· Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge
Anordnung eines Vor- und Nachvermächtnisses mit Wiederverheiratungsklausel
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Während bei der Vor- und Nacherbschaft Zielvorstellung ist, dass Vor- und Nacherbe nicht nebeneinander, sondern nacheinander Erwerber des Nachlasses des Erblassers werden, ist die Zielvorstellung bei einem Vor- und Nachvermächtnis, dass 2 Erwerber nicht nebeneinander, sondern nacheinander Erwerber einzelner Nachlassgegenstände werden sollen. Nicht nur zivilrechtlich, sondern auch erbschaftsteuerrechtlich bestehen zwischen Vor- und Nacherbschaft sowie Vor- und Nachvermächtnis aber erhebliche Unterschiede. |
1. Musterfall
V ist verwitwet und hat 2 eheliche Kinder, die beide in München wohnen. Er wohnt zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin L und deren Kind K in einer Penthouse-Wohnung (180 qm) eines Mehrfamilienhauses in Münster (Wohnfläche insgesamt 800 qm). Die restlichen Wohnungen (620 qm) sind vermietet. Bewertungsrechtlich handelt es sich um ein Mietwohngrundstück (§ 181 Abs. 3 BewG) mit einem Grundbesitzwert von 1.823.400 EUR. Das Mehrfamilienhaus in Münster befindet sich im Alleineigentum von V. Obwohl eine enge persönliche Beziehung sowohl zur Lebensgefährtin L als auch deren Kind K besteht, waren V und L nicht gewillt, erneut zu heiraten. Auch eine Adoption des Kindes K kam für V nicht in Betracht.
In einem wirksamen Testament, das von allen Beteiligten anerkannt wird, hat V seine beiden Kinder testamentarisch zu Erben zu je 1/2 eingesetzt. Seine Lebensgefährtin L, die sich um V bis zu dessen Tod liebevoll gekümmert hat, hat er als Vorvermächtnisnehmerin und K als Nachvermächtnisnehmerin des Mehrfamilienhauses eingesetzt. Aus der Finanzierung des Hauses besteht noch eine grundbuchrechtlich durch eine Grundschuld abgesicherte Verbindlichkeit von 226.322 EUR, die von der Vor- und Nachvermächtnisnehmerin laut Testament zu übernehmen ist. Das Nachvermächtnis soll im Zeitpunkt des Todes der Lebensgefährtin L anfallen. Sollte L allerdings wieder heiraten, soll das Nachvermächtnis bereits mit der Wiederheirat ihrem Kind K anfallen.
V verstarb im August 2017. L lernte bereits kurz nach dem Tod von V einen neuen Lebenspartner P kennen, der sie ‒ im Gegensatz zu V ‒ unbedingt heiraten will. L fragt nach den erbschaftsteuerrechtlichen Folgen des Testaments nach dem Tod des V sowie nach den erbschaftsteuerrechtlichen Folgen einer Wiederheirat. Es ist davon auszugehen, dass L bis zum Zeitpunkt der Wiederheirat Nutzungen aus der Immobilie i. H. von 250.000 EUR gezogen hat und für den Zeitpunkt der Wiederheirat oder des Todes von einer Verbindlichkeit von 213.635 EUR auszugehen ist. Weiter ist davon auszugehen, dass L bis zum Eintritt des Nachvermächtnisses und K danach die Penthouse-Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzen wird.
2. Zivilrechtliche Unterschiede zur Vor- und Nacherbschaft
Für das Vorvermächtnis enthält das BGB ‒ im Gegensatz zum Nachvermächtnis ‒ keine besonderen Regelungen. § 2191 Abs. 1 BGB bezeichnet den Vorvermächtnisnehmer lediglich als „den ersten Vermächtnisnehmer“ und räumt die Möglichkeit ein, den ersten Vermächtnisnehmer in der Weise zu beschweren, dass er den vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfall des Vermächtnisses eingetretenen bestimmten Ereignis oder Zeitpunkt an einen Dritten zuwenden muss. Gemäß § 2191 Abs. 2 BGB finden auf das Vermächtnis nur die für die Einsetzung eines Nacherben geltenden Vorschriften des § 2102 BGB, § 2106 Abs. 1 BGB, § 2107 BGB und § 2110 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung.
