· Fachbeitrag · Update Kassenführung 2017
Das müssen Ihre Mandanten ab dem 1.1.17 und später bei der Kassenführung beachten
von Dipl.-Finw. Markus Nowotzin, Münster und Dipl.-Finw. Tobias Teutemacher, Greven
| Was hat sich durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.16 (BGBl I, 3152) geändert? Was müssen Mandanten schon im Geschäftsjahr 2017 beachten. Wie wirkt sich das neue Instrument der Steuerkontrolle, die Kassen-Nachschau aus. Wer erwartet hat, dass mit den Gesetzesänderungen sämtliche Probleme der Praxis gelöst wurden, wird enttäuscht sein. Vieles bleibt weiterhin ungeklärt. Was allerdings manifestiert wurde und was die Unternehmer beachten müssen, haben wir für Sie zusammengefasst. |
1. Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen und dessen Folgen für die Praxis
Bei der Beratung von Mandanten mit bargeldintensiven Betrieben sollten Sie die folgenden gesetzlichen Regelungen beachten:
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| Grundsatz: Keine Pflicht zur Kassenbuchführung |
Die Art der Kassenführung wird weiterhin nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben, d. h., die Unternehmer können zwischen den folgenden Formen der Kassenführung wählen:

Es ist auch weiterhin zulässig, ein elektronisches Aufzeichnungssystem neben einer offenen Ladenkasse zu führen.
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Eine Eisdiele nutzt für den Im-Haus-Umsatz ein PC-Kassen-System und für den Außer-Haus-Umsatz eine offene Ladenkasse.
Eine Metzgerei setzt für den Verkauf der Wurst-, Fleisch- und Käsewaren im Laden ein modernes Waagensystem mit Registrierkassenfunktion und für den Suppenverkauf außerhalb des Ladengeschäfts eine „offene Ladenkasse“ ein. |
1.1 Die gesetzliche Einzelaufzeichnungspflicht
In § 146 Abs. 1 S. 1 AO wird nunmehr gesetzlich geregelt, dass Buchungen und sonst erforderliche Aufzeichnungen (= bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung) grundsätzlich
- einzeln (neu)
- vollständig
- richtig
- zeitgerecht und
- geordnet
vorzunehmen sind. Erstmalig wird somit die Einzelaufzeichnungspflicht gesetzlich normiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass erst ab dem 29.12.16 Geschäftsvorfälle einzeln zu dokumentieren sind. Früher wurde die Einzelaufzeichnungspflicht aus dem HGB bzw. aus dem UStG abgeleitet. Seit Einführung des HGB und somit seit mehr als 100 Jahren gibt es die Einzelaufzeichnungspflicht.
Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und der Rechtsprechung des BFH setzt die Vollständigkeit der Einzelaufzeichnung voraus, dass jeder einzelne Geschäftsvorfall in einem Umfang aufgezeichnet wird, der eine Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Dabei ist die Zumutbarkeit der Aufzeichnungen zu berücksichtigen (BFH 12.5.66, IV 472/60, BStBl 1966 III S. 372 = Einzelhandelsrechtsprechung).
Die Einzelaufzeichnungspflicht entfällt jedoch, wenn Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung verkauft werden (s. § 146 Abs. 1 S. 3 AO = Ausnahme 1).

Die vorgenannte Ausnahmeregelung ist jedoch nur anwendbar, bei der Kassenführung mittels „offener Ladenkasse“, denn wenn die Mandanten elektronische Aufzeichnungssysteme (s. Abb. 1) nutzen, gilt wieder der Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht (s. § 146 Abs. 1 S. 4 AO = Ausnahme 2).
Bei genauer Betrachtung bedeutet dies, dass die Ausnahmeregelung 1 nicht zur Anwendung kommt, wenn Dienstleistungen erbracht werden, denn das Gesetz sieht nur beim Verkauf von Waren eine Ausnahme vor!
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Der Betreiber einer Achterbahn auf der Kirmes erbringt eine Dienstleistung. Nach dem Gesetz ist er verpflichtet, Einzelaufzeichnungen zu führen, denn er verkauft keine Waren!
Ein Herrenfriseur, der fast ausschließlich nicht namentlich bekannten Kunden die Haare schneidet, erbringt Dienstleistungen und muss somit Einzelaufzeichnungen führen. |
Anmerkung
Wie die Beispiele zeigen ist es schwierig, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn eine Vielzahl von Dienstleistungen an Personen in kurzer Zeit erbracht wird. In diesen Fällen sollte den Mandanten ein elektronisches Aufzeichnungssystem empfohlen werden. Diese sind schon im Bereich unterhalb von 1.000 EUR zu bekommen.
1.1.1 Grundsätze der Einzelaufzeichnungspflicht
Vom Grundsatz her bedeutet Einzelaufzeichnungspflicht, dass
- jeder Geschäftsvorfall in einem Kassenbuch (bei offener Ladenkasse) oder elektronischem Erfassungssystem aufgezeichnet werden muss,
- Einzelbelege, Quittungen, Rechnungen, etc., geordnet gesammelt werden,
- eine nur summarische Erfassung in einem retrograd aufgebauten Kassenbericht nicht mehr zulässig ist.
