· Fachbeitrag · Wahlleistungen
Rechtliche Argumente für die Abrechnung von PCR-Tests als wahlärztliche Leistung
von RA, FA für ArbR und MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, armedis.de
| Die Abrechnung von PCR-Tests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 als ärztliche Wahlleistung entwickelt sich inzwischen zur bundesweiten Streitfrage zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. Das Konfliktpotenzial ist erheblich. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tests im Krankenhaus erfolgt sind oder an externe Labore vergeben wurden. Ebenso wenig, ob der Krankenhausträger oder der Wahlarzt das Liquidationsrecht ausübt. Auch wenn letztlich die Gerichte über diese Frage entscheiden müssen, gibt es gute Argumente, PCR-Tests als Wahlleistung abzurechnen. |
Auffassungen von Kostenträgern und Leistungserbringern
Private Krankenversicherungen (PKVen) vertreten bundesweit die Auffassung, dass für PCR-Tests im Krankenhaus keine wahlärztliche Leistung berechnungsfähig sei. Berechnungsfähig sei nur das Zusatzentgelt für Testungen auf das Coronavirus SARS-CoV-2 im Krankenhaus nach § 26 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Dies führt dazu, dass viele Wahlleistungspatienten die auf die PCR-Tests entfallenden Gebührenordnungspositionen von ihrer PKV nicht erstattet bekommen. Andere Versicherer bezahlen die Testungen, fordern den Betrag dann aber ihrerseits von den Krankenhausträgern oder Ärzten zurück, die die Leistungen abgerechnet haben.
MERKE | Ihren Rückforderungsanspruch stützen die PKVen auf einen Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß §§ 194 Abs. 2, 86 Versicherungvertragsgesetz (VVG). Die Rückforderungssummen, die dem Verfasser bislang bekannt sind, liegen zwischen 14.000 Euro und 118.000 Euro. |
Diverse Krankenhausgesellschaften (z. B. Berlin und Niedersachsen) haben die Krankenhäuser in ihrer Auffassung bestärkt, PCR-Tests unter bestimmten Voraussetzungen als wahlärztliche Leistung abzurechnen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wurde in diesem Konflikt ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten. Das BMG hat sich der Auffassung angeschlossen, dass PCR-Tests als wahlärztliche Leistung abrechenbar sind, wenn der Patient zunächst einen Aufnahmevertrag und eine Wahlleistungsvereinbarung unterschrieben hat und dann getestet wird. Letztendlich bedarf dieser Konflikt aber wohl einer gerichtlichen Entscheidung.
Wahlleistungsvereinbarung und medizinische Notwendigkeit
Richtig ist, dass eine Abrechnung von PCR-Test als wahlärztliche Leistung zunächst voraussetzt, dass die Patienten einen Krankenhausaufnahmevertrag und eine Wahlleistungsvereinbarung unterschrieben haben und erst danach die Testung erfolgt. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 KHEntgG sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren. Hier macht es keinen Unterschied, ob es um PCR-Tests oder eine Operation geht.
Dann müssen die PCR-Tests medizinisch notwendig sein. Der Verfasser ist zwar kein Mediziner, es dürfte aber wohl allgemein bekannt sein, dass auch Patienten, die keine Symptome aufweisen, durchaus das SARS-CoV-2-Virus in sich tragen können. Daher kann man wohl nicht ernsthaft unterscheiden zwischen Patienten, die Symptome aufweisen und solchen, die symptomfrei sind. Vielmehr erscheint die Durchführung der PCR-Tests generell notwendig, um Schaden von anderen Patienten und dem Krankenhauspersonal abzuwenden.
Wahlleistungsvereinbarung setzt „Wahlarztkette“ in Gang
Wenn man davon ausgeht, dass PCR-Tests in Zeiten der Coronapandemie medizinisch notwendig sind, handelt der Arzt, der die Durchführung der Tests durch einen Facharzt für Laboratoriumsmedizin veranlasst, in Vollmacht des Patienten, was der Bundesgerichtshof (BGH) für das Zustandekommen des Laborarztvertrags, der regelmäßig keinen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzt, schon vor Jahren entschieden hat (Urteil vom 14.01.2010, Az. III ZR 188/09). Diese Entscheidung ist zwar für den ambulanten Bereich ergangen, auf dem stationären Bereich allerdings ohne Weiteres übertragbar.
