· Fachbeitrag · Vietnam
Das Ertragsteuerrecht Vietnams ‒ Ein Überblick aus Sicht deutscher Investoren
von Univ.-Prof. Dr. Stephan Kudert, Frankfurt (Oder), B.A. Bao Trang Mai, Hanoi
| Vietnam hat sich in den letzten 40 Jahren von einem der ärmsten Staaten der Welt zu einem asiatischen Tigerstaat entwickelt. Insbesondere aufgrund der niedrigen Lohnkosten, der moderaten Inflationsrate (2017: ca. 3,7 %) und eines stabilen Wirtschaftswachstums von jährlich etwa 6 bis 8 % ist Vietnam für ausländische Investoren sehr attraktiv. Dieser Beitrag soll den steuerrechtlichen Rahmen für Direktinvestitionen über Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten in Vietnam sowie die Quellenbesteuerung bei wirtschaftlichen Aktivitäten ohne eine institutionelle Anknüpfung beleuchten. Zudem gibt er einen Überblick über die steuerliche Investitionsförderung. |
1. Rechtsformen und Rechtsschutz für Inbound-Investitionen
1.1 Rechtsformen für Inbound-Investitionen
Die in Vietnam am meisten verbreitete und für ausländische Investoren gebräuchliche Rechtsform ist die Limited Liability Company (LLC). Sie darf sich aber nicht im Eigentum von mehr als 50 Gesellschaftern befinden. Je nachdem, ob nur ein Gesellschafter beteiligt ist oder zwei bis fünfzig, wird zwischen einer Single Limited Liability Company (SLLC) und einer Multiple Member Limited Liability Company (MLLC) unterschieden. Die LLC wird als eigenständige Rechtsperson sowie als Steuersubjekt angesehen.
Die Gesellschafter haften beschränkt mit ihrer Einlage. Grundsätzlich sind sowohl für die SLLC als auch für die MLLC keine Mindesteinlagen vorgesehen. Allerdings prüft die Genehmigungsbehörde für die Registrierung die Angemessenheit des Stammkapitals. In der Praxis hat sich ein Stammkapital von etwa 230 Mio. vietnamesischen Dong (VND), dies sind etwa 8.000 EUR, etabliert. Hiervon gibt es aber Ausnahmen nach oben, die insbesondere Versicherungs-, Kredit-, Bau- und Konstruktionswesen betreffen, sowie nach unten für Kleinunternehmen in Branchen mit geringem Kapitalbedarf. Die Veräußerung von Anteilen an einer LLC unterliegt einem speziellen Aufsichtsregime. So haben etwa bei der geplanten Veräußerung von Anteilen an fremde Dritte die verbleibenden Altgesellschafter ein Vorkaufsrecht.
MERKE | Deutschland folgt bei der LLC nicht automatisch der vietnamesischen Klassifizierung. In der Tabelle 1 (Anlage zum Betriebsstättenerlass, BMF 25.8.09, IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl I 09, 888) ist Vietnam nicht erfasst. Vielmehr ist ein Rechtstypenvergleich vorzunehmen (LLC-Schreiben 19.3.04, IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl I 04, 411). Allerdings wird der Vergleich regelmäßig zur Einordnung der vietnamesischen LLC als eigenes Steuersubjekt, vergleichbar mit der GmbH, führen. |
Gesellschaftsrechtlich wird ‒ insbesondere wegen der persönlichen Haftung ‒ bei den Organen der LLC zwischen dem gesetzlichen Vertreter und dem Geschäftsführer unterschieden, auch wenn in der Praxis regelmäßig eine Personenidentität besteht. Der gesetzliche Vertreter ist i. d. R. der Präsident (bei der SLLC) bzw. der Vorsitzende des Member Councils (bei der MLLC). Mindestens einer der gesetzlichen Vertreter muss in Vietnam ansässig sein. Ist der Geschäftsführer ein Ausländer, benötigt er eine Arbeitserlaubnis in Vietnam. Für eine MLLC mit mehr als 11 Gesellschaftern ist zudem ein Aufsichtsrat als Gesellschaftsorgan zu installieren.