Was im Detail einzeln aufzuzeichnen ist, ließ der Gesetzgeber jedoch offen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass an der früheren Einzelhandelsrechtsprechung festgehalten werden sollte. In seinem damaligen Urteil hat der BFH klargestellt, dass unabhängig von der Art der Kassenführung bei Einzelaufzeichnungspflicht folgende Parameter zu erfassen sind:
- Inhalte des Geschäfts, d. h. Liefergegenstand oder Art der (Dienst-)Leistung,
- die in (Bar-)Geld bestehende Gegenleistung (d. h. der Zahlungsweg),
- Name des Vertragspartners,
- Ausreichende Bezeichnung des Geschäftsvorfalls,
- Umsatzsteuer und Steuersätze und
- der leistende Unternehmer.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine Vielzahl von Fragen, die dringend einer Regelung bedürfen:
- a) Muss die Identität des Kunden immer aufgezeichnet werden?
- Diese Frage muss eindeutig mit „ja“ beantwortet werden, sofern eine gesetzliche Verpflichtung besteht, z. B.
- § 2 Abs. 1 Geldwäschegesetz (Geschäfte über 10.000 EUR),
- § 3 Abs. 1 BherbStatG, z. B. im Hotelgewerbe,
- § 18 FahrlG, bei Fahrschulen,
- § 144 AO Aufzeichnungsverpflichtungen im Großhandel,
- § 14 Abs. 2 UStG bei Lieferungen und sonstigen Leistungen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen.
- Nach den GoBD (BMF 14.11.14, IV A 4 ‒ S 0316/13/10003, BStBl I 14, 1450, Rz. 37) sind branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten und Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Als Ausnahmen bei Vorsystemen (dazu gehören auch elektronische Kassen, PC-/App-Kassensysteme) werden genannt
- a. Einzelhandelsgeschäfte in denen eine PC-Kasse ohne Kundenverwaltung zum Einsatz kommt. Hier müssen die Namen der Kunden nicht erfasst und beigestellt werden.
- b. Taxameter, in denen Angaben zum Kunden nicht erfasst und beigestellt werden können.
- b) Wie genau muss der Liefergegenstand oder die Dienstleistung bezeichnet werden?
- Bei elektronischen Aufzeichnungssystemen und auch bei handschriftlichen Einzelaufzeichnungen stellt sich die Frage, ob artikelgenau programmiert und aufgezeichnet werden muss oder ob eine Zusammenfassung in Warengruppen reicht.
- Beispiel
Eine Kundin bestellt in einer Bäckerei ein Mohnbrötchen, ein Sesambrötchen und ein Mehrkornbrötchen. Muss in dem Datenexport aus dem in der Bäckerei eingesetzten Kassensystem jeder einzelne Brötchenverkauf nachvollziehbar sein oder reicht der Ausweis mittels Warengruppe „Brötchen“?
- Aus unserer Sicht kann nur mit einer artikelgenauen Programmierung sichergestellt werden, dass die Buchführung progressiv und retrograd prüfbar ist.
- c) Wie sind Umsätze zu unterschiedlichen Steuersätzen zu dokumentieren?
- Bei Nutzung von elektronischen Aufzeichnungssystemen stellt sich dieses Problem eher weniger. In diesen Fällen kommt es darauf an, dass die Bediener dieser Systeme die Umsätze korrekt eingeben (Hinweis auf § 63 Abs. 4 UStDV).
- Beispiel
In einer Bäckerei mit angeschlossenem Café werden die Umsätze zu den unterschiedlichen Steuersätzen über eine „Modifierfunktion“ im Kassensystem dokumentiert. Hier ist es wichtig, dass die Mitarbeiter diese Funktion richtig einsetzen.
1.1.2 Einzelaufzeichnungspflicht bei der EÜR
Betrachtet man die Überschrift des § 146 AO, stellt man fest, dass hier von „Büchern“ und Aufzeichnungen die Rede ist, d. h., die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (§ 147 AO) gelten auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung.
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Ein Physiotherapeut betreut nur Terminkunden. Um die Einzelaufzeichnungspflichten zu erfüllen, würde es ausreichen, wenn die Bareinnahmen in einem Terminkalender mit dem Namen des Patienten, der Behandlungsart und dem Behandlungspreis aufgezeichnet werden. Denn auch er erbringt Dienstleistungen, die einzeln aufzuzeichnen sind. |
1.2 Die Pflicht zur täglichen Kassen(buch)führung
Der neue § 146 Abs. 1 S. 2 AO regelt nunmehr, dass Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich (unveränderbar) im Grundbuch (= Kassenbuch oder -bericht) zu erfassen sind. Es handelt sich um eine „Muss“-Vorschrift.
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Bei Nutzung von elektronischen Kassenbüchern, z. B. DATEV, muss eine tägliche Festschreibung erfolgen. |
Eine Kassenbuchführung, bei der die Bareinnahmen und -ausgaben erst am nächsten Geschäftstag aufgezeichnet werden, ist noch ordnungsgemäß, wenn zwingende geschäftliche Gründe einer Buchung noch am gleichen Tag entgegenstehen und aus den Buchungsunterlagen sicher entnommen werden kann, wie sich der sollmäßige Kassenbestand entwickelt hat (BFH 31.7.74, I R 216/72, BStBl II 75, 96).
2. Zulässige Formen der Kassenführung ab dem 1.1.17
Weder durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen noch durch die Kassensicherungsverordnung wird die Art der Kassenführung vorgeschrieben. Auch gibt es weiterhin keine Pflicht, sich eine Registrierkasse anzuschaffen. Dies wäre zwar empfehlenswert, doch niemand kann dazu gezwungen werden.
