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· Fachbeitrag · Werkstattrecht

Die 8 wichtigsten rechtlichen Aspekte bei der Einlagerung von Reifen und Kompletträdern

von Nicole Vater, Fachanwältin für Verkehrsrecht, Regensburg

| Während der Reifenwechselsaison brummt Ihr Werkstattbetrieb. Reifen oder Kompletträder (nachfolgend kurz Reifen) müssen zügig gewechselt und ggf. eingelagert werden. Für rechtliche Überlegungen ist da keine Zeit. Diese sollten Sie vor der Saison anstellen, um späteren Ärger zu vermeiden. Folgende 8 Punkte sind dabei wichtig. |

1. Gesonderten Verwahrungsvertrag schließen

Stellen Sie bereits bei der Auftragsannahme die Weichen richtig. Verlassen Sie sich nicht darauf, lediglich auf dem Auftragsformular kurz „Reifen wechseln und einlagern“ zu vermerken. Schließen Sie mit einem Kunden einen separaten schriftlichen Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) über die Einlagerung. Dies ist für beide Seiten vorteilhaft. Es entsteht mehr Transparenz. Zudem können Sie über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beim Werkauftrag hinaus weitere Vereinbarungen treffen.

 

PRAXISTIPP | Regeln bzw. vermerken Sie im Verwahrungsvertrag neben den Parteien des Verwahrungsvertrags (Ihr Kfz-Betrieb und Ihr Kunde) zumindest folgende Punkte:

  • den Preis für die Verwahrung
  • die Dauer der Verwahrung
  • die Beschaffenheit und Art der Räder/Felgen/Bolzen
  • die Haftung bei Verlust und Beschädigung
  • die Verlängerung bei Nichtabholung
  • die Verwertung bei Nichtabholung

Eine Bezugsquelle für einen Verwahrungsvertrag finden Sie am Ende des Beitrags unter „Weiterführende Hinweise“.

 

2. Zusätzlich ein Verwahrungsprotokoll erstellen

Führen Sie neben dem Verwahrungsvertrag ein genaues schriftliches Verwahrungsprotokoll. Dieses sollte die eingelagerten Gegenstände möglichst genau beschreiben hinsichtlich Fabrikat, Zustand, Alter der Reifen, Profiltiefe, Zustand der Felgen etc.

 

PRAXISTIPP | Im Haftungsfall kann damit festgestellt werden, ob die Reifen überhaupt während des Verwahrungszeitraums beschädigt wurden. Ferner können Sie nur so hinreichende Angaben gegenüber dem eigenen Versicherer machen. Dieser erstattet nämlich in der Regel nur den Zeitwert. Eine Bezugsquelle für ein Verwahrungsprotokoll finden Sie am Ende des Beitrags unter „Weiterführende Hinweise“.

 

3. Sachgemäß einlagern

Gesetzlich geregelt wird in § 688 BGB lediglich die Pflicht des Verwahrers, die ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Dabei reicht es nicht, dass Sie den entsprechenden Raum gewähren. Sie müssen auch besondere Obhutspflichten erfüllen. Sie schulden Schutz gegen Zerstörung, Verlust oder Beschädigung und ‒ im Rahmen des Zumutbaren ‒ Maßnahmen zur Erhaltung. Sie müssen die übergebene Sache im selben Zustand wie bei der Einlagerung zurückgeben.

 

Kann der Kunde eine Beschädigung nachweisen oder sind die eingelagerten Sachen durch Diebstahl abhanden gekommen, haben Sie erst einmal Ihre Pflicht verletzt. Sie haften jedoch nur für eine schuldhafte Pflichtverletzung, d. h. für Vorsatz und Fährlässigkeit, nicht jedoch für Zufall oder höhere Gewalt.

 

Wichtig | Dieses Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Im Schadensfall müssen Sie daher als Verwahrer beweisen, dass Sie kein Verschulden trifft. Eine Umkehr der Beweislast auf dem üblichen Formular, wonach der Kunde das Verschulden beweisen müsste, ist nichtig. Eine solche Regelung wäre mit dem Grundsatz Treu und Glauben unvereinbar. Denn die Umstände liegen im Verantwortungsbereich des Verwahrers (so schon BGH, Urteil vom 17.02.1964, Az. II ZR 98/62).