Gemäß § 2102 Abs. 1 BGB enthält damit die Einsetzung als Nachvermächtnisnehmer im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzvermächtnisnehmer. Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzvermächtnisnehmer oder als Nachvermächtnisnehmer eingesetzt ist, gilt er gemäß § 2102 Abs. 2 BGB als Ersatzvermächtnisnehmer.
Das Nachvermächtnis ist begrifflich ein aufschiebend bedingter oder befristeter Erwerb (§ 2177 BGB). Hat der Erblasser einen Nachvermächtnisnehmer eingesetzt, ohne den Zeitpunkt oder das Ereignis zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll, fällt gemäß § 2106 Abs. 1 BGB das Vermächtnis dem Nachvermächtnisnehmer mit dem Tode des Vorvermächtnisnehmers an. Ist ‒ wie im Fall einer Wiederheirat ‒ ein Ereignis benannt, fällt das Vermächtnis mit Eintritt dieses Ereignisses an, also bereits mit der Wiederheirat.
Hat der Erblasser für einen Abkömmling, der zurzeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder von dem der Erblasser zu dieser Zeit nicht weiß, dass er einen Abkömmling hat, für die Zeit nach dessen Tode einen Nachvermächtnisnehmer bestimmt, so ist gemäß § 2107 BGB anzunehmen, dass der Nachvermächtnisnehmer nur für den Fall eingesetzt ist, dass der Abkömmling ohne Nachkommenschaft stirbt.
Für den Vorvermächtnisnehmer gelten damit nicht die für den Vorerben wichtige Unterscheidung zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft und die damit verbundenen Beschränkungen (§§ 2112 bis 2115 BGB).
Für die Übernahme der Verbindlichkeit durch den Vor- bzw. Nachvermächtnisnehmer ist, wie bei anderen Vermächtnissen auch, § 2165 BGB zu beachten: Ist ein zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht, kann der Vermächtnisnehmer gemäß § 2165 Abs. 1 S. 1 BGB im Zweifel nicht die Beseitigung der Rechte verlangen, mit denen der Gegenstand belastet ist. Ruht auf einem vermachten Grundstück eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, die dem Erblasser selbst zusteht, ist gemäß § 2165 Abs. 2 BGB aus den Umständen zu entnehmen, ob die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld als mitvermacht zu gelten hat. Da im Testament insoweit eine ausdrückliche Anordnung getroffen worden ist, geht die Verbindlichkeit auf die Vermächtnisnehmer über.
Inhaltlich ist das Nachvermächtnis ein Untervermächtnis mit der Besonderheit, dass der Gegenstand beider Vermächtnisse übereinstimmt; der Erblasser wendet den vermachten Gegenstand einem Dritten, dem Nachvermächtnisnehmer zu, nachdem ihn der erste Vermächtnisnehmer gehabt hat (MüKo-Rudy, Band 9 Erbrecht, 6. Aufl., § 2191 BGB Rn. 6). Der Nachvermächtnisnehmer hat keinen Anspruch gegen den Erben, vielmehr gilt der erste Vermächtnisnehmer als mit dem Nachvermächtnis beschwert.
Der Nachvermächtnisnehmer hat nicht die Stellung eines Nacherben, zu dessen Schutz beispielsweise § 2111 BGB im Falle einer Weggabe von Nachlassgegenständen die dingliche Surrogation anordnet oder zu dessen Schutz die Verfügungsbeschränkungen gemäß §§ 2112 bis 2115 BGB eingreifen.
Gleichwohl wird auch der Nachvermächtnisnehmer schon vor dem Anfall als schutzbedürftig angesehen. Der Vorvermächtnisnehmer ist zum Schutze des Nachvermächtnisnehmers gemäß §§ 2177, 2179, 160 BGB zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung im Interesse des Nachvermächtnisnehmers verpflichtet. Außerdem kann der künftige Anspruch des Nachvermächtnisnehmers schon durch eine Vormerkung gesichert werden, wenn der Vorvermächtnisnehmer schon im Grundbuch eingetragen ist (MüKo-Rudy, Band 9 Erbrecht, 6. Aufl., § 2191 BGB Rn. 6 mit weiteren Einzelheiten).