Die Belegerteilungspflicht wird erst zu einem späteren Zeitpunkt 1.1.20 eingeführt.
Wie Abb. 1 (Tz 1) verdeutlicht, sind ab dem 1.1.17 folgende Arten der Kassenführung zulässig:
- Offene Ladenkasse
- Elektronisches Aufzeichnungssystem, dazu gehören:
- Elektronische Registrierkassen,
- Waagen mit Registrierkassenfunktion und
- PC-(Kassen-)Systeme (dazu gehören auch App-Kassen),
- Vorgenannte Geräte müssen Kasseneinzeldaten unveränderbar speichern und in der Lage sein, diese Daten innerhalb des 10-jährigen Aufbewahrungszeitraums jederzeit digital exportieren zu können. Diese elektronischen Aufzeichnungssysteme müssen den Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26.11.10 (IV A4 ‒ S 0316/08/10004-07, BStBl I 10, 1342) genügen.
- Mischformen
2.1 Offene Ladenkasse
In der letzten Zeit haben sich mehrere Autoren (Pump, StBP, „Die Einzelaufzeichnungspflichten des § 146 AO n. F. als Ende der offenen Ladenkasse“ oder Achilles, DATEV Magazin, „Gefährdete Art offene Ladenkasse“) mit dem Ende der offenen Ladenkasse beschäftigt. Fakt ist jedoch, dass die offene Ladenkasse weiterhin eine zulässige Art der Kassenführung darstellt. Obwohl sie aus unserer Sicht nicht empfehlenswert ist.
Stellt man die Vor- und Nachteile einer offenen Ladenkasse gegenüber, kann man eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen, den Mandanten die Anschaffung eines elektronischen Aufzeichnungssystems zu empfehlen:
In der Praxis ist es schwierig, die formellen Anforderungen der Finanzverwaltung an eine ordnungsgemäße Kassenführung mittels offener Ladenkasse zu erfüllen.
Bei der offenen Ladenkasse sind zu beachten:

Wenn Sie Ihre Mandanten, die die offene Ladenkasse als Form der Kassenführung bevorzugen, richtig beraten wollen, müssen Sie Folgendes beachten (s. auch Abb. 3):
- Grundsatz: Sind die Mandanten zur Einzelaufzeichnung verpflichtet, dann sind
- Kassenbuch oder
- Kassenbestandrechnung oder
- Handschriftliche Aufzeichnungen ‒ z. B. bei der EÜR ‒ zu führen.
- Beachten Sie | Ist der Mandant zur Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle verpflichtet, darf keine summarische Ermittlung der Einnahmen mittels retrograd aufgebautem Kassenbericht erfolgen!
- Ausnahme: Eine summarische Ermittlung der Einnahmen mittels retrograd aufgebautem Kassenbericht (ausgehend vom Kassenbestand am Schluss des Geschäftstags) ist nur dann zulässig, wenn Waren an eine Vielzahl von unbekannten Kunden verkauft werden und Einzelaufzeichnungen unzumutbar wären.
Bei der Kassenführung mittels offener Ladenkasse sollten Sie mit Ihren Mandanten folgende Fragen klären:
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Hinweis: Einen retrograd aufgebauten Kassenbericht erkennen Sie daran, dass dieser mit dem Kassenbestand am Ende des Geschäftstages beginnt.
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2.1.2 Reine Ausgabenkasse
In Betrieben, die nicht im bargeldintensiven Bereichen tätig sind, wird oftmals eine offene Ladenkasse als reine Ausgabenkasse geführt. Der Bargeldzufluss in diese Kassen erfolgt in der Regel über Privateinlagen (die aber durch Eigenbelege nachzuweisen sind) oder durch Geldtransitzahlung vom Bankkonto. Die Einlage und Transitzahlungen sind durch entsprechende Belege nachzuweisen. Gleiches gilt für Barausgaben und Barentnahmen.
Die Dokumentation kann mittels Kassenbuch, Kassenbestandsrechnung oder geordnete Belegablage erfolgen. Auch hier gilt: Die Buchführung muss handschriftlich gefertigt werden, kein Excel.
2.2 Mischformen
Das Nebeneinander von „offener Ladenkasse“ und elektronischem Aufzeichnungssystem ist grundsätzlich möglich. Welche Dokumentationspflichten erfüllt werden müssen, können Sie Abb. 4 entnehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit lässt sich aber auch die Auffassung vertreten, dass in einem Unternehmen, wo ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird, alle Leistungen auch über ein solches erfasst werden sollen, z. B. Eisdiele mit offener Ladenkasse beim Außer-Haus-Verkauf und elektronischer Registrierkasse beim Im-Haus-Verkauf.

2.3 Zulässige elektronische Aufzeichnungssysteme ab dem 1.1.17
Ab dem 1.1.17 dürfen nur noch elektronische Aufzeichnungssysteme in der Praxis eingesetzt werden, die die Geschäftsvorfälle
- einzeln,
- vollständig,
- richtig,
- zeitgerecht und
- geordnet
aufzeichnen, d. h. digitale Erfassung bei Eingabe. Es handelt sich hierbei um digitale Grundaufzeichnungen. Die Anforderungen der BMF-Schreiben vom 26.11.10 (2. Kassenrichtlinie) und 14.11.14 (GoBD) müssen erfüllt werden.