Die Joint Shareholding Company bzw. Joint Stock Company (JSC) ist mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar und hat mindestens drei Gesellschafter (Aktionäre). Neben der Gesellschafterversammlung sind der Vorstand, der Vorstandsvorsitzende und ein Aufsichtsrat obligatorische Organe der JSC. Sie ist die für einen größeren Gesellschafterkreis geeignete Rechtsform und börsengängig. Ihr Mindestgrundkapital beträgt 10 Mrd. VND (etwa 350.000 EUR).
Die Private Enterprise (Einzelunternehmen) sowie Partnerships (Personengesellschaften) spielen für ausländische Investoren in der Praxis keine Rolle.
Die Definition von Betriebsstätten in Art. 14/VBHN/QH13 (§ 2 Nr. 3) Corporate Income Tax in Vietnam (CIT-VN) ist der in § 12 AO sehr ähnlich. Es sind feste Einrichtungen, in denen Tätigkeiten des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werden. Die Legaldefinition wird durch konkrete Beispiele ergänzt: Eine Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens ist demnach eine Produktions- oder Geschäftseinrichtung, durch die ein ausländisches Unternehmen einen Teil oder die Gesamtheit seiner Produktions- und Geschäftsaktivitäten in Vietnam ausführt, einschließlich:
- a) Zweigniederlassungen, Verwaltungsbüros, Fabriken, Werkstätten, Transportmittel (sic!), Ölfelder, Minen oder andere Orte zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Vietnam.
- b) Orte für Bau-, Konstruktions-, Installations- und Montagearbeiten.
- c) Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen, einschließlich Beratungsleistungen durch Mitarbeiter oder andere Einheiten oder Einzelpersonen.
- d) Ständige Vertreter ausländischer Unternehmen mit und ohne Abschlussvollmacht.
Einrichtungen, die ausschließlich der Lagerung von nicht zum Verkauf bestimmten Wirtschaftsgütern oder lediglich dem Einkauf dienen oder schlichte Repräsentanzen darstellen, gelten nicht als Betriebsstätten. Repräsentanzen dürfen in Vietnam keine eigenen Geschäftstätigkeiten ausüben, sondern dienen lediglich der Marktanalyse, dem Markteinstieg, insbesondere der Anbahnung von Geschäften sowie der Pflege von Kundenkontakten. Eine eigene Vertragsabschlussvollmacht besteht nicht. Ihnen wird steuerlich auch kein Gewinn(-anteil) zugerechnet.
MERKE | Betriebsstätten besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit. Mit Ausnahme der Montagebetriebsstätten spielen Betriebsstätten ausländischer Investoren in der Praxis ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Sie sind eher interessant für vietnamesische Tochterunternehmen (insbesondere LLC), die an verschiedenen regionalen Standorten tätig sein möchten. |
Für einzelne Investitionsprojekte gemeinsam mit einem vietnamesischen Unternehmen kann auch der Abschluss eines schlichten Kooperationsvertrags (Business Cooperation Contract, BCC) geprüft werden. Durch den Vertrag entsteht nach vietnamesischem Rechtsverständnis keine eigene Rechtsform und somit auch kein eigenes Steuersubjekt. Jedoch ist der BCC aus deutscher Sicht mit einer GbR vergleichbar. Für diese kann auch ein (gemeinsames) Verwaltungsbüro eröffnet und substanziell (auch mit Personal) ausgestattet werden.