4. Umfang des Schadenersatzes

Für den Umfang des Schadenersatzes gilt: Sie müssen den Zustand wiederherstellen, der bestehen würde, wenn die Sache nicht beschädigt oder gestohlen worden wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Ihr Kunde kann bei der Beschädigung einer Sache anstelle der Herstellung auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Ist eine Herstellung der Sache nicht möglich, müssen Sie Ihren Kunden direkt mit Geld entschädigen (§ 251 Abs. 1 BGB).

 

PRAXISTIPP | Da nur die vorherige wirtschaftliche Vermögenslage hergestellt werden soll, müssen Sie lediglich den Zeitwert erstatten. Ihr Kunde soll weder ärmer noch reicher werden. Hierbei hilft Ihnen ein genau geführtes Verwahrungsprotokoll.

 

5. Haftung begrenzen bzw. ausschließen

Auf dem Vertragsformular enthaltene Einschränkungen oder Ausschlüsse stellen AGB dar. Sie sind für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen, vorformuliert und einseitig bei Vertragsschluss gestellt nach § 305 Abs. 1 BGB. Damit unterliegen die Klauseln der AGB-Kontrolle gemäß § 305 ff. BGB.

 

Bereits nach § 309 Nr. 7 BGB ist ein Haftungsausschluss bei grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Darüber hinaus dürfen nach § 307 Abs. 2 BGB durch einen Haftungsausschluss die wesentlichen Vertragspflichten nicht ausgehöhlt werden. Zu diesen sog. Kardinalspflichten gehört jedoch bei der Verwahrung die Obhut. Demzufolge kann hier Fahrlässigkeit nicht wirksam ausgeschlossen werden.

6. Obhutsschäden versichert?

Bei den meisten Betriebshaftpflichtversicherungen sind Obhutsschäden nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Handel- und Handwerksversicherung umfasst nur Schäden an demontierten Fahrzeugteilen unter gleichzeitiger Obhut des Fahrzeugs, etwa während der Reparatur.

 

D. h. sowohl das Beschädigungs- und Diebstahlsrisiko als auch das Vernichtungsrisiko durch Feuer ist nicht abgesichert. Daher ist der Abschluss einer separaten sog. Betriebsinhaltsversicherung sinnvoll.

 

Wichtig | Trotz Betriebsinhaltsversicherung sollte im Schadensfall der Kunde zuerst seine eigene Kfz-Versicherung in Anspruch nehmen. Erst für die Restsumme, wie z. B. die verbleibende Selbstbeteiligung des Kunden, haftet dann Ihre Betriebsinhaltsversicherung. Hierdurch wird zugleich das Problem der Mehrfachversicherung gemäß § 78 VVG gelöst. Eine entsprechende Formulierung kann wie folgt lauten:

 

Musterformulierung / Vorrang der Versicherung des Kunden

Sollte es zu einem Verlust oder einer Beschädigung der verwahrten Gegenstände durch Feuer oder Diebstahl kommen, weisen wir darauf hin, dass der Kunde zuerst Ansprüche gegenüber seiner Kfz-Versicherung geltend machen muss. Sofern die Ansprüche nicht bzw. nicht vollständig erstattet werden, tritt unsere Betriebsinhaltsversicherung in Kraft.

 

Dabei geht es häufig nicht nur um den Aspekt, Ihre Versicherung zu schonen. Einige Betriebsinhaltsversicherungen sehen die vorherige Inanspruchnahme der Kfz-Versicherung des Kunden zwingend als Voraussetzung ihrer Leistungspflicht vor.

7. Verwahrung verlängern bei Nichtabholung

Im Verwahrungsvertrag sollten Sie ausdrücklich regeln, ob und wie lange sich die Verwahrung verlängert, wenn der Kunde zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer die Reifen oder Kompletträder nicht abholt. Das schafft Klarheit für beide Vertragsparteien.

