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· Wirtschaftlichkeitsprüfung

Häufige Beanstandungen der Prüfungsstelle vermeiden (Teil 11) ‒ Osteotomien

Bild: Copyright (C) Andrey Popov

| Die Prüfgremien können in Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Rahmen ihrer „Annexkompetenz“ (siehe AAZ 06/2019, Seite 2 ff.) auch sachlich-rechnerische Berichtigungen vornehmen. Deshalb ist es wichtig, mit konsequenter Anwendung der Abrechnungsbestimmungen Prüfverfahren zu vermeiden. Was von Prüfgremien bei Zahnentfernungen durch Osteotomien im Sinne der BEMA-Nrn. 47a (Ost1) und 48 (Ost2) sowie der Hemisektion nach BEMA-Nr. 47b (Hem) regelmäßig beanstandet wird und wie Sie dem entgegenwirken können, erfahren Sie nachfolgend. |

Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie (Ost1)

Das Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie wird unter der BEMA-Nr. 47a (Ost1) abgerechnet; die Wundversorgung ist Bestandteil der Gebühr. Die Abrechnung der BEMA-Nr. 47a setzt die Aufklappung des Zahnfleischs voraus. Ebenso wie bei der X3 (BEMA-Nr. 45, siehe AAZ 03/2020, Seite 4 ff.) ist die Anzahl der Wurzeln für den Ansatz der Ost1 unerheblich.

 

In diesen Fällen sind Osteotomien angezeigt

Wenn ein Extraktionsversuch mittels Zange und Hebel erfolglos ist, wird die Entscheidung getroffen, einen Zahn durch Aufklappen des Mukoperiostlappens und anschließendem Abtragen des umgebenden Alveolarknochens zu entfernen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn unzugängliche Wurzelteile in der Alveole steckenbleiben oder wenn der Zahn so tief zerstört ist, dass er sich nicht mehr fassen lässt und die verbleibende Hartsubstanz stückchenweise abbricht. Dies kommt besonders bei Zähnen vor, die wurzelkanalbehandelt sind.

 

Unter bestimmten Voraussetzungen werden Osteotomien von vornherein geplant. Dies ist beispielsweise bei der Entfernung eingeheilter Wurzelreste der Fall oder wenn abzusehen ist, dass ein Zahn schonender entfernt werden kann als durch eine einfache Extraktion und somit ein besserer Heilungsverlauf zu erwarten ist. Gründe dafür könnten der Zerstörungsgrad eines Zahnes oder starke Wurzelkrümmungen sein. Außerdem könnte eine Osteotomie durchgeführt werden, wenn man dadurch die Verletzung benachbarter Strukturen verhindern kann.

 

Abrechnungsvoraussetzungen für die Ost1

Zwingende Voraussetzung für die Berechnung der Ost1 ist, dass periradikulärer Knochen abgefräst bzw. mit Handinstrumenten entfernt wird. Es reicht nicht aus, dass Zahnfleisch und Knochenhaut abgeklappt werden.

 

Falls die Entfernung des Zahnes schon nach der bloßen Aufklappung des Weichgewebes gelingt, ist die X3 abzurechnen. Entsprechend verhält es sich, wenn der Alveolarknochen entfernt wird, um den Zahn besser fassen zu können, dabei jedoch eine Aufklappung des Mukoperiostlappens unterbleibt.

 

Der Zeitaufwand für die Entfernung des Zahnes ist unerheblich. Es kommt allein auf die zuvor beschriebenen Voraussetzungen an, die erfüllt sein müssen. Sofern in Prüfverfahren festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung der BEMA-Nr. 47a nicht vorliegen, erfolgen Kürzungen im Rahmen der Annexkompetenz.

 

Zusätzlich zur Ost1 berechnungsfähige Gebührennummern

Die primäre Wundversorgung ‒ wie beispielsweise Naht und Drainage ‒ ist wie bei den anderen chirurgischen Maßnahmen in der Gebühr für die Ost1 enthalten und somit nicht gesondert abrechenbar. Anders verhält es ich beim Stillen einer übermäßigen Blutung, wenn damit ein erhöhter Zeitaufwand entsteht. Dann sind die BEMA-Nrn. 36 bzw. 37 (Nbl1 bzw. Nbl2) abrechenbar.