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Geräte im Sinne des BMF-Schreibens vom 26.11.10 | Vorsysteme im Sinne des BMF-Schreibens vom 14.11.14 |
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3. Die Verordnungsermächtigung, § 146a AO
Mit dem „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ vom 22.12.16 wurde auch der § 146a AO eingeführt. Im ersten Absatz der o. g. Norm ist geregelt, dass Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge, die mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem erfasst werden, nur den Ordnungsvorschriften entsprechen, wenn das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung geschützt sind.
Die zertifizierte Sicherheitseinrichtung besteht künftig aus drei Komponenten:
- einem Sicherheitsmodul,
- einem Speichermedium und
- einer einheitlichen digitalen Schnittstelle.
Die digitalen Daten sind auf dem Speichermedium zu sichern und im Rahmen von Nachschauen oder Außenprüfungen vorzuhalten. Der gewerbsmäßige Handel oder die Werbung mit/für Sicherheitseinrichtungen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, ist verboten.
Nach dem reinen Leseverständnis könnte man davon ausgehen, dass nun alle elektronischen Geräte, insbesondere Vorsysteme i. S. d. GoBD (Rz. 20, s. Tab. 1 dieses Artikels), die Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge aufzeichnen, eine Sicherheitseinrichtung implementieren müssen.
In § 146a Abs. 3 AO wird das Bundesministerium für Finanzen ermächtigt, zu bestimmen, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung ausgestattet sein müssen.
Die Erfüllung der Anforderungen an die drei o. g. Komponenten der Sicherheitseinrichtung, das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle sind dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nachzuweisen. Dieser Nachweis ist laufend aufrechtzuhalten.
Zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet das, dass man nicht vorhersagen kann, wie diese technische Richtlinie und das Schutzprofil aussehen. Die technischen Anforderungen, die die Hersteller dieser Sicherheitseinrichtung erfüllen müssen, um diese zu zertifizieren, sind noch nicht definiert. Es bleibt daher für alle Beteiligten zu hoffen, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik diese technische Richtlinie zeitnah entwickelt. Nur so kann ein rechtzeitiger Einsatz der Sicherheitseinrichtung zum 1.1.20 ermöglicht werden.
4. Die Kassensicherungsverordnung (KassSichV - neu)
4.1 Der Begriff der elektronischen Aufzeichnungssysteme
Elektronische Aufzeichnungssysteme, die gemäß § 146a Abs. 1 S. 2 AO durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen sind, sind nach § 1 S. 1 KassSichV derzeit nur:
- Elektronische Kassensysteme,
- Computergestützte Kassensysteme und
- Elektronische Registrierkassen.
Bei den folgenden Systemen handelt es sich zwar um elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. d. § 146 Abs. 1 S. 1 AO. Diese sind jedoch nicht durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen. Gemäß § 1 S. 2 KassSichV handelt es dabei um:
- Fahrscheinautomaten,
- Fahrscheindrucker,
- Elektronische Buchhaltungsprogramme,
- Waren- und Dienstleistungsautomaten,
- Geldautomaten,
- Taxameter und Wegstreckenzähler und
- Geld- und Warenspielgeräte.
Beachten Sie | Für vorgenannte Aufzeichnungssysteme sind die Regelungen der BMF-Schreiben vom 26.11.10 (2. Kassenrichtlinie) und vom 14.11.14 (GoBD) weiter zu beachten, die nunmehr in § 146 Abs. 1 S. 1 und 4 sowie § 146a Abs. 1 S. 1 AO ihre gesetzliche Grundlage finden.
4.2 Was ist aufzuzeichnen? Geschäftsvorfälle und andere Vorgänge?
Eine Aufzeichnungspflicht besteht für alle steuerrelevanten Geschäftsvorfälle (= Vorgänge). Diese sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unveränderbar zu dokumentieren (§ 146 Abs. 1 S. 1 und 4 sowie § 146a Abs. 1 S. 1 AO). Für jede Aufzeichnung eines Geschäftsvorfalls oder anderen Vorgangs muss von einem elektronischen Aufzeichnungssystem unmittelbar eine neue Transaktion mit folgenden Inhalten gestartet werden:
- den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns (über Echtzeituhr),
- eine eindeutige und fortlaufende Transaktionsnummer,
- die Art des Vorgangs (Rechnung, Retoure, Storno, Tischsplitt, etc.),
- die Daten des Vorgangs,
- die Zahlungsart (bar, EC, Kreditkarte, sonstiges),
- den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung oder des Vorgangsabbruchs,
- einen Prüfwert (als eindeutiges Merkmal) sowie
- die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.
Beachten Sie | Andere Vorgänge sind solche, die unmittelbar durch Betätigung der Kasse erfolgen (z. B. Tastendruck, Scanvorgang eines Barcodes), unabhängig davon, ob sich daraus ein Geschäftsvorfall entwickelt. D. h., durch jede Betätigung der Kasse erfolgt eine Protokollierung.
4.3 Belegausgabepflicht, § 146a Abs. 2 AO ‒ neu ‒
Künftig muss dem Kunden ein Beleg (in Papierform) ausgehändigt werden.
Nach der Kassensicherungsverordnung werden folgende Anforderungen an den Beleg gestellt.
