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· Fachbeitrag · Vereinsrecht

Mitgliederversammlung: So behandeln Sie Anträge zur Tagesordnung sensibel und korrekt

| Wie muss man in der Mitgliederversammlung mit Anträgen zur Tagesordnung umgehen? Diese Frage hat in der Praxis enorme Bedeutung. Nicht nur weil Vereine, die hier Fehler machen, Gefahr laufen, dass Beschlüsse anfechtbar oder gar ungültig sind. Ein sensibler Umfang mit Anträgen ist auch deswegen wichtig, weil Anträge für Mitglieder ein wichtiges Instrument sind, um Anliegen in der Mitgliederversammlung vorzubringen. Lernen Sie die Rechte und Pflichten des Vereins kennen und agieren Sie umsichtig. |

Das Antragsrecht

Jedes Mitglied hat das Recht, Anträge zur Tagesordnung zu stellen. Als unverzichtbares Mitgliederrecht kann es ‒ wie das Teilnahmerecht ‒ nicht durch die Satzung abbedungen werden. Auch Mitglieder ohne Stimmrecht haben also ein Antragsrecht. Formal betrachtet ist ein Antrag das Ersuchen, eine Entscheidung durch die Mitgliederversammlung herbeizuführen. Das BGB betrachtet die Mitgliederversammlung dabei vor allem als Ort der Beschlussfassung. Dazu gehört auch die vorherige Diskussion und damit das Rederecht.

 

Ein Beschluss kann nur dann wirksam werden, wenn die Tagesordnung den Mitgliedern bereits bei der Einladung mitgeteilt worden ist. Deshalb müssen Sachanträge, über die beschlossen werden soll, bereits vor der Einladung gestellt werden. Die Satzung kann von dieser Vorgabe des BGB abweichen. Sie sollte dann aber klären, unter welchen Maßgaben die Tagesordnung nach der Einladung noch geändert werden kann.

 

PRAXISTIPP | Es ist immer möglich, einen Änderungsantrag zu einem Hauptantrag zu stellen (Erweiterung oder Einschränkung). Der wesentliche Inhalt des Hauptantrags muss beibehalten werden. Er muss so zur Beschlussfassung kommen, wie er in der Einladung angekündigt wurde ‒ es sei denn die Satzung erlaubt das (abweichend vom BGB). Deswegen ist es sinnvoll, Beschlussanträge in der Einladung nur dem Inhalt, nicht dem Wortlaut nach zu benennen.

 

Das Vorschlags, Frage- und Auskunftsrecht

Anders als bei Sachanträgen besteht bei Wahlen jederzeit ein Vorschlagsrecht. Die Kandidaten müssen also nicht schon vorher benannt werden. Die Satzung kann davon aber abweichen und z. B. bestimmte Fristen oder Mehrheiten für Wahlvorschläge verlangen.

 

Die Mitglieder haben zu allen Vereinsangelegenheiten ein Auskunftsrecht. Es ist ‒ wie das Rederecht ‒ nicht an das Stimmrecht gebunden und steht jedem Mitglied zu. Es ist auch einklagbar. Der Vorstand kann also Auskünfte grundsätzlich nicht verweigern. Selbst die Versammlung kann Fragen bzw. Antworten nicht per Beschluss ablehnen.

 

Zurückweisen kann der Versammlungsleiter aber Fragen, die sich nicht auf Vereinsbelange beziehen oder in keinem Zusammenhang mit dem behandelten Tagesordnungspunkt stehen. Das Gleiche gilt für Fragen, die bereits behandelt wurden.

Das unterscheidet Sachanträge von Verfahrensanträgen

Bei der Behandlung der Tagesordnung muss unterschieden werden zwischen Sach- und Verfahrensanträgen.

 

Was Sachanträge kennzeichnet und wie sie behandelt werden

Das Antragsrecht bezieht sich ‒ wenn die Mitgliederversammlung über einen Antrag beschließen soll ‒ regelmäßig darauf, den Antrag in die Tagesordnung aufzunehmen. § 32 Abs. 1 BGB schreibt dazu vor, dass Beschlüsse der Mitgliederversammlung nur dann gültig sind, wenn der „Gegenstand der Beschlussfassung“ bei der Einberufung benannt wurde. Es gibt also zwei Voraussetzungen, wenn gültige Beschlüsse gefasst werden sollen:

 

  • Den Mitgliedern müssen die Tagesordnungspunkte (TOP) mitgeteilt worden sein.
  • Die Tagesordnung muss bereits mit der Einberufung der Mitgliederversammlung bekannt gegeben werden.