Der Vermächtnisanspruch entsteht mit dem Anfall und richtet sich nach den Regeln des Untervermächtnisses. Der Nachvermächtnisnehmer hat ebenso wenig eine dingliche Rechtsposition gegenüber dem ersten Vermächtnisnehmer wie dieser gegenüber dem Erben. Auch für den Inhalt des Schuldverhältnisses kann nicht auf die Regeln der Vor- und Nacherbschaft (2121 ff. BGB) zurückgegriffen werden, vielmehr gelten die für Vermächtnisse maßgeblichen Regeln, z.B. §§ 280 ff. BGB zum Schadenersatz. Ist Gegenstand des Nachvermächtnisses eine Immobilie, die der Vorvermächtnisnehmer wegen Baufälligkeit veräußern will, kann es allerdings treuwidrig sein, wenn der Nachvermächtnisnehmer die Zustimmung verweigert. Der Erlös aus dem Verkauf tritt dann aber auch zugunsten des Nachvermächtnisnehmers an die Stelle des vermachten Gegenstandes (BGH 6.3.91, IV ZR 114/89, BGHZ 114, 16, 29; MüKo-Rudy, a.a.O., Rn. 8).
3. Erbschaftsteuerliche Folgen beim Vorvermächtnisnehmer
Erbschaftsteuerrechtlich ist für den Vorvermächtnisnehmer ebenfalls keine besondere Anordnung getroffen, insbesondere umfasst § 6 Abs. 1 ErbStG, wonach der Vorerbe als Erbe gilt, nicht das Vorvermächtnis. Dies führt aber in der erbschaftsteuerlichen Behandlung des Vorerben und des Vorvermächtnisnehmers letztlich zu keinem unterschiedlichen Ergebnis. Auch ohne Anwendung des § 6 Abs. 1 ErbStG muss der Vorvermächtnisnehmer den Erwerb durch Vermächtnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG versteuern. Grundsätzlich wird damit der Erwerb sowohl beim Vorvermächtnisnehmer L als auch beim Nachvermächtnisnehmer K, also doppelt, besteuert.
Die Steuerbefreiung für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist für L für den eigengenutzten Teil des Mehrfamilienhauses nicht möglich, da die Steuerbefreiung nur für Ehegatten und Lebenspartner i. S. des LPartG gilt.
Für den vermieteten Teil ist aber auch im Falle eines Vorvermächtnisses die Steuerbefreiung gemäß § 13d Abs. 1 und 3 ErbStG zu gewähren. Befinden sich in einem Gebäude neben zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücksteilen andere Teile, die z. B. zu eigenen Wohnzwecken oder zu gewerblichen, freiberuflichen oder zu öffentlichen Zwecken genutzt werden, sind diese nicht begünstigt. Der Befreiungsabschlag ist in einem solchen Fall nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt nur auf den Teil des Grundbesitzwerts zu gewähren, der auf den zu Wohnzwecken vermieteten Teil des Gebäudes entfällt. Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der zu Wohnzwecken vermieteten Wohnfläche des Gebäudes zur gesamten Wohn-/Nutzfläche (R E 13c Abs. 2 S. 5 bis 7 ErbStR 2011).
Für die zu übernehmenden Verbindlichkeiten ist zu beachten, dass Schulden und Lasten, die mit den nach § 13d ErbStG befreiten Grundstücken oder Grundstücksteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abgezogen werden können, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13d ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13d ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG).
Entsprechend der Ermittlung der Erbschaftsteuer für den Vorerben (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V. mit § 6 Abs. 1 ErbStG) ergibt sich ‒ bezogen auf den Erwerbsgegenstand ‒ für den Erwerb durch (Vor-)Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) für L somit folgende erbschaftsteuerliche Berechnung:
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Erwerb Grundstück durch Vorvermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) | 1.823.400 EUR |
Steuerbefreiung gemäß § 13d Abs. 1 und 3 ErbStG | |
1.823.400 EUR × 10 % × 620 / 800 = | - 141.313 EUR |
verbleiben | 1.682.087 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 6 S. 5, Abs. 5 Nr. 1 ErbStG | |
226.322 EUR × 1.682.087 EUR / 1.823.400 EUR = | - 208.783 EUR |
Bereicherung | 1.473.304 EUR |
persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) | - 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet gemäß § 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG) | 1.453.300 EUR |
Erbschaftsteuer 30 % | 435.990 EUR |
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Erwerb Grundstück durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) | 1.823.400 EUR |
Steuerbefreiung (§ 13d Abs. 2 S. 1 ErbStG) | 0 EUR |
verbleiben | 1.823.400 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG | - 226.322 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG | - 1.823.400 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG | + 226.322 EUR |
Bereicherung | 0 EUR |
Gemäß § 20 Abs. 4 ErbStG darf der Vorerbe die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft entrichten. Entnimmt der Vorerbe die Steuer aus eigenem Vermögen, ist der Nacherbe bei Eintritt des Nacherbfalls gegenüber dem Vorerben zum Ersatz verpflichtet (§ 2126 BGB, § 2124 Abs. 2 BGB sowie BFH 12.5.70, II 52/64, BStBl II 70, 462). Da die Regelungen für den Vorvermächtnisnehmer nicht zur Anwendung kommen, muss davon ausgegangen werden, dass die von L zu zahlende Erbschaftsteuer den späteren Erwerb des Nachvermächtnisnehmers nicht mindert.