Das muss ein Beleg mindestens enthalten:
- den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
- das Datum der Belegausstellung und Zeitpunkt des Vorgangsbeginns sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung,
- die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
- die Transaktionsnummer,
- das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt und
- die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder des Sicherheitsmoduls.
Mit Zustimmung des Belegempfängers kann der Beleg auch elektronisch in einem standardisierten Datenformat ausgegeben werden.
PRAXISHINWEIS | Der Kunde ist nicht verpflichtet, den Beleg mitzunehmen.
Unternehmen können von der Belegausgabepflicht befreit werden, wenn sie Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Kunden verkaufen. Dafür ist ein Antrag nach § 148 AO erforderlich.
Diesem Antrag dürfte die Finanzverwaltung allerdings kaum jemals stattgeben, denn wer ‒ wie bisher schon ‒ bereits durch § 22 UStG, §§ 63 ff. UStDV zur Einzelaufzeichnung verpflichtet ist und war, für den stellt sich diese Verpflichtung von vornherein nicht als unzumutbar dar. |
5. Die neue Kassen-Nachschau, § 146b AO ‒ neu ‒
Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wird die Kassen-Nachschau als neues Instrument der Steuerkontrolle eingeführt. Dieses kann erstmalig ab dem 1.1.18 von der Finanzverwaltung (FV) genutzt werden.
Mit der Einführung des neuen § 146b AO kann die Finanzbehörde ab dem Kalenderjahr 2018 im Rahmen der Kassen-Nachschau durch den mit der Kassen-Nachschau beauftragen Amtsträger unangekündigt die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben prüfen.
Der Amtsträger kann diese Überprüfung während der Geschäfts- und Arbeitszeiten in den Geschäftsräumen durchführen, die Öffnungszeiten sind hier nicht maßgeblich.
Das Betreten der Wohnräume gegen den Willen des Steuerpflichtigen ist nur gestattet, wenn dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern sind.
Werden ab dem 1.1.20 Kassen mit zertifizierten Sicherheitseinrichtungen eingesetzt, so wird im Rahmen der Kassen-Nachschau zusätzlich der ordnungsgemäße Einsatz dieser Sicherheitseinrichtung überprüft.
5.1 Kassen-Nachschau versus Umsatzsteuer-Nachschau
Die folgende tabellarische Gegenüberstellung zeigt einen Vergleich der beiden Kontrollmöglichkeiten:
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Umsatzsteuer-Nachschau§ 27b UStG | Kassen-Nachschau§ 146b AO ‒ neu ‒ |
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Mit der Einführung des § 146b AO wird neben der
- Umsatzsteuer-Nachschau(§ 27b UStG) und
- Lohnsteuernachschau (§ 42g EStG)
der Finanzverwaltung eine weitere Möglichkeit gegeben, konkretisierte Sachverhalte ohne Vorankündigung in den Geschäftsräumen des Unternehmers zu den üblichen Geschäftszeiten zu überprüfen.
Der konkretisierte Sachverhalt ist im Rahmen der Lohnsteuernachschau die „Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer“, im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau die „Sicherstellung einer gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung der Umsatzsteuer“.
Die Überprüfung der Gewährleistung der Vollständigkeit der Einnahmen (Unverlierbarkeit der Aufzeichnungen) bei dem Einsatz eines Kassensystems, dient der Sicherstellung und einer gleichmäßigen Umsatzsteuerfestsetzung und Erhebung.
5.1.1 Was ermöglicht die Kassen-Nachschau?
Man stellt sich somit zu Recht die Frage, was ist im Rahmen der Kassen-Nachschau möglich, was die Finanzverwaltung nicht im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau durchführen darf.
Die Gemeinsamkeiten der Umsatzsteuer-Nachschau und der Kassen-Nachschau sind, die Durchführung ohne vorherige Ankündigung in den Geschäftsräumen. Die Durchführung der Maßnahme erfolgt innerhalb der Geschäfts- und Arbeitszeiten und außerhalb einer Außenprüfung. In beiden Verfahren ist der Unternehmer verpflichtet, auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Geben die Feststellungen der Umsatzsteuer-Nachschau oder der Kassen-Nachschau dafür hinreichenden Anlass, so kann zu einer Außenprüfung übergegangen werden. Die Maßnahmen unterscheiden sich in folgenden Punkten:
- Die Umsatzsteuer-Nachschau kann nur durch Amtsangehörige durchgeführt werden, die mit der Erhebung oder der Festsetzung der Umsatz-steuer betraut sind (§ 27b UStG S. 1).
- Die Kassen-Nachschau kann durch alle Amtsträger durchgeführt werden, sie müssen lediglich damit beauftragt sein. Die Art der Beauftragung ist im Gesetz nicht näher geregelt, hier muss noch innerhalb der Finanzverwaltung geklärt werden, wie diese Beauftragung im Sinne des Gesetzes zu erfolgen hat.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau dürfen alle gewerblich oder selbstständig Tätigen ohne vorherige Ankündigung durch die Finanzverwaltung aufgesucht werden.
Die Durchführung einer Kassen-Nachschau darf bei Steuerpflichtigen erfolgen, die über Geschäftsräume oder Geschäftsgrundstücke verfügen und Sachverhalte erfüllen, die für die Besteuerung von Bedeutung sein können.
Ab dem 1.1.18 müssen also auch z. B. gemeinnützige Vereine bei der Durchführung von Wohltätigkeitsveranstaltungen im Rahmen ihrer Gemeinnützigkeit damit rechnen, dass die Finanzverwaltung bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten ohne Vorankündigung „Unterstützung“ leistet.
