· Fachbeitrag · Urlaub/Freistellung
Sommerzeit = Urlaubszeit: Was gilt nach dem Lockout für ArbN und ArbG?
| Die Sommerzeit steht bevor und damit auch der Wunsch der ArbN, in den Urlaub zu gehen. Doch das steht im Spannungsverhältnis zu den Wünschen der ArbG, die nach wochenlanger Kurzarbeit in der Corona-Krise jetzt ihren Betrieb auf „volle Fahrt voraus“‒ mit möglichst vielen ArbN ‒ stellen möchten. Welche Auswirkungen das auf die Urlaubsansprüche hat, beschreibt anhand einiger Praxisfälle der folgende Beitrag. |
1. Zunächst: Was gilt bei Arbeitszeitkonten, Urlaub & Co.?
Wenn beim ArbG eine Vereinbarung über die Führung und Ausgestaltung eines Arbeitszeitkontos durch Tarifvertrag oder Individualarbeitsvertrag mit allen oder einem Teil der ArbN getroffen worden ist, können die nach Maßgabe der jeweiligen Regelung gegebenen Möglichkeiten auch im Rahmen der Corona-Pandemie genutzt werden. Dies bedeutet, dass vorhandene Plus-stunden ab- bzw. Minusstunden aufgebaut werden können. Zu beachten ist aber, dass solche Maßnahmen nur zur Überbrückung relativ kurzer Durststrecken geeignet sind und keine schnelle Steigerung der Liquidität bringen.
Auch der Einsatz von Erholungsurlaub ist nur bei hohen noch offenstehenden Urlaubssalden der ArbN und deren Bereitschaft, den Urlaub in Absprache mit dem ArbG in den Zeitraum der Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs während der Pandemie zu verlegen, ein effizientes Mittel, den Herausforderungen der Corona-Krise zu begegnen.
MERKE | Der ArbG kann ‒ abgesehen von eng begrenzten Ausnahmetatbeständen ‒ Urlaub nicht einseitig anordnen. Die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG, nach der der ArbG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs Urlaubswünsche der ArbN vorrangig zu berücksichtigen hat, wird nicht automatisch durch die veränderte Situation in der Pandemie außer Kraft gesetzt. |
Im Rahmen der gesetzlichen Regelung dürfen den Urlaubswünschen der ArbN keine überwiegenden dringenden betrieblichen Belange oder Urlaubswünsche anderer ArbN, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen, entgegenstehen. Dem ArbG hilft diese Regelung in der Krise nur sehr begrenzt. Mit ihr kann er bei entsprechender Darlegung und Argumentation zwar möglicherweise Urlaubsbegehren einzelner ArbN für bestimmte Zeiträume abblocken, nicht aber Erholungsurlaub zur Überbrückung von Zeiten des durch Corona bedingten Umsatzausfalls einseitig anordnen.
Die einseitige Anordnung oder der einseitige Abbau von Resterholungsurlaub durch den ArbG ist nur möglich, wenn es hierzu wirksame Regelungen in Arbeits- oder anwendbaren Tarifverträgen/Betriebsvereinbarungen oder im Gesetz gibt. Solche Bestimmungen können sich z. B. auf Betriebsferienzeiträume, Urlaubssperren in bestimmten Zeiträumen bei Saisonbetrieben oder den beim Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG) obligatorischen Abbau von Alturlaub beziehen. Vielversprechender ist, die konkrete betriebliche Umsatzsituation offen und transparent mit den ArbN zu erörtern und eine an diese angepasste Urlaubsgewährung mit diesen zu vereinbaren.
2. Einige Fälle aus der Praxis
Nachfolgend einige Anfragen zum derzeit heiß diskutierten Thema „Urlaub“.
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Der ArbG schickte seine ArbN in die Kurzarbeit. Nach vierwöchiger Schließung öffnet er seinen Einzelhandelsbetrieb wieder und teilt den erstaunten Mitarbeitern mit, dass er allen „hierfür“ drei Tage Urlaub streicht. |
Für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist eine Voraussetzung, dass der Arbeitsausfall als unvermeidbar gilt. Daraus folgt, dass kein Kurzarbeitergeld geleistet wird, so lange der Arbeitsausfall durch die Gewährung von Urlaub überbrückt werden kann, sofern vorrangige Urlaubswünsche des jeweiligen ArbN nicht entgegenstehen (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III). Aber: Bei der Lage des Urlaubs sind grundsätzlich auch die Wünsche des ArbN zu berücksichtigen, es sei denn, betriebliche Belange stehen entgegen (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG).
PRAXISTIPP | Wegen der Corona-Krise teilte die Bundesagentur für Arbeit folgende Erleichterung für Unternehmen mit: Es wird bis zum 31.12.20 davon abgesehen, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit einzufordern (Weisung der Agentur für Arbeit zu Verbesserungen für das KUG bis 31.12.2020, Abschnitt 2.1.2.) |
Dies bedeutet für den Ausgangsfall, dass die drei Urlaubstage nur wirksam angerechnet werden können, wenn es sich um noch nicht verplanten Resturlaub aus dem Vorjahr handelt, der noch nicht vom ArbN beantragt worden ist und ohne die Anordnung des ArbG verfallen würde. Diese Voraussetzungen sind in der Praxis nur selten erfüllt. Auch nach dem vorgegebenen Sachverhalt erweist sich die Anordnung des „Zwangsurlaubs“ als nicht rechtmäßig.