4. Folgen beim Nachvermächtnisnehmer im Todesfall
Erbschaftsteuerrechtlich sind Nachvermächtnisse den Nacherbschaften gleichgestellt und damit als Erwerb vom Vorvermächtnisnehmer und nicht als Erwerb vom Erblasser zu behandeln (§ 6 Abs. 4 ErbStG; R E 6 S. 1 ErbStR 2011). Für Nachvermächtnisse findet aber § 6 Abs. 2 S. 2 bis 5 ErbStG entsprechende Anwendung (R E 6 S. 6 ErbStR 2011).
Der Vorvermächtnisnehmer nimmt damit fiktiv eine Stellung wie ein Vorerbe ein, sodass der Nachvermächtnisnehmer das vermachte Vermögen vom Vorvermächtnisnehmer und aus seinem Nachlass und nicht vom Erblasser erwirbt. Auf Antrag ist gemäß § 6 Abs. 4 ErbStG i.V. mit § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG der Besteuerung aber das persönliche Verhältnis (§ 15 ErbStG) des Nachvermächtnisnehmers zum Erblasser zugrunde zu legen. Einen solchen Antrag wird K aber nicht stellen wollen, da im Verhältnis zur Vorvermächtnisnehmerin L die Steuerklasse I zur Anwendung kommt, während im Verhältnis zum Erblasser V die Steuerklasse III anzuwenden ist.
Die Steuerbefreiung für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist für K für den eigengenutzten Teil des Mehrfamilienhauses möglich, da L bis zum Eintritt des Nachvermächtnisses und K danach die Penthouse-Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Entsprechend der Ermittlung der Erbschaftsteuer für den Nacherben (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V. mit § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG) ergibt sich für den Erwerb durch Nachvermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) somit folgende Berechnung:
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Erwerb Grundstück durch Nachvermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) | 1.823.400 EUR |
Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG | |
1.823.400 EUR × 100 % × 180 / 800 = | - 410.265 EUR |
Steuerbefreiung gemäß § 13d Abs. 1 und 3 ErbStG | |
1.823.400 EUR × 10 % × 620 / 800 = | - 141.313 EUR |
verbleiben | 1.271.822 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 6 S. 5, Abs. 5 Nr. 1 ErbStG | |
213.635 EUR × 1.271.822 EUR / 1.823.400 EUR = | - 149.011 EUR |
Bereicherung | 1.122.811 EUR |
persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) | - 400.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet § 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG) | 722.800 EUR |
Erbschaftsteuer 19 % | 137.332 EUR |
5. Folgen beim Nachvermächtnisnehmer bei Wiederheirat
Dass der Nachvermächtnisnehmer das Vermögen vom Vorvermächtnisnehmer und aus seinem Nachlass und nicht vom Erblasser erwirbt, gilt jedoch nur für Nachvermächtnisse, die beim Tod des Vorvermächtnisnehmers anfallen. Hat der Erblasser ein anderes Ereignis als Nachvermächtnisfall bestimmt, bleibt es nach § 6 Abs. 4 ErbStG i.V. mit § 6 Abs. 3 ErbStG bei der zivilrechtlichen Lage. Für die Besteuerung des Nachvermächtnisnehmers ist allein sein persönliches Verhältnis (§ 15 ErbStG) zum Erblasser maßgebend. Die Steuerbefreiung für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist für K in diesem Fall nicht möglich, da der Erblasser bei Eintritt des Nachvermächtnisses die Penthouse-Wohnung nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
Tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein, gilt gemäß § 6 Abs. 3 ErbStG die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall. In diesem Fall ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Steuerbetrags anzurechnen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht. Dies gilt auch für das Vor- und Nachvermächtnis.