Des Weiteren kann im Rahmen der Kassen-Nachschau überprüft werden, ob das elektronische Aufzeichnungsgerät im Sinne des § 146 a Abs. 1 S. 1 und 4 AO ordnungsgemäß eingesetzt wird. Diese Prüfung, ob auch die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung ordnungsgemäß eingesetzt wird (vgl. § 146a Abs. 1 S. 2 AO), erfolgt sobald sich diese im Einsatz befinden (voraussichtlich ab dem 1.1.20).
5.1.2 Wie erfolgt diese Überprüfung?
In § 6 KassenSichV sind die Anforderungen an den auszustellenden Beleg geregelt. Ein Merkmal auf dem Beleg, an dem überprüft werden kann, ob das Sicherheitsmodul ordnungsgemäß eingesetzt wurde, wurde dagegen nicht geregelt.
In dem Verfahren INSIKA ist die Belegpflicht dagegen ein Sicherheitsanker, denn der auszugebende Beleg enthält die Signatur (der Einfachheit halber per QR-Code), mit dessen Hilfe eine sofortige Überprüfung des ordnungsgemäßen Einsatzes möglich ist, was ‒ je nach konkreter Ausgestaltung des Verfahrens ‒ entweder nur durch die Finanzverwaltung oder aber auch durch jeden Empfänger des Belegs erfolgen könnte. Ohne die Kenntnis der technischen Richtlinie, die bisher auf der Seite des Bundesministeriums für Sicherheit in der Informationstechnik noch nicht veröffentlicht ist, ist es schwer zu sagen, wie die Prüfung der ordnungsgemäßen Verwendung stattfinden soll. Vermutlich wird es nicht schnell und einfach durchzuführen sein, da die Überprüfung wahrscheinlich nur durch eine aufwendige Analyse der Einzeldaten möglich sein wird.
Die Analyse der Einzeldaten ist deshalb möglich, weil im Rahmen der Kassen-Nachschau der sogenannte „Z3-Zugriff“ möglich ist:
„…Liegen die in S. 1 genannten Aufzeichnungen oder Bücher in elektronischer Form vor, ist der Amtsträger berechtigt, diese einzusehen, die Übermittlung von Daten über die einheitliche digitale Schnittstelle zu verlangen oder zu verlangen, dass Buchungen und Aufzeichnungen auf einem maschinell auswertbaren Datenträger nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden…“.
Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau ist lediglich der sogenannte „Z1-Zugrifftxt“ rechtlich zulässig:
„…Wurden die in S. 1 genannten Unterlagen mithilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt, können die mit der Umsatzsteuer-Nachschau betrauten Amtsträger auf Verlangen die gespeicherten Daten über die der Umsatzsteuer-Nachschau unterliegenden Sachverhalte einsehen und soweit erforderlich hierfür das Datenverarbeitungssystem nutzen. Dies gilt auch für elektronische Rechnungen nach § 14 Abs. 1 S. 8.“
Weder die Umsatzsteuer-Nachschau noch die Kassen-Nachschau ist eine Außenprüfung, es ist jedoch jederzeit möglich in eine Außenprüfung überzugehen. Die Außenprüfung, die an eine Umsatzsteuer-Nachschau anschließt, ist die Umsatzsteuersonderprüfung. Eine Betriebsprüfung ist nach der Kassen-Nachschau möglich. In beiden Fällen ist ein schriftlicher Hinweis auf den Übergang notwendig.
In 2017 kann die Finanzverwaltung lediglich im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau ohne vorherige Ankündigung in den Geschäftsräumen erscheinen und die Gewährleistung der Vollständigkeit der Einnahmen bei dem Einsatz eines Kassensystems überprüfen. Eine Herausgabe der Daten auf Datenträger kann nur freiwillig erfolgen, ein Herausgabeanspruch besteht nicht.
5.2 Worauf müssen sich Mandanten einstellen?
Mandanten müssen sich zukünftig darauf einstellen, dass vermehrt vorher nicht angekündigte Umsatzsteuer-Nachschauen von der Finanzverwaltung durchgeführt werden. Die Prüfbarkeit der formellen und sachlichen Richtigkeit wird sich dabei nicht nur auf einzelne Geschäftsvorfälle beziehen (= Prüfung der Kasseneinzeldaten), sondern auch auf die Prüfbarkeit des gesamten Verfahrens. Es wird deshalb auch vermehrt zu Verfahrens- und Systemprüfungen kommen.
Dadurch steigt das Risiko der Entdeckung von Manipulationen, denn durch das Datenanalyse- und Datenmitnahmerecht können Veränderungen schneller erkannt werden, denn ‒ anders als bei angemeldeten Betriebsprüfungen ‒ kann man nie genau wissen, wann der Prüfer kommt.
Stellt die Betriebsprüfung bei einer Kassen-Nachschau fest, dass
- Kasseneinnahmen und -ausgaben nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet und aufbewahrt werden,
- digitale Grundaufzeichnungen (= Kasseneinzeldaten) nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften digital zur Verfügung gestellt werden,
- die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung nicht ordnungsgemäß eingesetzt wird,
kann ohne Prüfungsanordnung ‒ einfache schriftliche Mitteilung reicht aus ‒ zu einer Vollprüfung übergegangen werden. Ab dem 1.1.20 müssen die Daten im Rahmen einer Kassen-Nachschau über die zertifizierte digitale Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden.
