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· Fachbeitrag · Verzugsschaden

Auf welche Rechtsverfolgungskosten ist die Mahnpauschale des § 288 Abs. 5 BGB anzurechnen?

| Mit der Neufassung der Zahlungsverzugsrichtlinie ( https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2011/7/oj ) vom 16.2.11 hat die EU am 16.2.11 einen weiteren Versuch unternommen, die Zahlungsmoral der ‒ gewerblichen - Schuldner zu verbessern und zudem die Gläubiger für die durch den Zahlungsverzug entstandenen Kosten zu entschädigen. Der Bundesgesetzgeber hat am 29.7.14 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ der Umsetzungsverpflichtung entsprochen und die o .g. Regelungen in das BGB eingefügt. Bereits während der Umsetzungsphase hat insbesondere der auf Art. 6 der Richtlinie basierende und in § 288 Abs. 5 BGB begründete Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags bei Zahlungsverzug (Entschädigungspauschale) in Höhe von 40 EUR für eine Mahnung des Gläubigers bei B2B-Geschäften zu Kontroversen geführt. Der BGH hat nun die finale Phase eingeleitet und die entscheidende Rechtsfrage dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt. Sie wird sich auf das Forderungsmanagement auswirken. |

Sachverhalt

Die Beklagte hat die Klägerin beauftragt, für ihr Unternehmen einen Eintrag in einem Firmenverzeichnis zu veranlassen. Dafür stellte die Klägerin die vereinbarte Vergütung in Höhe von rund 600 EUR brutto in Rechnung. Die Beklagte glich die Forderung trotz mehrfacher Mahnung der Klägerin und der von ihr beauftragten Rechtsanwältin nicht aus. Im Rahmen der daraufhin erhobenen Klage macht die Klägerin neben der Hauptforderung eine Pauschale in Höhe von 40 EUR nach § 288 Abs. 5 BGB sowie 72 EUR Rechtsanwaltskosten geltend. Das AG hat die Hauptforderung zuerkannt, von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten jedoch 40 EUR abgezogen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zum BGH zugelassen.

Entscheidungsgründe

Bei den eingangs geschilderten Kontroversen ging es von Beginn an um die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Pauschale und tatsächlich angefallenen Kosten verhält. Nach Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie soll die Pauschale als Mindestentschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers dienen. „Zusätzlich“ zum Pauschalbetrag können auch Beitreibungskosten geltend gemacht werden, die diesen Betrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens gehören.

 

Aber: Der Gesetzgeber hat in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB festgelegt, dass die Pauschale auf einen geschuldeten Schadenersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

 

Wirken diese Regelungen auf den ersten Blick noch konsistent, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Formulierung der Richtlinie nicht gleichlautend in das BGB übernommen wurde und sich daraus eine mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen verbundene Diskussion entwickelt hat: Welche Kosten sind auf einen Schadenersatzanspruch anzurechnen? Gehören dazu nur die internen Kosten des Gläubigers, wie etwa Rücklastschriftkosten, Kosten für eine Adressermittlung oder eine Bonitätsanfrage oder auch die durch die externe Rechtsverfolgung entstandenen Kosten, die durch Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Inkassobüros entstanden sind, also deren Vergütung nach dem RVG oder in Anlehnung an das RVG? Nicht zu den externen Kosten gehört der Aufwand, den der Gläubiger intern durch Schuldnerverwaltung, Überwachung der Zahlungseingänge, Personal- und Bürokosten aufbringen muss.

 

Zu klären war, ob die der Klägerin zustehende Pauschale von 40 EUR nach § 288 Abs. 5 BGB auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 72 EUR anzurechnen ist oder zusätzlich geschuldet wird, weil diese nur auf ‒ hier nicht geltend gemachte ‒ weitere interne Rechtsverfolgungskosten anzurechnen ist.

 

Der BGH vertritt die Auffassung, nach dem Wortlaut des § 288 Abs. 5, S. 1 und 3 BGB und allein nach dem nationalen Verständnis der Norm, seien die externen Rechtsverfolgungskosten auf die Pauschale anzurechnen. Dies entspreche wohl auch dem Willen des nationalen Gesetzgebers. Darüber hinaus gebe es auch gute Gründe, § 288 Abs. 5 BGB als richtlinienkonform anzusehen. Letzteres könne aber nicht mit Sicherheit behauptet werden. Daher sei eine Vorlage an den EuGH erforderlich, um die Rechtsfrage abschließend zu klären (18.1.18, III ZR 174/17, Abruf-Nr. 199627).

Relevanz für die Praxis

Die Kontroverse um die Anrechnung auf die Kostenpauschale reduziert sich letztlich auf die Frage, ob die nationale Regelung in § 288 Abs. 5 BGB den Vorgaben des EU-Rechts entspricht.

 

Der Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie geht davon aus, dass die Rechtsanwalts- und Inkassokosten immer Kosten sind, die die Pauschale übersteigen, weil die Pauschale selbst nur die eigenen, internen Beitreibungskosten des Gläubigers abdecken soll. Hierfür spricht die Formulierung „zu diesen Kosten“, die offenbar ausschließlich auf die überschießenden Kosten Bezug nimmt. Noch klarer und deutlicher formulieren die Erwägungsgründe 19 und 20 der Richtlinie 2011/7/EU die Intention des Richtliniengebers. Dort heißt es:

 

„ (19) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. Eine Entschädigung für die Beitreibungskosten sollte unbeschadet nationaler Bestimmungen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger eine Entschädigung für einen durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen zusätzlichen Schaden zusprechen kann, festgelegt werden.