1.2 Genehmigung von Inbound-Investitionen
Die Unternehmensgründung bzw. Aufnahme der Geschäftstätigkeit in Vietnam bedarf einer Genehmigung. Hierbei hat sich durch das neue Investitionsgesetz 2015 (Law on Investment, LOI) ein Paradigmenwechsel vollzogen. Während zuvor nur Investitionsvorhaben genehmigt wurden, die ausdrücklich gesetzlich benannt waren, sind nunmehr grundsätzlich alle Investitionen gestattet, sofern sie durch Anlage 4 LOI nicht ausdrücklich verboten oder eingeschränkt werden.
Beachten Sie | Nunmehr wird zwischen der allgemeinen Genehmigung für Unternehmensgründungen (Business Registration Certificates, BRC) und der Erteilung einer speziellen Investitionslizenz (Investment Registration Certificates, IRC) unterschieden.
Die Erteilung eines IRC ist für ausländische Investoren nur noch dann erforderlich, wenn ihr Anteil am (Gemeinschafts-)Unternehmen mindestens 51 % beträgt. Andernfalls gilt das Investment als inländisches und bedarf, über das BRC hinaus, keiner zusätzlichen Genehmigung.
Zudem schützt das LOI ausländische Investoren vor Verstaatlichungen bzw. Enteignungen. Diese dürfen nur in besonderen Fällen, insbesondere bei Gefährdung der nationalen Sicherheit, und dann regelmäßig gegen Entschädigung zum Marktwert, erfolgen. Ebenso werden das geistige Eigentum und die Gewinnrepatriierung geschützt. In Aussicht gestellte (steuerliche) Förderungen sollten im IRC festgeschrieben werden. Dies schützt sie, auch wenn sich die Förderbedingungen nachträglich ändern.
2. Unternehmensbesteuerung
Nach Erhalt des BRC ist bei der örtlichen Finanzverwaltung eine Steuernummer zu beantragen. Die für ausländische Investoren wichtigsten Steuern sind die vietnamesische Körperschaftsteuer (Corporate Income Tax, CIT-VN) sowie die Steuer für nicht in Vietnam ansässige Unternehmen (Foreign Contractors Tax, FCT). Die Einkommensteuer für natürliche Personen (Personal Income Tax, PIT-VN) ist hingegen aufgrund der in Abschnitt 1 dargestellten intransparenten Gesellschaftsbesteuerung der LLC bzw. JSC für ausländische Investoren eher von untergeordneter Bedeutung.
An dieser Stelle sei auf die Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug (Value Added Tax, VAT-VN) für Waren und Dienstleistungen i. H. v. grundsätzlich 10 % (Regelsteuersatz) hingewiesen. Neben einem ermäßigten Steuersatz für bestimmte Waren und Dienstleistungen i. H. v. 5 % (insbes. Trinkwasser, Lehrmittel, Bücher, unverarbeitete Nahrungsmittel, Medikamente und medizinische Ausrüstung, Tiernahrung, zahlreiche landwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen, wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, Kultur-, Kunst- und Sportveranstaltungen sowie Mieten für Sozialwohnungen), ist auch ein Nullsteuersatz, insbesondere bei Ausfuhren, anwendbar.
2.1 Corporate Income Tax
2.1.1 Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht
Rechtsgrundlage der Körperschaftsteuer ist das Law on Corporate Income Tax von 2008 (14/2008/QH12), das am 1.1.09 in Kraft trat und mehrfach, zuletzt mit Wirkung zum 1.1.15, überarbeitet wurde. Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Vietnam (inländische Unternehmen) sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und unterliegen grundsätzlich mit ihrem Welteinkommen der CIT-VN.
Betriebsausgaben von mindestens 20 Mio. VND (etwa 700 EUR) sind nur abzugsfähig, wenn die Zahlung unbar erfolgt ist. Die aus europäischer Sicht bemerkenswert hohen Beträge resultieren noch aus der Zeit der Hochinflation. Da die größte Banknote (500.000 VND) gut 20 EUR entspricht, ist bargeldloses Zahlen bereits aus Praktikabilitätsgründen zielführend.