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Was ist, wenn die ArbN mehrheitlich ihren Urlaub in der zweiten Jahreshälfte nehmen wollen und der ArbG nicht alle Anträge annehmen kann? Verfallen die nicht genehmigten Urlaubstage dann? |
Das kommt darauf an. Hier ist wichtig, ob der ArbG die ArbN rechtzeitig über den drohenden Verfall des Urlaubs informiert hat und dies auch gerichtsfest nachweisen kann. Das BAG (19.2.19, 9 AZR 541/15, Abruf-Nr. 207302) entschied, dass der ArbG die ArbN auf den drohenden Urlaubsverfall hinweisen muss. Dies muss rechtzeitig genug geschehen, damit diese die Gelegenheit haben, den Urlaub noch zu einem Zeitpunkt zu nehmen, an dem keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Der ArbG sollte dabei darauf hinweisen, dass nicht alle gleichzeitig Urlaub im zweiten Halbjahr nehmen können. Er sollte gegebenenfalls Alternativzeiträume für betroffene ArbN aufzeigen, in denen Urlaub gewährt werden kann, ohne dass Verfall eintritt. Auch über die Rechtsfolgen und den Zeitpunkt des Verfalls der Urlaubsansprüche ist die Mitteilung im eigenen Interesse des ArbG.
Musterformulierung / Hinweis des ArbG auf drohenden Urlaubsverfall |
Sehr geehrte(r) Herr / Frau, in diesem Kalenderjahr stehen Ihnen noch ... Urlaubstage zur Verfügung. Ich bitte Sie hiermit, Ihre Urlaubstage bis zum (Datum) zu verplanen. Sollten Sie die Urlaubstage nicht bis zum Jahresende genommen haben, verfallen sie. Eine Übertragung des Urlaubs bis zum 31.3. des nächsten Kalenderjahrs ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in Ihrer Person liegende Gründe dies rechtfertigen. Der Urlaub verfällt ausnahmsweise erst nach 15 Monaten nach dem Urlaubsjahr im Fall einer Langzeiterkrankung. |
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Normalerweise schließt der ArbG stets die letzten drei Wochen in den Sommerferien seinen Betrieb. Die ArbN wissen das und jeder hat hier fest seinen Urlaub. Da der Betrieb jetzt zu einer Notbetreuung für die systemrelevanten Berufe verpflichtet ist, entfällt diese Schließung in diesem Jahr. Der ArbG besteht nun darauf, dass jeder ArbN seinen Jahresurlaub im Juni bzw. Juli aufbraucht, da dort weniger Betrieb sei. Darf er das? |
So einfach ist das nicht. Wie bereits erwähnt, ist gesetzlich (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG) geregelt, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des ArbN zu berücksichtigen sind. Diesem Wunsch des ArbN nach einem bestimmten Urlaubszeitraum dürfen aber nicht (überwiegende!) dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer ArbN entgegenstehen. Dies bedeutet, dass im Fall der hier unterstellten ordnungsgemäßen Aufhebung der allgemeinen Betriebsferienregelung durch den ArbG angesichts der Anforderungen an den Betrieb durch die Corona-Krise die oben genannte gesetzliche Regelung in Kraft tritt. Dies bedeutet aber nicht, dass der ArbG den Urlaub (zudem Jahresurlaub) einseitig und verpflichtend festlegen darf. Das ist ‒ abgesehen von sehr engen (hier nicht vorliegenden) Ausnahmefällen, z. B. beim Bezug von KUG ‒ gerade nicht möglich.
Wollen mehrere ArbN in einem bestimmten Zeitraum, wie z. B. in den Sommerferien, Urlaub nehmen, muss der ArbG im Zweifel darlegen, warum und nach welchen Kriterien er welchen ArbN Urlaub gewährt oder verweigert. Dies kann zum einem wegen entgegenstehender dringender betrieblicher Belange (z. B. beim Saisonbetrieb, der gerade in der Hauptsaison alle ArbN benötigt), zum anderen wegen vorrangiger Urlaubswünsche anderer ArbN der Fall sein. Diese Variante ist aber nur von Bedeutung, wenn wegen der oben genannten dringenden betrieblichen Belange nicht allen Urlaubswünschen der Belegschaft entsprochen werden kann.
PRAXISTIPP | Bei der erforderlichen sozialen Gewichtung spielen Urlaubszeiten von Partnern, schulpflichtigen Kindern, ein konkretes Erholungsbedürfnis des betroffenen ArbN und die Handhabung der Urlaubsgewährung in den vergangenen Jahren eine Rolle. Generell gilt, dass bei Urlaubsgewährung während der Schulferien Eltern von schulpflichtigen Kindern bessere Karten haben dürften. |