Die Erbringer von Wahlleistungen gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG
Eine Vereinbarung über eine wahlärztliche Leistung, die der Patient vor Durchführung der PCR-Tests abgeschlossen hat, erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut auf
- alle an der Behandlung beteiligten angestellten und beamteten Ärzte des Krankenhauses, denen das Liquidationsrecht gewährt wurde, sowie
- die von diesen veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses (§ 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG).
PRAXISTIPP | In der Wahlleistungsvereinbarung des betroffenen Krankenhauses sollte geregelt sein, dass dies auch gilt, wenn der Krankenhausträger das Liquidationsrecht selbst ausübt, da dies heute die Regel darstellt. |
Die Wahlarztkette endet nicht an der Krankenhaustür
Mit Abschluss der Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen setzt der jeweilige Privatpatient nach der Rechtsprechung die sog. Wahlarztkette in Gang, zu der auch Ärzte und ärztliche geleitete Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses gehören. Jede weitere im Verlauf dieser Kette erbrachte ärztliche Leistung kann und darf nur als Wahlleistung abgerechnet werden. Die Wahlarztkette endet nicht an der Tür des Krankenhauses, sondern schließt externe Praxen und ärztliche Einrichtungen mit ein. In diesem Sinne enschieden das Oberlandesgericht (OLG) München (Beschluss vom 05.11.2009, Az. 1 U 4174/19) und das OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.09.2019, Az. 8 U 140/17).
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Das Gericht weist darauf hin, dass es dem Patienten bei Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung darum gehe, sich über den Facharztstandard hinaus, ‒ der bei Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen ohnehin geschuldet werde ‒ die Leistungen hoch qualifizierter Spezialisten des Krankenhauses gegen ein zusätzliches Entgelt „hinzuzukaufen“. Der Gesetzgeber beziehe in die Wahlarztkette auch Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses ein, die vom liquidationsberechtigten Krankenhausarzt veranlasst worden seien. Dadurch habe er zu erkennen gegeben, dass dem Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes auch dann Rechnung getragen werde, wenn dieser Arzt eine Behandlung durch Drittärzte veranlasse, die das besondere Vertrauen des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes genieße (sog. Vertrauenskette). |
Wichtig | Auch die durch den externen Laborarzt erbrachten wahlärztlichen Leistungen (wie z. B. PCR-Tests) werden durch diese Rechtsauffassung von der Wahlleistungsvereinbarung mitumfasst.
Einstufung von PCR-Tests als allgemeine Krankenhausleistung schließt Abrechnung als Wahlleistung nicht aus
Testungen wie die sog. PCR-Tests sind zwar grundsätzlich auch Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen, da sie bei allen Patienten medizinisch notwendig sind, unabhängig davon, ob es sich um Regelleistungs- oder um Wahlleistungspatienten handelt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Testungen nicht als wahlärztliche Leistung abgerechnet werden können. Allgemeine Krankenhausleistungen sowie Zusatzentgelte und neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) enthalten auch regelmäßig ärztliche Leistungen.
Dieser Tatsache trägt § 6a GOÄ Rechnung, indem stationäre wahlärztliche Leistungen gemindert werden müssen, um so eine Doppelberechnung zu vermeiden. So wird auch in anderen Fällen, wo die Krankenhäuser Zusatzentgelte abrechnen können, nicht davon abgesehen, auch wahlärztliche Leistungen in Rechnung zu stellen, wenn dies vereinbart ist.
FAZIT | Für die Abrechnung von PCR-Tests als wahlärztliche Leistung gibt es somit gute juristische Argumente. Letztendlich wird dieser Streit aber wohl von den ordentlichen Gerichten entschieden werden müssen. |
Weiterführende Hinweise
- „SARS-Cov-2-Antigentest ‒ drei Fragen an die Redaktion“ (CB 05/2021, Seite 3)
- „Chefarzt darf weitere Behandlung auf externe Radiologen auslagern und selbst abrechnen“ (CB 11/2020, Seite 6)
- „Nach dem Urteil des LG Stuttgart: Weitere typische Fehler in Wahlleistungsvereinbarungen!“ (CB 08/2016, Seite 1)
- „Honorarminderungspflicht nach § 6a GOÄ gilt auch für hinzugezogene niedergelassene Ärzte“ (CB 09/2013, Seite 16)