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· Fachbeitrag · Vermögensberatung

Kündigung von Prämiensparverträgen ‒ und deren Alternativen

von StB WP Dr. Claus Koss, www.claus-koss.de, www.numera.de

| Der folgende Beitrag zeigt die wirtschaftlichen Konsequenzen aus dem BGH-Urteil vom 14.5.19 (XI ZR 345/18) zur Kündigung von Prämiensparverträgen auf und bietet damit Hilfestellung für den Bereich der privaten Vermögensberatung Ihrer Mandanten. |

1. Erste Anfragen laufen in den Steuerberatungskanzleien auf

Wenn ein Thema der privaten Vermögensverwaltung es schafft, die Tagesschau zu erobern, dauert es in der Regel nicht lange und alarmierte Mandanten schlagen in den Kanzleien auf. Unmut und Verärgerung prallen auf den Steuerberater, häufig gepaart mit einer Portion Laienwissen und der Frage: „Was nun?“

 

Das Urteil des BGH, dass eine Sparkasse einen Prämiensparvertrag unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld ordentlich kündigen darf, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist, stammt bereits aus Mai 2019 (BGH 14.5.19, XI ZR 345/18). Bisher liegt das Urteil nur in Form einer Pressemitteilung des BGH vor. Die Tagesschau hat das Thema jedoch schon in ihren Sendungen vom 2.8.19 aufgegriffen (tagesschau.de). Nach der Darstellung in den Tagesmedien sind bereits zahlreiche Kündigungen verschickt worden. Der Beratungsanlass scheint damit quasi sicher.

 

1.1 Wirtschaftliche Fragestellung

Wirtschaftlich geht es bei der Entscheidung des BGH um widerstreitende Interessen:

 

Auf der einen Seite steht ein Sparkassen-Kunde in Sachsen-Anhalt, der vor 23 Jahren (1996) einen Prämiensparvertrag bei der Sparkasse Stendal abgeschlossen hatte. Neben einer variablen Verzinsung des Sparguthabens sahen die Verträge erstmals nach Ablauf des dritten Sparjahres die Zahlung einer Prämie in Höhe von 3 % der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge vor. Vertragsgemäß stieg diese Prämie bis zum Ablauf des 15. Jahres auf 50 % der geleisteten Sparbeiträge an. Aus Sicht des Kunden sind solche Zinsen im aktuell niedrigen Zinsumfeld mehr als attraktiv. Entsprechend ungehalten war der Kunde über die Kündigung der Sparverträge.

 

Auf der anderen Seite steht das Kreditinstitut, das in der aktuellen Situation diese vergleichsweise hohen Zinsen nicht mehr erwirtschaftet oder erwirtschaften kann.

 

1.2 Juristische Fragestellung

Juristisch ging es um die Frage der Wirksamkeit der Kündigung. Der BGH entschied: Die beklagte Sparkasse durfte die Sparverträge nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen, im entschiedenen Fall jeweils nach Ablauf des 15. Sparjahres. Vorher war nach der Entscheidung der BGH-Richter die ordentliche Kündigung konkludent ausgeschlossen. Denn die vereinbarte Prämienstaffel stelle einen besonderen Bonusanreiz dar, der eine ordentliche Kündigung durch die Sparkasse ausschloss. Danach sah die entsprechende Regelung in Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter der Überschrift „Ordentliche Kündigung“ vor: „Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.“ Diese Voraussetzungen zu einer ordentlichen Kündigung sah der BGH als gegeben an.

 

1.3 Konsequenz für den Verbraucher

Die Berichterstattung in der Tagesschau folgte der üblichen Dramaturgie bei Verbraucherthemen. Zum einen wird der Verbraucher als Verlierer oder Betrogener dargestellt. Zum anderen erfolgt der Kameraschwenk auf den Vertrag: Abschluss 1996, Zinssatz beginnt bei 3,5 %. Abschließend erfolgt das Statement des Verbraucherschützers: Der BGH habe entschieden, es komme auf die Umstände des Einzelfalls an. Man solle daher die Verträge prüfen. Dabei sei der Verbraucherschützer gerne behilflich.

2. Achtung: Hier droht Rechtsberatung

Wenn der Mandant dann mit dem Kündigungsschreiben und den Vertragsunterlagen beim Steuerberater sitzt, sollte sich der Berater als Erstes fragen: „Darf ich das?“ Denn die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung ist nach hier vertretener Auffassung allgemeine Rechtsberatung. Wenn der Berater nicht auch Berufsträger in einem rechtsberatenden Beruf ist, sollte die Zulässigkeit einer juristischen Beratung geprüft werden.

 

2.1 Umweg über die alternativen Anlagemöglichkeiten

Ein Angehöriger eines steuer- und wirtschaftsberatenden Berufs kann aber eine andere Frage qualifiziert beantworten: Gibt es wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zum (gekündigten) Prämiensparvertrag? Denn die Vermögensberatung ist grundsätzlich erlaubnisfrei.