Abschreibungen sind linear vorzunehmen, wobei der Gesetzgeber verschiedene Klassen von Wirtschaftsgütern unterscheidet, denen pauschal betriebsgewöhnliche Nutzungsdauern zugeordnet werden. Verluste können über fünf Jahre vorgetragen werden. Seit 2015 dürfen bis zu 10 % der Gewinne in eine steuerfreie Rücklage eingestellt werden, die zur Finanzierung von Aufwendungen für Forschung und Entwicklung geplant sind. Sie wirken sich somit bereits bei Rücklagenbildung gewinnmindernd aus. Die Mittel dürfen nur für F&E-Aktivitäten in Vietnam verwendet werden; dies ist durch entsprechende Nachweise zu belegen.
Der Veranlagungszeitraum entspricht dem Kalenderjahr. Die Besteuerung erfolgt zunächst über eine quartalsweise Selbstveranlagung mit Steuervorauszahlungen, bei der das Einkommen auch durch den Steuerpflichtigen geschätzt werden kann. Die Vorauszahlungen sind innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf des Quartals zu leisten. Innerhalb von 90 Tagen nach Ablauf des Jahres ist die Jahressteuererklärung einzureichen. Sofern die Vorauszahlungen geringer als 20 % der Steuerschuld waren, unterliegen 80 % der verbleibenden Steuerschuld Verzugszinsen von 0,05 % pro Tag ab dem Ende des Veranlagungszeitraums.
MERKE | Der nominale Steuersatz der CIT-VN beträgt 20 %, bei Unternehmen in der Erdöl- bzw. Erdgasindustrie sowie der Förderung seltener Rohstoffe jedoch 35 bis 50 %, und kann aufgrund von Tarifpräferenzen zur Förderung von Investitionen nach Art. 15 und 16 LOI temporär auf 17 oder 10 % reduziert werden. |
Diese Tarifpräferenzen sind abhängig von bestimmten Branchen bzw. Betätigungsbereichen und Regionen (vergleichbar Sonderwirtschaftszonen). Ihre Höhe und Laufzeit differieren dabei. Tabelle 1 stellt die wichtigsten temporären Tarifpräferenzen dar:
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Branche bzw. Region | Temporärer Steuersatz | Laufzeit der Tarifpräferenz |
| 10 % | 15 Jahre |
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Beachten Sie | In Fällen, in denen ein Großprojekt, ein High-Tech-Projekt oder ein neues Projekt besondere Investitionen erfordert, kann die Geltungsdauer des Steuersatzes verlängert werden, die Gesamtdauer des Steuersatzes von 10 % darf jedoch 30 Jahre nicht überschreiten. | ||
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Branche bzw. Region | Temporärer Steuersatz | Laufzeit der Tarifpräferenz |
| 10 % | zeitlich unbegrenzt |
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Einkünfte aus der Durchführung neuer Investitionsprojekte, einschließlich: Herstellung von Edelstahl, von energiesparenden Produkten, von Maschinen und Anlagen für die Land- und Forstwirtschaft, für die Fischerei und Salzproduktion, von Bewässerungsanlagen; Produktion und Raffination von Tierfutter, Geflügel und aquatischen Produkten; Entwicklung traditioneller Berufe | 17 % | 15 Jahre |
2.1.2 Beschränkte Körperschaftsteuerpflicht
Für ausländische Unternehmen ist unbedingt das Rundschreiben 103/2014/TT-BTC über die Unternehmensteuer für Ausländer (kurz: Circular 103) zu beachten. Danach ist ein ausländischer Unternehmer eine ausländische juristische oder natürliche Person, die in Vietnam aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit einem vietnamesischen oder ausländischen Kontrahenten geschäftlich tätig ist. Er unterliegt der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Vietnamesische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen müssen das der Betriebsstätte zurechenbare Einkommen versteuern.