 

(20) Neben einem Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags für interne Beitreibungskosten sollte der Gläubiger auch Anspruch auf Ersatz der übrigen, durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten haben. Zu diesen Kosten sollten insbesondere Kosten zählen, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.“

 

Aus diesen o. g. Erwägungsgründen ergibt sich, dass die Pauschale offenbar ausschließlich die internen Beitreibungskosten des Gläubigers abdecken soll. Rechtsanwalts- und Inkassokosten sollen lediglich zu den übrigen Beitreibungskosten gehören, auf deren Erstattung der Gläubiger neben der Pauschale Anspruch haben soll.

 

Dieses Verständnis ergibt tatsächlich und auch ökonomisch einen Sinn. Die vom Richtliniengeber verfolgte Zielsetzung, den Schuldner durch abschreckende Kosten zur besseren Zahlungsmoral zu führen, kann nur erreicht werden, wenn alle beim Gläubiger entstehenden Schäden dem Schuldner angelastet werden.

 

Eine Pauschale als Ersatz der internen Beitreibungskosten des Gläubigers ist zudem notwendig, weil der Gläubiger seinen tatsächlichen Aufwand in der Regel nicht vollständig beziffern kann. Fallen externe Rechtsverfolgungskosten an, weil z. B. ein Anwalt mit dem Forderungseinzug beauftragt wird, würde die Pauschale in aller Regel vollständig verbraucht, wenn sie auf diese Kosten angerechnet werden müsste. Dem Gläubiger verbliebe dann keinerlei Vorteil und der Schuldner hätte keinerlei zusätzlichen Anreiz für eine schnelle Zahlung.

 

Im Gegenteil: Die üblichen Mahnkosten von 1,50 bis 2,50 EUR je Mahnung, die gegenüber einem Verbraucher in der Praxis zuerkannt werden, würden auch noch entfallen.

 

Es sprechen daher ‒ entgegen der Tendenz des BGH ‒ viele gute Gründe dafür, anzunehmen, dass die 40 EUR-Pauschale nicht auf die externen Beitreibungskosten anzurechnen sind und die Intention des europäischen Gesetzgebers sich gegenüber dem nationalen Gesetzgeber durchsetzt.

 

Solange keine abschließende Entscheidung des EuGH vorliegt, kann folgende Begründung hilfreich sein, um den Anspruch in der Praxis zu verteidigen, wenn dieser angegriffen wird. So müssen Sie nicht auf den Anspruch verzichten.

 

Musterformulierung / Mahnpauschale durchsetzen

Die gegen die Mahnpauschale nach § 288 Abs. 5 BGB neben den externen Rechtsverfolgungskosten geltend gemachten Einwände müssen wir zurückweisen: Neben der Hauptforderung und dem sonstigen Verzugsschaden steht dem Gläubiger nach § 288 Abs. 5 eine Verzugspauschale in Höhe von 40 EUR zu. Dieser Anspruch wird nicht durch die Kosten reduziert, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts/Inkassobüros entstanden sind. Die Rechtsauffassung, die Pauschale sei auf diese Kosten anzurechnen, lässt eine richtlinienkonforme Auslegung des § 288 Abs. 5 BGB vermissen. Gerade die von Ihnen zitierte Entscheidung des BGH (18.1.18, III ZR 174/17) zeigt das auf. Der BGH sieht zwar, dass die nationale Regelung für eine solche Anrechnung auf die Rechtsverfolgungskosten spricht, formuliert aber gleichzeitig die Zweifel, ob dies der europarechtlichen Vorgabe entspricht.

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Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie hat der Gläubiger „zusätzlich“ zu dem in Abs. 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf Ersatz aller Beitreibungskosten. Noch klarer und deutlicher formulieren die Erwägungsgründe 19 und 20 der Richtlinie 2011/7/EU die Intention des Richtliniengebers: Nach Nr. 19 der Erwägungsgründe sollen in den Beitreibungskosten die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten soll ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden. Daraus wird deutlich, dass die in § 288 Abs. 5 BGB vorgesehene Anrechnungsmöglichkeit sich nur auf die internen Kosten beschränken kann.

 

Diese Auslegung wird auch von der gesetzespolitischen Zielrichtung der Richtlinie unterstützt, die die Zahlungsmoral der Schuldner verbessern und den Gläubiger für alle Kosten entschädigen möchte (vgl. RL 2011/7/EU, Erwägungsgründe Ziffer 12, Seite L 48/2). Zahlt der Schuldner aber erst nach Einschaltung eines Inkasso-dienstleisters oder Rechtsanwalts, wird er im Ergebnis besser gestellt als derjenige Schuldner, der unmittelbar nach Verzugseintritt ohne weitere Maßnahmen vonseiten des Gläubigers die Forderung begleicht. Denn nur Letzterer muss tatsächlich eine „Entschädigung“ für internen Aufwand des Gläubigers entrichten. Der hartnäckige Schuldner, der erst nach Unterstützung des Gläubigers durch externe Dienstleister auf die Forderung zahlt, wird so für seine anhaltende Vertragsuntreue auch noch belohnt. Eine Entschädigungspauschale kann aber nur dann die o. g. Wirkung entfalten, wenn sie auch Bestand hat und nicht, wenn sie nachträglich aufgrund der Vertragsuntreue des Schuldners entfällt. Der Anspruch auf gesonderte Vergütung der Pauschale ist daher begründet. Sollten Sie diese nicht ausgleichen, werden wir den Anspruch gerichtlich verfolgen. Sollte der EuGH eine abweichende Entscheidung treffen, stehen Ihnen bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche aus § 812 BGB zu, sodass Sie hinreichend gesichert sind.

 
Quelle: Seite 117 | ID 45341091