 

2.2 Konkrete Anlageempfehlungen

Da die meisten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund haben, ist ihnen eine Beurteilung von Liquidität, Rendite und Risiko nicht fremd.

 

Abgeraten wird jedoch von konkreten Anlageempfehlungen. Zum einen haben die Berater bei Banken und Sparkassen in der Regel den besseren Marktüberblick. Zum anderen haben auch vermeintlich sichere und/oder Rendite-starke Investments ein Restrisiko ‒ und, wenn dieses eintritt, wird im Zweifel der Berater dafür verantwortlich gemacht (und nicht die Konjunktur).

 

Ein guter Steuerberater/Wirtschaftsprüfer kennt aber die wirtschaftlichen Verhältnisse und kann Investitionsentscheidungen anregen bzw. lässt sich mit der Prüfung der Vorteilhaftigkeit beauftragen.

 

  • Beispiel

Aus der Erstellung der Erbschaftssteuererklärung ist bekannt, welche Vermögenswerte ggf. zur Wiederanlage anstehen. Nicht selten fragt der Mandant von sich aus, was er denn „mit dem Geld nun machen“ solle. Alternativ: Der Mandant kommt mit einem Anlagevorschlag vom Kreditinstitut. Hier entsteht Beratungsbedarf, den der Steuerberater aufgrund seiner Vorbildung und Erfahrung kompetent, vor allem aber ohne eigenes wirtschaftliches Interesse erfüllen kann.

 

Beachten Sie | Schließen Sie in solchen Beratungssituationen einen eigenständigen Beratungsvertrag (einschließlich Haftungsvereinbarung) mit Ihrem Mandanten ab. Wer die Vermögensberatung von Kreditinstituten und Vermögensberatern ohne offensichtliche Kosten für den Investor gewohnt ist, wird im Nachhinein die Bezahlung verweigern. Wenn der Mandant die Bezahlung dieser Sonderleistungen von vornherein ausschließt, sollte diese auch nicht als Gratiszugabe gegeben werden. Wer zu viel Extraleistung ohne Bezahlung leistet, wird irgendwann einmal seine Hauptleistungen nicht mehr bezahlt bekommen.

3. Realistische Sicht unter den aktuellen Prämissen

Nach Einschätzung des Verfassers täuscht sich der verärgerte Verbraucher aus der Tagesschau, wenn er formuliert: „ich hab‘ auch nie so schlechte Erfahrungen gemacht.“ Ohne das geringe Risiko und die (jetzt) hohe Verzinsung alter Prämiensparverträge gering schätzen zu wollen: Die Zeitschrift finanztest (Stiftung Warentest) gibt aktuell die Rendite bei den bewerteten Aktienfonds für Deutschland mit etwa 4,9 % an (zum Vergleich: MSCI Germany: 4,8 %). Das Risiko, diese Rendite auch tatsächlich zu bekommen, ist bei Aktienfonds naturgemäß höher als bei einem Sparvertrag eines deutschen Kreditinstituts. Aber die BGH-Entscheidung zeigt, dass auch Sparverträge einem Kündigungsrisiko unterliegen.

 

Ein weiterer Vergleich (Datenbasis: „DAX-Rendite-Dreieck“ des Deutschen Aktieninstituts (DAI), Stand: 31.12.18): Hätte der Investor 1996 anstatt in seinen Prämiensparplan in Aktien investiert und nur den DAX nachgebildet, hätte er ‒ bei einer Gewinnrealisation zu Beginn des Jahres 1997 ‒ eine Rendite von 47,1 % p. a. erzielt. Bei der gleichen Investition (DAX-Portfolio) hätte er zwischen 1996 und 2017 (= Jahr der Kündigung laut BGH) eine Durchschnittsrendite von 7,1 % erzielt. Dieser Vergleich des DAX-Portfolios und des Prämiensparplans ist mehr als gewagt. Denn es bestehen Bedenken gegen die Grundannahmen dieser Vergleichsberechnungen (Durchschnittsbildung, Annahme einer gleichen Wiederanlage), und Aktieninvestments haben grundsätzlich ein höheres Risiko. Auch soll dieser Beitrag keine Werbung für Aktien oder gar DAX-ETFs sein. Vielmehr wird für mehr Kreativität, mehr Informationsbeschaffung über Alternativen und mehr Vorab-Prüfung vor einer Investitionsentscheidung plädiert. Im konkreten Fall: Die Zeit und die Ressourcen, die auf die rechtliche Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung durch das Kreditinstitut verwendet wurden, wären nach hier vertretener Einschätzung in der Suche nach Alternativen besser angelegt.

Quelle: Seite 251 | ID 46107479