Zur Vereinfachung sind für ausländische Unternehmen hinsichtlich der CIT-VN, der VAT-VN und der PIT-VN optionale Besteuerungsmethoden vorgesehen, die unter den Begriff Foreign Contractors Tax (FCT-VN) subsumiert werden. Für Unternehmen besteht die FCT-VN aus zwei Teilen, der CIT und der VAT. Sie kann auf drei verschiedene Arten erhoben werden: nach der Veranlagungs-, der direkten und der hybriden Methode.
- Veranlagungsmethode/Declaration Method: Die Veranlagungsmethode findet Anwendung, wenn das ausländische Unternehmen in Vietnam steuerlich registriert ist. Sie gilt für einen ausländischen Unternehmer, wenn
- er in Vietnam eine Betriebsstätte unterhält,
- der Vertrag eine Laufzeit von mindestens 183 Tagen ab dem Datum des Inkrafttretens des Vertrags hat und
- er nach dem Vietnam-Accounting-System (VAS) bilanziert.
- Der Steuerpflichtige reicht einen Antrag auf Steuerregistrierung bei den Steuerbehörden ein und erhält eine Steuernummer. Er unterliegt dann, wie ein inländischer Steuerpflichtiger auch, der CIT-VN und der VAT-VN.
- Direkte Methode/Foreign Contractors Withholding Tax: Die direkte Methode findet grundsätzlich Anwendung, wenn die Veranlagungsmethode nicht greift, weil eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Sie entspricht einer abgeltenden Quellensteuer (Withholding Tax), die der vietnamesische Leistungsempfänger für den Leistenden an den Fiskus abführt. Hierbei wird die FCT-VN auf den Nettoumsatz, also das Leistungsentgelt, erhoben. Diese Methode kombiniert eine Quellensteuer, die die CIT-VN ersetzt (vergleichbar dem § 50a EStG), mit einer Umsatzsteuer ohne Vorsteuerabzug. Im Ergebnis wird eine (gewinn- und vorsteuerunabhängige) die Körperschaft- und Umsatzsteuer abgeltende Quellensteuer erhoben (vgl. 2.3).
- Hybride Methode/Hybrid Method: Auch die hybride Methode kann vom ausländischen Investor gewählt werden. Hierbei kombiniert der Unternehmer die beiden anderen Methoden so, dass er hinsichtlich der Körperschaftsteuer die direkte Methode wählt, während er sich für die Umsatzsteuer registrieren lässt und dann das Umsatzsteuerverfahren anwendet, um den Vorteil des Vorsteuerabzugs zu erhalten.
Unternehmen, die die Veranlagungsmethode anwenden können, dürfen zwischen allen drei Methoden wählen. Sie müssen sich dann steuerlich registrieren lassen, ihr Einkommen nach den vietnamesischen Gewinnermittlungsvorschriften berechnen und die formellen und materiellen Rechtsnormen beachten. Den anderen ausländischen Unternehmen stehen lediglich die direkte und die hybride Methode optional zur Verfügung. Da für die direkte Methode ausschließlich die Umsätze relevant sind, stellt sie organisatorisch eine erhebliche Vereinfachung dar.
Dividenden einer registrierten Gesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter unterliegen nicht der vietnamesischen Besteuerung. Auf Darlehenszinsen an ausländische Unternehmen werden nach nationalem Recht 5 % und auf Lizenzzahlungen werden 10 % Quellensteuer erhoben, sofern das DBA keine Reduktion vorsieht.
2.2 Foreign Contractors Withholding Tax
Die direkte Methode ist insbesondere für ausländische Unternehmen relevant, die in Vietnam über keine Betriebsstätte verfügen und auch sonst nicht steuerlich registriert sind (Business Foreign Contractors). Sie vereinfacht das Besteuerungsverfahren, weil keine Veranlagung und damit auch keine Gewinnermittlung nach den Vietnamese Accounting Standards erfolgt.
