· Fachbeitrag · Verzug ohne Mahnung
Leistungsverweigerung, besondere Umstände und die 30-Tage-Regelung
| § 286 Abs. 2 und 3 BGB kennen Ausnahmen vom Erfordernis der Mahnung, um Verzug herbeizuführen. Wir haben in FMP 20, 32 begonnen, über diese für das Forderungsmanagement zentrale Frage zu berichten. In dieser Ausgabe runden wir die Darstellung ab und berichten über Konstellationen, an denen der Praktiker nicht vorbeikommt. |
1. Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung
Wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, ist eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Dabei ist erforderlich, dass der Schuldner die Voraussetzungen seiner Pflicht schlechthin abstreitet und die geforderte Leistung ohne jede Einschränkung verweigert (BGH 25.2.16, VII ZR 49/15; 25.6.15, VII ZR 220/14). Davon ist auszugehen, wenn der Schuldner eine Pflicht nachhaltig und beharrlich bestreitet.
Insgesamt ist dabei zu unterscheiden, in welcher Intensität das Bestreiten erfolgt. Keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung liegt z. B. vor, wenn der Schuldner mitteilt, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs noch unklar und nicht erwiesen seien (BGH 18.3.16, V ZR 89/15, Abruf-Nr. 187673). Gleiches gilt, wenn er einzelne Voraussetzungen des Anspruchs in Abrede stellt (BGH, a. a. O.).
PRAXISTIPP | Auf diese Ausnahme sollte sich der Gläubiger nur im Notfall berufen, etwa wenn er den Zugang einer Mahnung nicht nachweisen kann. |
2. Besondere Umstände machen Mahnung entbehrlich
Schließlich ist eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ebenso entbehrlich, wenn besondere Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Verzugseintritt rechtfertigen. Eine Anwendung dieser Vorschrift kommt vor allem in Betracht, wenn
- sich aus dem Vertragsinhalt eine besondere Dringlichkeit der Leistungen ergibt,
- der Anspruch des Gläubigers darauf basiert, dass ihm ein Gegenstand rechtswidrig entzogen wurde (dies ist z. B. bei Ansprüchen gegen den Kunden auf Bezahlung nach Wegfahren von einer Selbstbedienungstankstelle ohne zu bezahlen der Fall, BGH 4.5.11, VIII ZR 171/10, Abruf-Nr. 111735); letztlich unterliegen diese Fälle einer Einzelfallbewertung.
- eine Selbstmahnung vorliegt, der Schuldner also etwa eine Kündigung ausspricht und die notwendige Leistung in einer Weise ankündigt, die den Gläubiger von einer Mahnung Abstand nehmen lässt (MüKo/Ernst, BGB, 8. Aufl., § 286 Rn. 74, Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 286 Rn. 25; BGH NJW 12, 2955; NJW 09, 2600),
- Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht selbstständig, sondern (auch) als Teil eines gesetzlichen Schuldverhältnisses betrachtet werden sollen, (Dornis, BeckOK BGB, Stand 1.6.19, § 286 Rn. 195.1.) oder
- es zu einer nicht eingelösten Lastschrift kommt, insbesondere, wenn der Schuldner die Nichteinlösung vertreten muss (LG Düsseldorf 8.6.17, 14c O 169/15, dazu Goebel, zfm 17, 237 und FoVo 17, 221).
Für die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 BGB sind daher folgende Punkte zu prüfen:
Checkliste / Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 BGB |
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3. 30-Tage-Regelung
Mit § 286 Abs. 3 BGB bietet das BGB eine weitere Möglichkeit an, ohne Mahnung den Schuldnerverzug zu begründen. Danach kommt der Schuldner einer Entgeltforderung unabhängig von einer Mahnung oder deren Entbehrlichkeit spätestens 30 Tage nach Zugang einer Rechnung oder Zahlungsaufstellung in Verzug.
a) Entgeltforderung
Um eine Entgeltforderung handelt es sich, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (BGH 16.6.10, VIII ZR 259/09, Abruf-Nr. 102305). Der Begriff der Dienstleistung wird dabei weit ausgelegt. Hierunter fallen auch Werklohnforderungen und Mietzinsforderungen.
MERKE | Keine Entgeltforderungen sind Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche, da sie keine Gegenleistungen für erbrachte Leistungen begründen. Ebenso ist der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens keine Entgeltforderung; die Gegenleistung beim Darlehen ist nach § 488 BGB nämlich nicht die Rückzahlung des Darlehensbetrags, sondern die Zinszahlung. Gleiches gilt auch für den Anspruch auf Zahlung des Rückkaufwerts nach Kündigung der Lebensversicherung. Auch der Anspruch auf eine Vertragsstrafe ist kein Entgelt für die Inanspruchnahme einer Leistung. Ebenso ist der Anspruch eines ausscheidenden Gesellschafters auf Abfindung keine Entgeltforderung. |
Aus der Rechnung oder Zahlungsaufstellung muss sich nachvollziehbar ergeben, für welche Leistungen die Geldsumme gefordert wird. Der Schuldner muss dadurch die Möglichkeit erhalten, die Berechtigung der geltend gemachten Forderung zu prüfen.
MERKE | Die Beweislast für den Zugang der Rechnung oder Zahlungsaufstellung liegt beim Gläubiger. Kann der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung nicht geklärt werden, kommt der Schuldner, soweit er nicht Verbraucher ist, gemäß § 286 Abs. 3 S. 2 BGB spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug. |
b) Hinweis gegenüber Verbrauchern
Soweit der Schuldner Verbraucher ist, wird der Verzugseintritt ohne Mahnung nur ausgelöst, wenn der Verbraucher auf diese Folgen besonders hingewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger selbst Verbraucher ist.
Den Anforderungen an den Hinweis wird Rechnung getragen, wenn der Gläubiger darauf hinweist, dass der Schuldner 30 Tage nach Erhalt der Rechnung in Verzug gerät. Einen Hinweis auf die Folgen des Verzugs verlangt die Regelung nicht.
Musterformulierung / Hinweis richtig formulieren |
Diese Rechnung ist sofort zur Zahlung fällig. Wir weisen gemäß § 286 Abs. 3 BGB darauf hin, dass Sie auch ohne Mahnung automatisch in Verzug geraten, wenn Sie den Rechnungsbetrag nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang dieser Rechnung bezahlen. |