 

Über nachgereichte TOP können also keine gültigen Beschlüsse gefasst werden. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass es jedem Mitglied vorab möglich ist zu entscheiden, ob die anstehenden Beschlüsse seine Anwesenheit auf der Mitgliederversammlung erfordern. Die bei der Einladung benannten TOP können also im Kern nicht geändert werden. Etwas anderes gilt nur, wenn die Satzung Beschlüsse über nachträgliche Ergänzungen zur Tagesordnung erlaubt oder alle Mitglieder des Vereins zustimmen.

 

Alle Sachanträge müssen deswegen in einem engen Zusammenhang mit einem angekündigten TOP stehen. Ergänzende oder einschränkende Anträge sind möglich. Sie müssen aber in einem sachlichen Bezug zum Hauptantrag stehen. Fehlt dieser Bezug zum jeweiligen Tagesordnungspunkt, darf der Versammlungsleiter dazu nicht abstimmen lassen. Möglich sind aber Sachanträge, die nur der Beratung oder der Auskunft dienen.

 

Die Satzung kann von dieser gesetzlichen Vorgabe abweichen, weil die Vorschrift des § 32 Abs. 1 BGB „nachgiebig“ ist (Das ergibt sich aus § 40 BGB). Bei solchen Klauseln, die den Mitgliederschutz betreffen, muss die Satzungsregelung aber eindeutig und ausdrücklich sein.

 

Was Verfahrensanträge kennzeichnet und wie sie behandelt werden

Anträge zum Verfahrensablauf können dagegen ohne Ankündigung in der Tagesordnung gestellt und behandelt werden. Sie können von jedem stimmberechtigten Mitglied gestellt werden, wenn die Satzung dazu keine Einschränkungen macht (z. B. indem sie eine Mindestzahl von Unterstützern verlangt). Verfahrensanträge müssen grundsätzlich vor den Beschlussanträgen behandelt werden. Der Umgang mit Verfahrensanträgen fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Versammlung. Sie kann die Entscheidung der Versammlungsleitung überlassen, kann aber jederzeit eine Abstimmung verlangen.

 

  • Beispiele

Zu den Verfahrensanträgen gehören

  • Anträge zur Tagesordnung (z. B. zur Änderung der Reihenfolge oder zur Zusammenlegung von Tagesordnungspunkten),
  • Anträge zur Geschäftsordnung (z. B. auf Redezeitbegrenzungen, Schluss der Rednerliste oder Vorgaben für die Versammlungsleitung) oder
  • der Antrag auf Einberufung einer weiteren Mitgliederversammlung, etwa wegen Beschlussunfähigkeit.
 

Die Aufnahme von Mitgliederanträgen in die Tagesordnung

Wenn die Satzung keine anderen Vorgaben macht, ist für die Aufstellung der Tagesordnung das Einberufungsorgan zuständig. Das ist in der Regel der Vorstand. Er steht ihm frei, welche TOP er aufnimmt; es sei denn, die Satzung macht ihm hier Vorgaben. Der Vorstand muss Anträge zur Tagesordnung berücksichtigen, wenn sie Themen betreffen, die sich auf das Vereinsleben beziehen und für die die Mitgliederversammlung auch zuständig ist.

 

Eine einklagbare rechtliche Verpflichtung, dass der Vorstand Anträge von einzelnen Mitgliedern in die Tagesordnung aufnehmen muss, gibt es aber nur, wenn die Satzung das so regelt. Sonst dem Mitglied nur der Weg über ein Minderheitenbegehren. Die Satzung kann auch Einschränkungen zum Antragsrecht machen, indem sie z. B. Antragsfristen vorsieht oder verlangt, dass der Antrag von einer bestimmen Zahl von Mitgliedern unterstützt wird.