MERKE | Körperschaft- und Umsatzsteuerschuld ausländischer Unternehmen werden bei der direkten Methode durch eine Quellensteuer (Foreign Contractors Withholding Tax, FCWT-VN) abgegolten, die der Vertragspartner (Vergütungsschuldner) innerhalb von 10 Tagen nach der Leistung des Entgelts abzuführen hat. |
Die Höhe der FCWT-VN beträgt i. d. R. 5 bis 10 % des Umsatzes und setzt sich aus zwei Komponenten, einer CIT-QuSt sowie einer VAT-QuSt zusammen. Bei Verträgen, die aus mehreren Leistungsbestandteilen bestehen, bietet es sich an, die einzelnen Leistungen explizit im Vertrag zu benennen und ihnen die jeweiligen Teile des Gesamtentgelts zuzuweisen. Die folgende Tabelle 2 nennt Beispiele für die Steuersätze auf Leistungen, die der (aus CIT- und VAT-Steuersätzen zusammengesetzten) FCWT-VN unterliegen. Auch sie ergeben sich aus Circular 103. Im konkreten Fall muss der Schuldner der Vergütung die relevanten CIT- und VAT-Steuersätze aus den Tabellen addieren und den kombinierten Steuersatz auf die Nettoeinnahmen anwenden.
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CIT-Satz | ||
1 | Handel: Vertrieb, Lieferung von Waren, Rohstoffen, Materialien, Maschinen, Ausrüstungen im Zusammenhang mit Dienstleistungen in Vietnam, einschließlich der Bereitstellung von Waren vor Ort, außer für Waren für ausländische Organisationen und Einzelpersonen; Lieferung von Waren im Rahmen der Lieferbedingungen der internationalen Handelsbedingungen (Incoterms) | 1 % |
2 | Dienstleistungen, Leasing, Versicherungsleistungen, Vermietung von Bohrgeräten | 5 % |
Restaurant-, Hotel-, Casino- und Managementdienstleistungen | 10 % | |
Derivative Finanzdienstleistungen | 2 % | |
3 | Leasing von Flugzeugen, Flugzeugtriebwerken, Ersatzteilen von Flugzeugen und Schiffen | 2 % |
4 | Konstruieren, Installieren, Vertrieb oder Umpacken von Rohstoffen, Maschinen und Anlagen | 2 % |
5 | Sonstige Produktions- und Geschäftsaktivitäten, Transport (inkl. See- und Lufttransport) | 2 % |
6 | Abtretung von Wertpapieren, Einlagenzertifikaten, Rückversicherungen im Ausland, Provisionsversicherungen | 0,1 % |
7 | Darlehenszinsen | 5 % |
8 | Lizenzzahlungen | 10 % |
VAT-Satz | ||
1 | Dienstleistungen, Ausrüstungsleasing, Versicherungsleistungen, Bau (ohne Rohstoffe, Maschinen und Anlagen) | 5 % |
2 | Produktion, Transport, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Waren, Bau und Installation (inkl. Rohstoffe, Maschinen und Anlagen) | 3 % |
3 | Andere Geschäftsaktivitäten | 2 % |
2.3 Business Licence Tax
Ergänzend unterliegen in Vietnam registrierte Unternehmen der Business Licence Tax (BLT-VN), einer Art (geringer) Vermögensteuer auf Betriebsvermögen, die mit der Registrierung und regelmäßig zu Beginn eines Jahres (bis zum 30.1.) zu entrichten ist. Die Bemessungsgrundlage dieser Steuer orientiert sich für die LLC und die JSC am Stamm- bzw. Grundkapital (registered capital, rg). Die Höhe der Steuer bemisst sich nach einem Stufentarif.
