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· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

Ansprüche nach einem Verkehrsunfall mit einem geleasten/finanzierten Fahrzeug

von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

| Mit gutem Grund hat der Verkehrsgerichtstag 2019 dieses enorm praxisrelevante Thema auf die Tagesordnung gesetzt (AK III). Die Fragestellungen lauten: Berechtigte Haftungsprivilegierungen für den nichthaltenden Kfz-Eigentümer? Regressmöglichkeiten des voll haftenden Unfallgegners und Ansprüche im Innenverhältnis. Genau darum geht es in diesem Beitrag. Höhefragen, insbesondere die leidige MwSt.-Problematik, müssen an dieser Stelle ausgeklammert bleiben. |

 

Übersicht 1 / Rollenverteilung bei Leasingfahrzeugen

  • Zu den unumstößlichen Gewissheiten scheint zu gehören, dass Kfz-Leasinggesellschaften mit der Halterrolle nichts zu tun haben. Sie sind i. d. R. weder Alleinhalter noch Mithalter.
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  • Halter eines Leasingfahrzeugs ist „bei üblicher Vertragsgestaltung“ nach st. Rspr. des BGH (VI.ZS) der Leasingnehmer (LN) und nicht der Leasinggeber (LG), auch wenn dieser Eigentümer bleibt (BGH NJW 07, 3120 Tz. 7).
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  • An der Haltereigenschaft des LN wird selbst dann nicht gerüttelt, wenn das Fahrzeug ‒ atypischerweise ‒ nicht auf ihn, sondern während der gesamten Leasingzeit auf den LG zugelassen ist (OVG Münster NJW 14, 2811). Auch eine Mithaltereigenschaft wird vom OVG selbst bei einer solchen Fallgestaltung ausdrücklich verneint.
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  • Der VI. Senat des BGH beschränkt seine Rollenverteilung auf „übliche Vertragsgestaltungen“. Was ist heute üblich, was unüblich? Wartung, Reparatur und Schadensmanagement werden derzeit zunehmend stärker von den LG übernommen („Full-Service-Verträge“). Diese weitgehende Entlastung des LN bei gleichzeitiger Belastung des LG könnte diesen einer (Mit-)Haltereigenschaft zumindest näher bringen. Zusatzfrage: Was ist mit den Abo-Modellen, etwa von Volvo („Care by Volvo“)? Auf den ersten Blick sehen sie wie Leasingverträge aus, sind aber wohl keine. Die Reaktion der Gerichte auf die neuartigen Modelle bleibt abzuwarten. Einstweilen sollte man sich daran orientieren, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist, auch wenn das nur ein Indiz für die Haltereigenschaft unter zahlreichen anderen ist. Zu den Indizien und ihre Bedeutung im einzelnen s. OVG Münster a. a. O. und Eggert, VA 16, 42.
 

Übersicht 2 / Rollenverteilung bei bankfinanzierten Fahrzeugen

  • Die Bank lässt sich üblicherweise Sicherungseigentum übertragen. Entweder auflösend bedingt oder ohne Bedingung mit nur schuldrechtlich abgesicherter Rückübertragung. Dieser Status, verbunden mit mittelbarem Besitz, reicht nach allgemeiner Ansicht nicht aus, um die Bank zum (Mit-)Halter zu machen (BGH 7.3.17, VI ZR 125/16, NJW 17, 2352).
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  • Halter des bankfinanzierten Kfz ist der Kreditnehmer/Sicherungsgeber oder eine dritte Person, z. B. der Ehemann/Ehefrau. Zur Rollenverteilung bei Familienautos Eggert, VA 16, 42.
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  • Das Sicherungseigentum ist echtes Eigentum i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB, also Volleigentum. Bei Beschädigung des Sicherungsgutes, sprich Fahrzeugs, hat der Sicherungseigentümer grds. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 7 StVG (BGH NJW 17, 2352 Tz. 19). Daneben aus § 18 StVG und aus Vertragsverletzung (Sicherungsabrede).
 

Übersicht 3 / Der Nur-Eigentümer im StVG und die Frage der Zurechnung der Betriebsgefahr