5.3 Kassen-Nachschau bei offener Ladenkasse
Verwendet der Unternehmer zulässigerweise eine offene Ladenkasse, so ist die rechnerische Ermittlung der Tageslosung nur noch möglich, wenn eine Vielzahl von Waren an nicht bekannte Personen verkauft wird und kein elektronisches Aufzeichnungsgerät eingesetzt wird. In diesem Fall wird überprüft, ob die Aufzeichnungen täglich geführt werden. Da ein Kassensturz nur möglich ist, wenn man den Tagesanfangsbestand kennt, sind auch diese Unterlagen griffbereit in der Nähe der offenen Ladenkasse aufzubewahren.
Es ist auch notwendig, schlüssig darlegen zu können, wie es gewährleistet wird, dass aus der Kasse getätigte Aufwendungen bei der rechnerischen Ermittlung der Tageslosung nicht verloren gehen und somit eine geminderte Tageslosung ermittelt wird.
Ist der Unternehmer Dienstleister, so ist er grundsätzlich in der Einzelaufzeichnungspflicht. Eine rechnerische Ermittlung der Tageslosung bei Verwendung einer offenen Ladenkasse ist daher formell nicht ordnungsgemäß. Hier kann durch den Kassensturz festgestellt werden, ob alle einzelaufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfälle in der Kasse zu einem „Mehr“ geführt haben.
6. Die Bedeutung der Verfahrensdokumentation
6.1 Gesetzliche Grundlage
Die Buchführung und somit auch das Kassensystem müssen so aufgebaut sein, dass sich ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle, die mit dem Kassensystem aufgezeichnet wurden, verschaffen kann (§ 145 Abs. 1 AO).
Dafür ist es erforderlich, dass den Prüfungsdiensten der Finanzverwaltung eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation zur Verfügung gestellt wird, die sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfrist nachweist und den in der Praxis eingesetzten Versionen des elektronischen Aufzeichnungssystems entspricht. Damit Verfahrens- und Systemprüfungen durch die Prüfungsdienste möglich werden, ist eine aussagekräftige Verfahrensdokumentation vorzulegen.
6.2 Muss-Inhalte
Aus der Verfahrensdokumentation muss ersichtlich sein, wie elektronische Belege (= Kasseneinzeldaten) erfasst, empfangen, verarbeitet, ausgegeben und aufbewahrt werden (BMF 14.11.14, GoBD, Rz. 66). Auch wie die Daten entstehen, indiziert, verarbeitet und archiviert werden, muss aus der Verfahrensdokumentation ersichtlich sein.

Somit ergeben sich für eine aussagefähige Verfahrensdokumentation folgende Bestandteile:
- Allgemeine Beschreibung
- Anwenderdokumentation
- Technische Systemdokumentation
- Betriebsdokumentation
Bei den in früheren Zeiten genutzten elektronischen Registrierkassen ohne Einzeldatenspeicherung und ohne Datenexportmöglichkeit mussten deshalb immer die Programmier- und Bedienungsanleitungen aufbewahrt werden.
In heutigen Zeiten werden vermehrt Datenbanksysteme, z. B. SQL, Access, etc. genutzt. Verfahrensdokumentationen für diese Systeme müssen beschreiben, welche Datenbanktabellen es gibt, wie die Felder in den Tabellen beschrieben werden, die Systemprozeduren und sonstigen Prozeduren müssen erläutert werden. Das gesamte Datenbankmanagementsystem muss offengelegt werden. Die Prüfungsdienste müssen in die Lage versetzt werden, einen Z1-Zugriff (§ 147 Abs. 6 AO) vornehmen zu können.
6.3 Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Verfahrensdokumentation
In seinem Urteil zum Zeitreihenvergleich vom 25.3.15 (BFH 25.3.15, X R 20/13) hat der BFH ‒ damals noch zu einem Kassensystem, das keine Einzeldaten speichern konnte und auch keinen Datenexport anbot ‒ festgestellt, dass ein formeller Mangel vorliegt, wenn bei einem programmierbaren Kassensystem die Programmieranleitung und die Bedienungsanleitung nicht vorgelegt werden können.
Dies lässt nur folgende Schlussfolgerung zu: Eine fehlende Verfahrensdokumentation stellt einen gravierenden formellen Mangel dar, der für sich genommen zu einer Zuschätzung berechtigt.
7. Beihilfe des Steuerberaters/der Steuerberaterin an Steuerhinterziehungen der Mandanten
Als Angehöriger der steuerlichen Berufe ist der Steuerberater verpflichtet, die geltenden Steuergesetze einzuhalten, sodass weder er noch die Mandanten Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bekommen.
Dabei befinden sich die Steuerberater in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite stehen die Steuergesetze und auf der anderen Seite der Wunsch der Mandanten nach „Steueroptimierung“, d. h., die Anwendung der steuerrechtlichen Gesetze soll zu möglichst niedrigen Steuerzahlungen führen. In vielen Fällen wird dabei mehr den Wünschen der Mandantschaft nach Gewinnmaximierung gefolgt, als dass darauf geachtet wird, dass die steuergesetzlichen Pflichten eingehalten werden.