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registered capital(in Mio. VND) | Business Licence Tax(in Mio. VND) | Business Licence Tax(≃ in EUR) |
0 < rg < 2.000 | 1 | 35 |
2.000 < rg < 5.000 | 1,5 | 53 |
5.000 ≤ rg ≤10.000 | 2 | 70 |
10.000 < rg | 3 | 105 |
3. Grundzüge des DBA D/VN
3.1 Besonderheiten des DBA D/VN
Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Vietnam 1995 (DBA D/VN) ist am 27.12.96 in Kraft getreten. Grundsätzlich orientiert es sich eng am OECD-MA, weist aber auch einige Besonderheiten auf:
- Kein Art. 9 Abs. 2 (Gegenkorrektur): Aufgrund des Alters des DBA D/VN besteht Art. 9 (Korrektur der Verrechnungspreise) lediglich aus einem Absatz. Absatz 2, der in neuen Abkommen die Gegenkorrektur bei einer Korrektur der Verrechnungspreise vorsieht, fehlt also. Im Ergebnis kann sich dadurch eine Doppelbesteuerung ergeben.
- Art. 10 Abs. 2 (Quellensteuer auf Dividenden): Art. 10 Abs. 2 DBA bemisst den maximalen Quellensteuersatz auf Dividenden mit grundsätzlich 15 %, differenziert aber bei Schachtelbeteiligungen zwischen einer Quellensteuer i. H. v. 10 % (für Beteiligungen > 25 %) und 5 % (für Beteiligungen > 70 %). Da Vietnam jedoch nach nationalem Recht keine Quellensteuer auf grenzüberschreitende Dividenden erhebt, läuft die Regel zurzeit ins Leere. Da die deutsche Mutter i. d. R. in den Genuss des § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG kommt, bleibt die Dividende auf Konzernebene weitgehend steuerfrei. Auf die Freistellung auf Basis des Methodenartikels bei Schachtelbeteiligungen kommt es insoweit nicht an.
- Art. 11 Abs. 2 und 3 (Quellensteuer auf Zinsen): Die Quellensteuer auf Zinsen wird durch Art. 11 Abs. 2 DBA D/VN auf maximal 10 % begrenzt. Auch hier geht das DBA über die nationale Regelung (5 % Quellensteuer) hinaus. Da Abkommensrecht jedoch Schrankenrecht ist, bleibt es bei der Höhe der Quellensteuer nach nationalem Recht. Ist das Darlehen durch eine HERMES-Bürgschaft gesichert, darf Vietnam gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchst. a) keine Quellensteuer erheben.
- Art. 12 (Quellensteuer auf Lizenzzahlungen i. w. S.): Die Quellensteuer auf Lizenzzahlungen wird (analog zur nationalen Regelung) durch Art. 12 Abs. 1 DBA D/VN für Lizenzgebühren i. S. v. Abs. 2 auf maximal 10 % begrenzt. Hierzu gehören auch Mieten für die Nutzung kaufmännischer und gewerblicher Ausrüstungen. Nach Abs. 3 beträgt die maximale Quellensteuer auf Vergütungen für technische Dienstleistungen 7,5 %.
- Art. 16 (Aufsichts- und Verwaltungsratsvergütungen): Art. 16 DBA D/VN erfasst keine Geschäftsführervergütungen. Diese werden daher unter die Grundregel für Arbeitnehmer (Art. 15) subsumiert.
- Art. 23 Abs. 1 (Anrechnungsmethode in Vietnam): Ist Vietnam der Ansässigkeitsstaat des Abkommensberechtigten, wird die Doppelbesteuerung nach Art. 23 Abs. 1 DBA D/VN ausschließlich durch die (der Höhe nach begrenzte) Anrechnung der deutschen Steuer vermieden.
- Art. 23 Abs. 2 (Freistellungs- und Anrechnungsmethode in Deutschland): Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Abkommensberechtigten, wird die Doppelbesteuerung nach Art. 23 Abs. 2 DBA D/VN durch eine Kombination aus Freistellungs- und Anrechnungsmethode vermieden. Schachteldividenden werden ab einer Beteiligung i. H. v. 10 % freigestellt.