 

PRAXISTIPP | Der unter „Weiterführende Hinweise“ empfohlene Verwahrungsvertrag lässt Ihnen Raum, dass Sie die Zeiträume selbst festlegen. Dabei gilt: Eine Regelung über eine stillschweigende einmalige Verlängerung der meist für 1 Jahr vertraglich vereinbarten Laufzeit ist angemessen und rechtlich wirksam, wenn der Kunde zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer die Reifen oder Kompletträder nicht abholt.

 

8. Reifen verwerten/entsorgen bei Nichtabholung

Holt der Kunde die Reifen nicht zum Ende der Vertragslaufzeit ab, gerät er mit der Abholung in Gläubigerverzug (§§ 695, 293 BGB). Das Gesetz bietet Ihnen 2 Möglichkeiten, die Reifen zu verwerten:

 

  • 1. Zum einen können Sie die Reifen durch einen bestellten Gerichtsvollzieher oder sonstig hierzu Befugten öffentlich nach § 383 BGB versteigern lassen (sog. Selbsthilfeverkauf).

 

  • 2. Zum anderen können die eingelagerten Reifen gemäß § 385 BGB mittels eines öffentlich ermächtigten Handelsmaklers zum laufenden Preis verkauft werden (freihändiger Verkauf).

 

In beiden Fällen dürfen Sie den Erlös zur Deckung aller Kosten in Folge des Annahmeverzugs verwenden. Den Rest müssen Sie für den Kunden hinterlegen. Eine Hinterlegung der Reifen/Räder selbst ist nicht möglich nach § 372 BGB. Beide gesetzlichen Lösungen sind in der Praxis mühsam.

 

PRAXISTIPP | Regeln Sie im Verwahrungsvertrag, wie Sie vorgehen, wenn der Kunde die Reifen nicht abholt:

  • Legen Sie fest, ab wann Sie mit der Verwertung beginnen. Berücksichtigen Sie dabei, dass Sie ja zunächst eine Verlängerung der Aufbewahrung vereinbart haben. Eine Verwertung kommt also erst nach Ablauf der verlängerten Aufbewahrung in Betracht.
  • Legen Sie fest, dass Sie die Reifen selbst verwerten bzw. entsorgen (für den Fall, dass sie keinen Marktwert mehr haben).
  • Informieren Sie den Kunden vor der Verwertung bzw. Entsorgung und setzen Sie ihm eine Frist von 14 Tagen, die Reifen abzuholen. Erteilen Sie den Hinweis mit der befristeten letztmaligen Abholmöglichkeit schriftlich. Dabei empfiehlt sich ein Einschreiben oder ein Fax mit entsprechendem Übertragungsprotokoll, damit Sie die Zustellung nachweisen können.
 

 

FAZIT | Den rechtlichen Rahmen für die Einlagerung/Verwahrung bekommen Sie mithilfe von Musterformularen relativ leicht in den Griff. Weiteres Einsparpotenzial für Ihr Autohaus bzw. Ihren Kfz-Betrieb steckt aber auch in den internen Abläufen. Sehen Sie sich diese einmal genauer an: Sind die Kriterien und die Zuständigkeiten klar bei der Begutachtung der Reifen? Wird alles ordentlich dokumentiert? Landet der ‒ komplette ‒ Reifensatz tatsächlich immer ‒ auf kürzestem Weg ‒ genau an dem Lagerort, an dem Sie ihn in der nächsten Wechselsaison wiederfinden möchten?

 

Weiterführende Hinweise

  • Musterformulare für einen „Reifen-Verwahrungsvertrag“ sowie für ein „Räder-/Reifen-Einlagerungsprotokoll erhalten Sie als Durchschreibesatz bei Vogel-FORMA (www.vogel-forma.de unter Formulare → Reifeneinlagerung).
  • In der Oktober-Ausgabe von ASR erfahren Sie, welche Pflichten Sie beim Reifen- bzw. Kompletträder-Wechsel erfüllen müssen.
Quelle: Seite 17 | ID 45375019