spätere Nichteinlösung keine Folgen mehr. Die Umsatzsteuer bleibt bestehen. Es ist der Wille des Gesetzgebers, dass Sie als Ausgeber eines Einzweck-Gutscheins auch im Fall der Nichteinlösung mit Umsatzsteuer belastet bleiben. Dass Sie damit gegenüber dem Ausgeber eines Mehrzweck-Gutscheins schlechter gestellt werden, nimmt der Gesetzgeber hin.

 

Was passiert bei Sortimentswechsel bzw. -erweiterung?

Ungeklärt ist auch das Thema „Sortimentswechsel“. Konkret: Haben Sie in dem Zeitpunkt, in dem Sie den Gutschein verkaufen, nur Waren im Sortiment, die dem Regelsteuersatz unterliegen, ist der Gutschein ein Einzweck-Gutschein. Die Umsatzsteuer entsteht sofort.

 

Erweitern Sie später Ihr Sortiment und bieten auch Waren an, die dem ermäßigten Steuersatz unterfallen, „entsteht nachträglich“ ein Mehrzweck-Gutschein. Wird der später eingelöst, entsteht die Umsatzsteuer erneut.

 

  • Problem: Kann sich die Natur eines Gutscheins durch spätere Sortimentserweiterung tatsächlich ändern?
  • Auch wenn dies mit Nein zu beantworten wäre, bleibt das Problem: Was passiert, wenn nun ein Kunde den Gutschein, den Sie bei der Ausgabe mit 19 Prozent versteuert haben, tatsächlich für Waren zu sieben Prozent einlöst?

 

Wie muss Ihre Rechnung aussehen?

Die Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins gilt als Ausführung der Leistung. Die Umsatzsteuer entsteht sofort. Verkaufen Sie also solche Gutscheine an unternehmerische Kunden, müssen Sie nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG eine Rechnung mit korrekter Leistungsbeschreibung (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG) erstellen. Nur wie genau müssen Sie diese Leistung beschreiben? Ihre spätere ‒ tatsächliche ‒ Leistung steht da ja noch gar nicht endgültig fest.

 

PRAXISTIPP | Umsetzbar ist nur das, was für Sie erkennbar ist. SSP ist deshalb der Auffassung, dass die gesetzlichen Merkmale eines Einzweck-Gutscheins ausreichend sein müssen für eine korrekte Leistungsbeschreibung. Das sind

  • der Ort der Leistung und
  • der zutreffende Steuersatz (die feststehende Steuerschuld).
 

Was gilt bei Zwischenhändlern?

Verkauft Ihr Unternehmen einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers,

  • gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung,
  • auf die sich der Gutschein bezieht,
  • durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung erfolgt.

 

Das kann dazu führen, dass sich ausländische Unternehmer in Deutschland registrieren lassen müssen und umgekehrt. Auch eine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ist möglich.

Die Zwischenlösung: Auf Mehrzweck-Gutschein setzen

Sie sehen also: Das „Gutscheinthema“ ist komplex und kompliziert. Sie müssen sich intensiv damit auseinandersetzen. Bevor das BMF vor allem die Fragen zu Einzweck-Gutscheinen nicht beantwortet hat, empfiehlt SSP: Wenn Sie Gutscheine verkaufen, verzichten Sie auf Einzweck-Gutscheine. Setzen Sie auf Mehrzweck-Gutscheine. Hier wird die Umsatzsteuer erst fällig, wenn er eingelöst wird wird und Sie tatsächlich liefern oder leisten. Für den Gesetzgeber handelt sich bei der Ausgabe von Mehrzweck-Gutscheinen nämlich um den bloßen Tausch von Zahlungsmitteln.

 

PRAXISTIPP | Einen Mehrzweck-Gutschein können Sie auf unterschiedlichen Wegen erreichen:

  • Sie erweitern Ihr Sortiment und bieten darin Waren bzw. Dienstleistungen an, die unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen unterliegen.
  • Sie bieten ein Mischsortiment an, bei dem bei Ausgabe des Gutscheins noch nicht feststeht, welche Leistung oder Ware der Gutscheininhaber im Zeitpunkt der Einlösung von Ihnen konkret bekommt. Eine solche kleine „Sortimentserweiterung“ ist schnell möglich ‒ auch für typische Regelumsatzsteuer-Fälle:
    • Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Bilderbücher, Malbücher
    • Süßigkeiten, andere Lebensmittel (Kaugummi)
  • Eine Sortimentserweiterung um nicht bedruckte, illustrierte Postkarten, Glückwunsch- oder Weihnachtskarten führt nicht zum Erfolg. Für die gilt nämlich der Regelsteuersatz (Anlage 2 zu § 12 UStG).
 

Ein Mehrzweck-Gutschein ist für Sie auch deshalb von Vorteil, weil die Umsatzsteuer ja erst fällig wird, wenn der Gutschein bei Ihnen eingelöst wird. Mit anderen Worten: Auf Gutscheine die nicht eingelöst werden, sparen Sie die Umsatzsteuer. Ihr Nettogewinn steigt.

Wenn Sie als Unternehmer Gutscheine kaufen wollen

Das Thema Gutschein-Besteuerung tangiert Sie auch, wenn Sie als Unternehmer Gutscheine kaufen wollen. Hier gilt:

 

  • Kaufen Sie Einzweckgutscheine nur, wenn die Umsatzsteuer darin korrekt ausgewiesen ist. Prüfen Sie also die Rechnungen entsprechend.

 

  • Aktuell sind Mehrzweckgutscheine einfacher zu handhaben. Nur: Können Sie als Käufer sicher sein, dass der Verkäufer wirklich ein Sortiment mit verschiedenen Umsatzsteuersätzen hat? Können Sie das erkennen? Wenn nicht, fragen Sie nach. Lassen Sie es sich bestätigen.

 

FAZIT | Die Praxis lehrt, dass viele Unternehmen, die ausschließlich Waren oder Dienstleistungen anbieten, die dem Regelsteuersatz unterliegen, noch Einzweck-Gutscheine verkaufen und trotzdem null Prozent Umsatzsteuer ausweisen. Das ist falsch und kann einem vor die Füße fallen. Nehmen Sie sich des Themas deshalb an. Es birgt Sprengstoff. Sie haben konkrete Fragen zur Gutschein-Problematik? Dann mailen Sie diese an ssp@iww.de.

 
Quelle: Seite 17 | ID 45782287