 

Vorstand kann Anträge prüfen

Der Vorstand hat bei solchen Anträgen ein Prüfrecht. Er kann Mitgliederanträge aus sachlichen Gründen ablehnen. Solche sachlichen Gründe sind aber eher selten. Tendenziell wird der Vorstand also nicht umhin kommen, die Anträge in die Tagesordnung aufzunehmen, wenn sie sachlich angemessen sind und nicht den Rahmen der Versammlung sprengen. Die Mitgliederversammlung kann aber TOP per Beschluss streichen oder vertagen ‒ soweit sie nicht durch ein Minderheitenbegehren aufgenommen wurden. Bei der Mitgliederversammlung selbst hat das Mitglied keinen Anspruch, Anträge zu behandeln, die sich nicht auf TOP beziehen (Ausnahme: Verfahrensanträge).

 

Änderung der Reihenfolge der Tagesordnung

Die Versammlung kann die Reihenfolge der TOP aus der Einladung ändern. Es handelt sich dabei um einen Geschäftsordnungsbeschluss, der nicht in der Einladung angekündigt werden muss. Dazu genügt eine einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder.

 

Streichung von Tagesordnungspunkten

Auch das Streichen von TOP fällt in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung. Der Antrag dazu kann von jedem (Organ-)Mitglied und zu einem beliebigen Zeitpunkt der Versammlung gestellt werden. Wie bei allen Verfahrensanträgen erfolgt die Entscheidung mit einfacher Mehrheit.

Das Minderheitenbegehren

Weigert sich der Vorstand, Anträge zur Tagesordnung anzunehmen und liefert die Satzung keine besondere Verfahrensregel dafür, ist das Minderheitenbegehren der einzige (Aus)weg, um zu erzwingen, dass ein Antrag von der Mitgliederversammlung behandelt wird.

 

Die inhaltliche Reichweite eines Minderheitenbegehrens

Ein Minderheitenbegehren ist nicht nur zur Einberufung einer Mitgliederversammlung möglich. Es kann auch durchgeführt werden, um neue TOP auf die Tagesordnung zu bringen ‒ also die Tagesordnung zu erweitern.

 

Wichtig | Die Fristen und Formalitäten, die sich dabei aus Satzung und Gesetz ergeben, müssen aber auch in diesem Fall beachtet werden. Ist die BGB-Regelung, dass die Tagesordnung schon bei der Einladung mitgeteilt werden muss, nicht per Satzung abgeändert, ist also eine Änderung der Tagesordnung nach der Ladung auch durch ein Minderheitenbegehren nicht möglich.

 

Wieviele Mitglieder müssen das Minderheitenbegehren unterstützen?

§ 37 Abs. 2 BGB sieht vor, dass eine Minderheit von zehn Prozent der Mitglieder verlangen kann, dass die Mitgliederversammlung einberufen wird. Das muss schriftlich und unter Angabe des Zwecks und der Gründe erfolgen. Der Zweck besteht im geforderten TOP. Gründe sind z. B., dass der Vorstand die Aufnahme in die Tagesordnung verweigert hat oder sich weigert, eine Versammlung einzuberufen. Bevor ein Minderheitenbegehren eingeleitet werden kann, wird sich das Mitglied mit seinem Antrag also zunächst formlos an den Vorstand wenden.

 

Die Mitgliedersammlung muss vom Vorstand einberufen werden, wenn die formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Recht, den Antrag abzulehnen, hat der Vorstand nur, wenn das Minderheitenrecht missbraucht worden ist. Wird dem Einberufungsverlangen nicht entsprochen, kann die Minderheit beim Amtsgericht den Antrag stellen, sie selbst zu ermächtigen, die Mitgliederversammlung einzuberufen. Für die Einberufung ist aber die entsprechende Zahl von Mitgliedern erforderlich.

 

FAZIT | Auch wenn Mitglieder die Möglichkeit haben, eine Beschlussfassung auf dem Rechtsweg zu erzwingen, ist das doch die ultima ratio. Wie bei den meisten Konflikten im Verein muss die geschickte Moderation durch den Vorstand im Vordergrund stehen. In der Versammlung trennen sich Belange, die eine größere Zahl von Mitgliedern betreffen, schnell von querulantischen Anträgen. Der Vorstand kann sich dabei der Mehrheit der Versammlung bedienen, um unangemessen Anträge von der Tagesordnung zu nehmen oder schnell abzuhandeln.

 
Quelle: Seite 14 | ID 46200679