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Erbschaftsteuer vor Anrechnung | |
Erwerb Grundstück durch Nachvermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) | 1.823.400 EUR |
Steuerbefreiung gemäß § 13d Abs. 1 und 3 ErbStG | |
1.823.400 EUR × 10 % × 620 / 800 = | - 141.313 EUR |
verbleiben | 1.682.087 EUR |
Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 6 S. 5, Abs. 5 Nr. 1 ErbStG | |
213.635 EUR × 1.682.087 EUR / 1.823.400 EUR = | - 197.079 EUR |
Bereicherung | 1.485.008 EUR |
Übertrag Bereicherung | 1.485.008 EUR |
persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) | - 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet gemäß § 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG) | 1.465.000 EUR |
Erbschaftsteuer 30 % | 439.500 EUR |
Erbschaftsteuer nach Anrechnung | |
| 439.500 EUR |
| 436.290 EUR |
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69.000 EUR |
| 367.290 EUR |
| 72.210 EUR |
Damit stellt sich das Nachvermächtnis im Fall der Wiederheirat erbschaftsteuerlich deutlich günstiger dar als im Fall des Erwerbs von Todes wegen. Je später die Bedingung der Wiederheirat eintritt, desto geringer wird allerdings die anrechenbare Steuer des Vorvermächtnisnehmers.
6. Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung des Vorerben
Hinterfragt werden könnte noch, ob die hohe Besteuerung des Vorvermächtnisnehmers verfassungsgemäß ist, da er schlechter behandelt wird als ein Nießbraucher, der nur die Nutzungen versteuern muss. Der BFH hat bereits mit Urteil vom 23.8.95 (II R 88/92, BStBl II 96, 137) ausgeführt, dass der Erwerb des Vorerben in vollem Umfang, ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht, der Erbschaftsteuer unterliege und dabei ebenso wie im Urteil vom 17.9.97 (II R 8/96, BFH/NV 98, 587) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung inzident bejaht. Die Besteuerung der Vorerben ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht hat er dann in einer weiteren Entscheidung als verfassungsgemäß befunden (BFH 6.11.06, II B 37/06 (NV), BFH/NV 07, 242). Dies dürfte für den Vorvermächtnisnehmer gleichermaßen gelten.
Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass der Vorerbe zivilrechtlich Erbe (§ 2100 BGB) und somit Eigentümer und Inhaber der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Rechte ist. Die Beschränkungen und Verpflichtungen, denen der Vorerbe unterliegt (§§ 2112 ff. BGB), sind auch dann, wenn ihn der Erblasser davon nicht nach Maßgabe des § 2136 BGB befreit hat, nicht von solchem Gewicht, dass der Gesetzgeber von Verfassung wegen über die bereits getroffenen Sonderregelungen des § 6 Abs. 2 und 3 ErbStG hinaus zu einer unterschiedlichen Besteuerung von Vorerben einerseits und Vollerben andererseits verpflichtet wäre. Zudem sei zu beachten, dass der Vorerbe nach § 20 Abs. 4 ErbStG berechtigt ist, die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten.
7. Einkommensteuerliche Folgen des Vermächtnisses
Einkommensteuerlich zu beachten ist, dass bei Nießbrauchsvermächtnissen an Grundstücken dem Vermächtnisnießbraucher nicht der Werbungskostenabzug für erhöhte Absetzungen und AfA zusteht, weil der Vermächtnisnießbraucher nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ist (BFH 28.9.93, IX R 156/88, BStBl II 94, 319).
Instandhaltungsaufwand, den der Nießbraucher selbst trägt (außergewöhnlicher Aufwand), obwohl er weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet ist (§ 1041 BGB), kann er geltend machen, wenn er ihn im eigenen Interesse trägt (Laufzeit des Nießbrauchsrechts!) und daher kein Erstattungsanspruch gegen die Erben besteht (Nießbrauchserlass ‒ BMF 30.9.13, BStBl I 13, 1184, Tz. 32).