Einleitungen von Steuerstrafverfahren gegen die Mandanten mit bargeldintensiven Betrieben sind in der Praxis keine Seltenheit. Dabei wird von den Vertretern der steuerberatenden Berufe oftmals vergessen, dass auch sie Gefahr laufen, in die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen mit einbezogen zu werden. Da viele Steuerberater/Innen aber auch auf die Honorareinnahmen von diesen Mandanten angewiesen sind, werden strafrechtliche Bedenken oftmals ignoriert.

Folgende Probleme ergeben sich dabei in der Praxis:
- Sie erkennen, dass die vom Mandaten erklärten Einnahmen nicht richtig sein können, weil Sie z. B. mit den DATEV Prüfungstools festgestellt haben, dass die Ermittlung der Einnahmen nicht nachvollziehbar sind oder die Rohgewinnaufschlagsätze zu niedrig sind. Was veranlassen Sie?
- Sie fordern die Mandanten auf, schlüssige Aufzeichnungen und Unterlagen vorzulegen.
- Die Mandanten befolgen Ihren Rat nicht und legen weiterhin unzureichende Unterlagen vor. Was nun?
- Nicht tätig werden, besser noch wäre es, wenn Sie das Mandat niederlegen.
- Die Mandanten sind nicht in der Lage, ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen zu erstellen und Ihnen vorzulegen. Sollen Sie selber schätzen? Wenn ja, wie hoch?
- Wenn Sie selber schätzen, dann machen Sie dies in der GuV bzw. in der EÜR deutlich. Weisen Sie das Finanzamt auf die Schätzung und auf das Zustandekommen der Zahlen hin.
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Aufgrund einer Überprüfung der Erlösdaten seines Mandanten ‒ einem in einer Bargeldbranche tätigen Unternehmer ‒ mit der Richtsatzsammlung hält der Steuerberater die erklärten Erlöse in Höhe von 60.000 EUR für deutlich zu niedrig, schätzt 15.000 EUR hinzu und trägt den Betrag in Höhe von 75.000 EUR ohne weiteren Kommentar in die Steuererklärungsvordrucke ein. Ein Jahr später erscheint die Betriebsprüfung und stellt eine Steuerhinterziehung auf Grundlage einer über 75.000 EUR hinausgehenden Bemessungsgrundlage in Höhe von 20.000 EUR fest.
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Steuerberater „gutgläubig“ | Steuerberater „bösgläubig“ |
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Zu diesem Thema s. auch IWW Institut, PStR 17, 165-170
8. Übersicht der wichtigsten Änderungen
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Gesetzesvorschrift | Änderung | Gültigkeit ab |
§ 146 Abs. 1 S. 1 AO | „Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen.“ Klarstellung der Einzelaufzeichnungspflicht im Gesetz. Beachten Sie | Ab 1.1.20 kann bei Verstoß gegen die Einzelaufzeichnungspflicht eine Sanktion ausgesprochen werden, § 379 Abs. 1 Nr. 3 AO. | 29.12.16 |
§ 146 Abs. 1 S. 2 AO | „Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten.“ Aus einer Sollregelung wurde eine Muss-Vorschrift. | 29.12.16 |
§ 146 Abs. 1 S. 3 AO | „Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach S. 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht.“
Ausnahmeregelung: Gilt nur für die Kassenführung mittels „offener Ladenkasse“. Bei Unzumutbarkeit kann summarische Tageslosungsermittlung mittels retrograd aufgebautem Kassenbericht erfolgen. Aber Mandant muss Unzumutbarkeit nachweisen. | 29.12.16 |
§ 146 Abs. 1 S. 4 AO | „Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.“
Umfasst sind elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. d. § 146a Abs. 1 S. 1 AO, nicht solche nach S. 2 dieser Vorschrift, die darüber hinaus über eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung verfügen müssen. Gemeint sind mithin neben den in § 1 S. 1 KassensichV genannten, also auch die dort in S. 2 aufgeführten Systeme (kassenähnliche Geräte, Buchführungssysteme etc. (siehe unter Ziffer 4.1). | 1.1.20 |
§ 146a Abs. 1 AO | Nur noch Kassensysteme mit Sicherheitszertifikat. | 1.1.20 (in Ausnahmefällen erst gültig ab 1.1.23) |
§ 146a Abs. 1 S. 5 AO | Werbe- und Verkaufsverbot für „unsichere“ Kassensysteme. | |
§ 146a Abs. 2 AO | Belegausgabepflicht Beachten Sie | Befreiung nach § 148 AO möglich. Aber: Keine Sanktionierung bei Verstoß! | 1.1.20 |
§ 146a Abs. 4 AO | Anzeigepflicht für Kassensysteme i. S. d. § 146a Abs. 1 AO. Anzeige nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme des elektronischen Aufzeichnungssystems. Aber: Keine Sanktionierung bei Verstoß! | 1.1.20 |
Einführung der Kassen-Nachschau mit umfassendem Datenzugriffsrecht (anders als bei der Umsatzsteuer-Nachschau). Übergang zur allgemeinen Betriebsprüfung möglich. | 1.1.18 | |
§ 147 Abs. 6 AO | Zugriff auf Kasseneinzeldaten bei Dritten nur nach entsprechender Vorankündigung. Gilt nicht für die Kassen-Nachschau nach § 146b AO, da deren Zweck (unangekündigter Zugriff) ansonsten vereitelt würde. | 29.12.16 |
Hinweis
- Dieser Artikel gibt die persönlichen Ansichten der Autoren wieder und wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft geschrieben.