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· Fachbeitrag · Unternehmensnachfolge

Aus Sicht eines Arbeitsrechtlers: Zehn häufige Probleme bei der Unternehmensnachfolge, Teil 2

| Ob und wie lange behält der ursprüngliche Betriebsrat sein Amt bei einer Unternehmensnachfolge? Wie lange ist der Erwerber an „alte“ Vereinbarungen gebunden? Genau um diese Fragen geht es in Teil 2 des Beitrags zur Unternehmensnachfolge. Hier stehen die Probleme der Haftung des Betriebserwerbers für Handlungen und Vereinbarungen des Veräußerers mit der Belegschaft und dem Betriebsrat im Fokus. |

1. Veräußerer lässt unerwähnt, dass es Eigenheiten bei der betrieblichen Altersvorsorge gibt

Auch die Verpflichtungen des bisherigen ArbG aus der betrieblichen Altersvorsorge gehen vom Veräußerer auf den Erwerber über. Dabei sind insbesondere bereits entstandene Anwartschaften, für die der ArbN schon Leistungen erbracht hat, geschützt. Der Erwerber hat lediglich die Möglichkeit, den Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge zu ändern, wenn er zum Beispiel die bestehende Altersversorgung aufgrund der Besonderheiten des Versorgungswerks nicht unverändert fortführen kann. In diesem Fall muss der neue ArbG den ArbN bzw. den Betriebsrentnern eine gleichwertige Altersversorgung verschaffen.

2. Keine Aufhebungsverträge während des Betriebsübergangs

Grundsätzlich können sowohl dem Betriebsveräußerer als auch der -erwerber Vereinbarungen mit den ArbN treffen, durch die das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag beendet wird. Allerdings ist auch hier der gesetzliche Schutzzweck des § 613a BGB zu beachten. Es darf keine Umgehungsabsicht vorliegen oder zu befürchten sein.

3. Richtig oder falsch: Nach der Übernahme kann der Erwerber den Betriebsrat auflösen oder Neuwahlen erzwingen

Hier kommt es auf die konkrete Konstellation des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs an:

 

  • Wechselt ein Betrieb nur den Inhaber, ohne seine organisatorische Struktur zu verändern, bleibt der Betriebsrat des übergehenden und gleichzeitig weiterbestehenden Betriebs im Amt.

 

  • Wird aus einem bestehenden Betrieb ein Betriebsteil ausgegliedert und geht auf einen neuen Inhaber über, bleibt der Betriebsrat des Restbetriebs im Amt. Ihm kommt dabei ein sogenanntes Übergangsmandat nach § 21a BetrVG auch für den ausgegliederten Betriebsteil zu, um Zeiten ohne Vertretung der ArbN durch den Betriebsrat zu vermeiden. Der Betriebsrat hat in diesem Fall für die Einleitung von Betriebsratswahlen im ausgegliederten Teil zu sorgen. Entsteht durch Zusammenlegung von Veräußerer- und Erwerberbetrieb ein neuer Betrieb, endet die Amtszeit des bzw. der Betriebsräte in den ursprünglichen Betrieben. In diesem Fall erhält der Betriebsrat des Betriebs oder Betriebsteils mit der zuvor größeren Anzahl von ArbN das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG. Auch hier verpflichtet dieses Mandat zur unverzüglichen Einleitung von Betriebsratswahlen zur Bildung eines neuen Betriebsrats.

4. Erwerber will Tarifverträge kündigen, um Löhne zu senken

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied (3.12.14, 24 Sa 1126/14, Abruf-Nr. 144259), dass eine arbeitsrechtlich vereinbarte unbedingte Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung einen Unternehmenskäufer bindet. Der Tarifvertrag gelte auch nach Übergang des Betriebes weiter. Diese Rechtslage ändere sich nicht, wenn es Haustarifverträge gebe, die nicht Kraft Tarifbindung oder einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar seien.

 

Im entschiedenen Fall wurde ein nicht tarifgebundener ArbN von seinem ArbG (Land Brandenburg) als Krankenpfleger beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag wurde auf den BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen. Das Arbeitsverhältnis ging auf einen privaten Krankenhausträger über, der später mit ver.di mehrere Haustarifverträge schloss und anwendete. Der neue ArbG weigerte sich, dem ArbN die für den öffentlichen Dienst vereinbarten Gehaltserhöhungen zu zahlen. Das LAG meinte, dass keine Ablösung der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst durch den Betriebsübergang erfolgt sei. Auch eine Berücksichtigung des EU-Rechts ergebe keine andere Bewertung. Auch der im EU-Recht verankerte Schutz der Erwerberinteressen und die garantierte Unternehmerfreiheit führten zu keinem anderen Ergebnis.

5. Veräußerer ist seit Monaten mit Löhnen im Rückstand

Nach § 613 a Abs. 2 BGB haftet der bisherige ArbG neben dem neuen Inhaber für bestimmte Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis weiter. Voraussetzung ist, dass die Ansprüche vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und entweder vor dem Betriebsübergang oder zumindest vor Ablauf eines Jahres danach fällig werden. Zu diesen Ansprüchen gehören offene Lohnforderungen, die der alte ArbG zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch nicht erfüllt hatte. Alter und neuer ArbG haften als sogenannte Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Der ArbN kann sein Geld wahlweise von dem einen oder dem anderen einfordern.

 

Für Forderungen, die nicht schon vor, sondern erst nach dem Betriebsübergang fällig werden haftet der alte ArbG nur zeitanteilig. Dies gilt zum Beispiel für Prämien, Gratifikationen oder andere Ansprüche, die über das Jahr hinweg (monatlich) entstehen, aber erst am Jahresende in einem Betrag zu zahlen sind. Geht ein Betrieb also zum 1.7. des Jahres über, hat der alte Inhaber nur für den Anteil der Gesamtsumme mit einzustehen, der rechnerisch auf die Zeit vor dem Betriebsübergang entfällt.

Quelle: Seite 178 | ID 46139352