  • 1. Der nicht haltende Eigentümer (= „Nur-Eigentümer“) wird nur an einer Stelle im StVG erwähnt, und zwar in § 17 Abs. 3 S. 3 StVG. Dort heißt es: Der Ausschluss (bei einem unabwendbaren Ereignis) gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kfz, der nicht Halter ist. M. a. W.: Der Idealfahrer kann sich auch gegenüber einem Eigentümer, der kein Halter ist, auf den Haftungsausschluss „unabwendbares Ereignisd“ berufen.
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  • 2. Im StVG bisher nicht geregelt ist, ob der Nur-Eigentümer sich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurechnen lassen muss. Da der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik von einer Regelung abgesehen hat, sieht sich der BGH gehindert, § 17 StVG entsprechend auszulegen (NJW 07, 3120; NJW 17, 2352). Eine Reform wurde bereits vom VGT 2011 gefordert, bislang ist nichts passiert. Der VGT 2019 dürfte diese Forderung wiederholen.
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  • 3. Für die Ersatzansprüche des LG ebenso wie einer Bank sieht es nach derzeitiger Rechtslage so aus:
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    • Ansprüche gegen den Unfallgegner aus §§ 823, 831 BGB gehen zu 100 Prozent durch. Dem LG bzw. der Bank kann weder ein Mitverschulden des Fahrers des „eigenen“ Fahrzeugs noch dessen Betriebsgefahr zugerechnet werden (BGH NJW 07, 3120 ‒ Leasing; BGH NJW 17, 2352 ‒ Sicherungseigentum).
    • Ziel des Anwalts des LG bzw. der Bank muss also sein, dem Unfallgegner ein unfallursächliches Verschulden nachzuweisen (dann Haftung aus § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz, z. B. § 1 Abs. 2 StVO). Für die Haftung aus § 831 BGB gelten in puncto Beweislast Sonderregeln (vgl. Palandt/Sprau, § 831 Rn. 18).
    • Ansprüche gegen den Unfallgegner aus §§ 7, 18 StVG können allein aus Gründen der Betriebsgefahr des Leasingautos/bankfinanzierten Fahrzeugs nicht gekürzt werden (keine Zurechnungsnorm), vgl. BGH NJW 07, 3120 ‒ Leasing; BGH NJW 17, 2352 ‒ Sicherungseigentum). Nur bei einem nachgewiesenen unfallursächlichen Verschulden des Fahrers kann gekürzt werden. Anwendbar sind die § 9 StVG, § 254 BGB (BGH NJW 07, 3120; BGH NJW 17, 2352). Ein nur vermutetes Verschulden genügt nicht (BGH NJW 17, 2352 Tz. 16), die allgemeine Betriebsgefahr als solche rechtfertigt keine Kürzung der StVG-Ansprüche des LG bzw. der Bank (BGH NJW 07, 3120; BGH NJW 17, 2352).
    • Ziel des Anwalts auf Unfallgegnerseite muss daher sein: Nachweis eines Verschuldens des Fahrers des Leasingautos bzw. des im Eigentum der Bank stehenden Fahrzeugs.
    • Der Satz „keine Zurechnung des Mitverschuldens des LN bei Klage des LG“ ist also nur die halbe Wahrheit. Richtigerweise muss nach Anspruchsgrundlagen differenziert werden. Fest gebucht sind 100 Prozent nur bei Ansprüchen aus §§ 823, 831 BGB.
    • Kein Anspruch des LG gegen den LN aus § 7 Abs. 1 StVG (BGH 7.12.10, VI ZR 288/09, NJW 11, 996 mit Anm. Reinking). Auch § 18 StVG scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Was bleibt, sind Ansprüche aus Vertragsverletzung und aus Delikt (§§ 823, 831 BGB).
    • Auch die Bank hat gegen ihren Kunden und Halter/Fahrer des sicherungsübereigneten Fahrzeugs keine StVG-Ansprüche. Auch ihr verbleiben nur Ansprüche aus der Sicherungsabrede sowie aus Delikt.
    • Zessionsklagen und Prozessstandschaft: Was für den LG bzw. die Bank bei eigenen Klagen aus eigenem Recht gilt, gilt auch, wenn ihre Vertragspartner aus abgetretenem Recht oder als Prozessstandschafter klagen (BGH NJW 17, 2352 ‒ Prozessstandschaft kraft Ermächtigung der Bank). Zur Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft gleichfalls BGH NJW 17, 2352. Ob eine prozessuale Ermächtigung zur quotenfreien Rechtsverfolgung überhaupt wirksam ist (verneinend Lemcke, r+s 14, 577), ist vom BGH noch nicht explizit entschieden. BGH NJW 17, 2352 Tz. 12 spricht für Wirksamkeit.
  • 4. Ersatzansprüche des LN gegen den Unfallgegner/Haftpfl.-VR:
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    • Der LN kann Ansprüche gegen den Unfallgegner aus Delikt haben (§§ 823, 831 BGB). In erweiternder Auslegung des § 254 BGB muss er sich die Betriebsgefahr des Leasingfahrzeugs zurechnen lassen. Dabei wirkt ein unfallursächliches (Mit-)Verschulden des Fahrers zusätzlich anspruchsmindernd (BGH NJW 13, 3235). Dies gilt auch, wenn der LN für ein Fahrerverschulden nicht nach § 831 BGB einzustehen hat.
    • Ansprüche des LN gegen den Unfallgegner aus §§ 7, 18 StVG unterliegen der Kürzung nach den allg. Grundsätzen der Halter vs. Halter-Konstellation (§ 17 Abs. 1, 2 StVG).
    • Der LN macht eigene Ansprüche geltend und klagt daneben Ansprüche des LG als Prozessstandschafter ein: Hier kann es zu einem Quotensplitting kommen. Beispiel für Leasing: LG Köln 18.3.08, 8 O 96/06, juris. Beispiel für bankfinanziertes Fahrzeug: OLG München 12.1.18, 10 U 3100/17, juris (eigene Ansprüche 50 Prozent, Ansprüche der Bank 100 Prozent).
 