- Allerdings enthält Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) DBA D/VN eine Aktivitätsklausel für Betriebsstätteneinkünfte und Schachteldividenden, die nicht auf § 8 AStG abstellt, sondern grundsätzlich nur die Herstellung und den Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratungen und technische Dienstleistungen sowie Bank- und Versicherungsgeschäfte als aktiv definiert. Schachteldividenden von einer vietnamesischen Holding, die selbst zu mehr als 25 % an aktiven Töchtern beteiligt ist, sind aktiv.
3.2 Anrechnung der FCWT-VN
Unterliegt ein ausländischer Investor verpflichtend oder optional der FCWT-VN, stellt sich die Frage, ob die vietnamesische Quellensteuer in Deutschland anrechenbar ist.
In Art. 2 Abs. 3 Buchst. a) DBA D/VN wird die FCWT-VN nicht explizit als Steuer aufgeführt, auf die das DBA Anwendung findet. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, weil das DBA (1996) älter als die FCWT-VN ist. Für solche Fälle erweitert zwar Art. 2 Abs. 4 DBA D/VN den Anwendungsbereich des Abkommens auf „alle Steuern gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens“ erhoben werden. Allerdings ist eine Quellensteuer, die zum Teil explizit auf die Umsatzsteuer Bezug nimmt, weder gleich noch ähnlich. Auch eine Änderungsmitteilung seitens der vietnamesischen Finanzbehörden gemäß Art 2 Abs. 4 S. 2 DBA-VN erfolgte nicht.
PRAXISTIPP | Möglich ist jedoch ein explizites Aufsplitten nach den CIT- und VAT-Anteilen (vgl. Tab. 2), um dann für den CIT-Anteil die Steueranrechnung in Anspruch zu nehmen. |
Für die FCWT-VN auf Erträge, die unter Art. 7 DBA D/VN fallen, wäre dann ein Erstattungsantrag in Vietnam zu stellen, falls keine Betriebsstätte i. S. v. Art. 5 DBA D/VN vorliegt. Für solche Erträge, die unter Art. 11 bzw. 12 DBA D/VN fallen, wäre hingegen eine Anrechnung in Deutschland auf Basis von Art. 23 Abs. 2 DBA D/VN i. V. m. § 26 KStG und § 34c Abs. 1 EStG möglich.
Eine Erstattung des VAT-Teils durch den ausländischen Unternehmer ist hingegen nicht möglich. Auch eine unilaterale Anrechnung nach § 26 KStG i. V. m. § 34c Abs. 1 EStG ist nicht denkbar, weil keine der deutschen KSt vergleichbare ausländische Steuer und keine ausländischen Einkünfte nach § 34d EStG vorliegen. Daher ist lediglich der Abzug von Amts wegen nach § 34c Abs. 3 EStG als Betriebsausgabe möglich.
4. Ergebnis
Vietnam ist ein für ausländische Unternehmen interessanter Standort. Von den etwa 95 Mio. Einwohnern leben 34,6 % in den großen Städten. Die beiden mit Abstand größten Städte und zugleich Wirtschaftsmetropolen sind im Norden Hanois, mit ca. 7,6 Mio. Einwohnern, und im Süden des Landes Ho-Chi-Minh-Stadt (ehemals Saigon), mit ca. 8,5 Mio. Einwohnern. Hauptinvestoren in Vietnam sind Unternehmen aus dem asiatischen Raum, insbesondere Japan, Süd-Korea, Singapur und Taiwan. Die Anzahl deutscher Direktinvestitionen ist mit etwa 300 Unternehmen hingegen noch immer überschaubar. Durch das Investitionsgesetz 2015 wurde eine Grundlage geschaffen, die mehr Sicherheit für Direktinvestitionen bietet. Zugleich wurde das Steuerrecht verschlankt. Auch wenn noch viel Verbesserungspotenzial hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen besteht, befindet sich Vietnam auf einem guten Weg.