Übersicht 4 / Regressmöglichkeiten des Unfallgegners und seines VR

Fragestellung: Wenn Unfallgegner/KH-VR gegenüber dem LG bzw. der Bank voll haften, stellt sich die Frage, ob im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs beim LN bzw. dem Sicherungsgeber Regress genommen werden kann.

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  • Voraussetzungen des Gesamtschuldnerausgleichs: Bei einem Leasingfahrzeug setzt Gesamtschuldnerschaft nach §§ 840, 421 BGB voraus, dass der LG Ersatzansprüche a) gegen den Unfallgegner/VR und b) gegen den LN hat. Das Problem liegt bei der Voraussetzung b), denn aus §§ 7, 18 StVG hat der LG keine Ansprüche gegen den LN (Übersicht 3 Pkt. 3). Als Anspruchsgrundlagen kommen nur die §§ 823, 831 BGB und die leasingvertragliche Haftung in Betracht. Letztere greift auch ohne Verschuldensnachweis ein. Nur die objektive Pflichtverletzung muss bewiesen werden. Dann wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein Verschulden vermutet. An dieser Stelle kommen auch die Leasing-AGB ins Spiel. Hiernach haftet der LN dem LG „auch ohne Verschulden“ (z. B. Abschn. XI Nr. 1 der BMW-Leasing-AGB). Zur Wirksamkeit dieser Klausel und ihrer Bedeutung für die Frage des Gesamtschuldverhältnisses ausführlich OLG Nürnberg 15.8.17 und 19.7.17, 13 U 45/16, Abruf-Nr. 195685, VA 17, 173 und VA 17, 155.
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  • Die Position des BGH: Der Schädiger, also der Unfallgegner, hat gegen den „mitschuldigen Sachinhaber“ (= Fahrer des Leasingautos) den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB, heißt es in BGH NJW 07, 3120 Tz. 13. Unter dem Aspekt Gesamtschuldnerausgleich gleichfalls wichtig, aber auch irritierend BGH 7.12.10, NJW 11, 996, Tz. 12/13. Auch dazu OLG Nürnberg a. a. O.
 

Übersicht 5 / Der Dolo-agit-Einwand des Unfallgegners/KH-VR

Ausgangslage: Wenn der LN bzw. der Sicherungsgeber eines bankfinanzierten Fahrzeugs ausschließlich aus eigenem Recht klagt, kann die Gegenseite nach den allg. Haftungs- und Abwägungsgrundsätzen voll zu ihrem Recht kommen. Auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (dolo agit …) muss nicht zurückgegriffen werden. Anders liegen die Dinge, wenn der LN aus abgetretenem Recht oder als Prozessstandschafter eine 100-Prozent-Klage erhoben hat ‒ entweder mit Zahlung an den LG bzw. die Bank oder an sich selbst. Dann besteht auf der Gegenseite das Bedürfnis, den gesamtschuldnerischen Innenausgleich vorzuziehen. Dies gilt auch, wenn der LN/Sicherungsgeber die Kombi-Variante gewählt hat: Klage aus eigenem Recht kombiniert mit einer Klage aus abgetretenem Recht oder als Prozessstandschafter.

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  • Als Instrument wird der dolo-agit-Einwand eingesetzt. Dahinter steht der Gedanke: Ein Kläger kann nicht aus fremden Recht fordern, was er als Gesamtschuldner aus eigener Mithaftung sofort wieder ausgleichen muss. Klingt einleuchtend, ist aber dogmatisch nicht haltbar (so Scholten in: Freymann/Wellner, juris-PK Straßenverkehrsrecht, § 17 StVG Rn. 18.4; Argument: keine Gegenseitigkeit).
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  • Als Alternative zum dolo-agit-Einwand kommt eine Freistellungs-Widerklage infrage (dazu LG Münster 20.4.11, 1 S 128/10, VA 11, 109). Grundvoraussetzung ist so oder so die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses. Dazu Übersicht 4.
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  • Beispiele für einen durchgreifenden dolo-agit-Einwand aus der aktuellen Rechtsprechung: OLG Nürnberg 15.8.17 und 19.7.17, 13 U 45/16, Abruf-Nr. 195685, VA 17, 173 und VA 17, 155 (ungeklärter Unfallhergang, Kläger = LN/BMW-Leasing; Klage aus eigenem Recht in Kombination mit gewillkürter Prozessstandschaft); LG Nürnberg-Fürth, 13.7.17, 2 O 8806/16, r+s 17, 438 (Klage einer LN als gewillkürte Prozessstandschafterin).
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  • Beachten Sie | In beiden Beispielsfällen wurde bei den aus Prozessstandschaft verfolgten Ansprüchen Zahlung an sich selbst, also an den Kl. = LN verlangt. Das ist für das Verständnis der Entscheidungen wichtig. Ob der dolo-agit-Einwand auch greift, wenn auf Zahlung an den LG bzw. an die Bank geklagt wird, ist eine offene Frage. Die besseren Gründe sprechen dafür, jedenfalls bei dieser Konstellation eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) zu verneinen.
 
Quelle: Seite 25 | ID 45671856