 

Die Resektion des umgebenden Knochens ist zusätzlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Ost1 als Alveolotomie unter der BEMA-Nr. 62 (Alv) abrechenbar, wenn die Resektion der Alveolarfortsätze in einem Gebiet von vier und mehr Zähnen in dem Kiefer erfolgt. Dies dürfte jedoch nicht sehr häufig vorkommen. Das wird auch durch die Zahlen des Jahrbuchs 2019 der KZBV gestützt. 138.000 Alveolotomien entfallen im Jahr 2018 auf insgesamt über 12 Mio. Zahnentfernungen. Dies spiegelt sich auch in Prüfverfahren wider.

 

Das Auskratzen kleiner Zysten durch die Alveole kann nicht gesondert berechnet werden. Erst eine „echte“ Zystenoperation berechtigt zur Abrechnung einer Zystektomie oder Zystostomie. Diese können zusätzlich zur Ost1 unter den BEMA-Nrn. 56c (Zy3) oder 56d (Zy4) abgerechnet werden.

 

Im Oberkiefer-Seitenzahnbereich kommt es mitunter vor, dass die Kieferhöhle eröffnet wird. Für den plastischen Verschluss der Kieferhöhle kann die BEMA-Nr. 51b (Pla0) abgerechnet werden.

Hemisektion und Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes

Die Hemisektion und Teilextraktion eines mehrwurzeligen Zahnes wird unter der BEMA-Nr. 47b (Hem) abgerechnet. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann die Hem abgerechnet werden. Das ist der Fall, wenn eine geschlossene Zahnreihe und/oder eine bestehende prothetische Versorgung erhalten werden soll.

 

Hemisektionen gut dokumentieren ‒ dann gibt es keine Probleme

Dementsprechend selten wird die Hem abgerechnet. Im Jahr 2018 kamen laut Jahrbuch 2019 der KZBV ca. 19.000 Hemisektionen zur Abrechnung. Deshalb spielt die BEMA-Nr. 47b in Prüfverfahren kaum eine Rolle. Allerdings wird die Hemisektion von vielen Zahnärzten überhaupt nicht abgerechnet. Dadurch fallen diejenigen, die diese Leistung häufiger erbringen und abrechnen, durch erhebliche Überschreitungen automatisch auf. Dies ist allerdings nicht problematisch, wenn die Prüfgremien die Hemisektionen einzeln überprüfen und durch eine gute Dokumentation in der Patientenakte nachgewiesen werden kann, dass die oben beschriebenen Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei einem statistischen Vergleich sollten Sie darauf bestehen, dass man Ihnen die Anzahl der Praxen benennt, die diese Leistung überhaupt erbringen.

 

In diesen Fällen sind Hemisektionen angezeigt

Die Hemisektion, das heißt die Halbierung eines Zahnes, ist sinnvoll, um einen endständigen Pfeiler für eine Brückenversorgung möglichst langfristig zu erhalten. Dadurch kann eine herausnehmbare Prothese vermieden werden.

 

Unterkiefermolaren sind für eine Hemisektion prädestiniert, da sie wegen ihrer zwei Wurzeln halbiert werden können. Auch bei dreiwurzeligen Molaren im Oberkiefer kann eine Indikation für eine Hemisektion bestehen.

 

  • Wesentliche Indikationen für die Hemisektion
  • Es gibt ansonsten keine erfolgversprechende Möglichkeit einer Wurzelkanalbehandlung bei einem apikalen Entzündungsprozess an einer oder mehreren Wurzeln.
  • Es liegen Beschwerden an einer Wurzel eines mehrwurzeligen Zahnes im Anschluss an eine Wurzelkanalbehandlung vor, die nur durch eine Hemisektion beherrscht werden können.
  • Bei einer Wurzelkanalbehandlung kommt es zu Komplikationen, beispielsweise eine via falsa.
  • Im Furkations- oder Wurzelbereich liegt eine ausgedehnte Karies vor.
 

Die wichtigste Voraussetzung bei einer Hemisektion ist, dass die jeweils übrige(n) Wurzel(n) problemlos mit einer Wurzelkanalbehandlung versorgt werden können. Die Wurzelkanalbehandlung kann vor einer Hemisektion oder zeitgleich mit dieser erfolgen.

 

Die Prämolarisierung, d. h. die Teilung eines Molaren, gehört nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung und kann nicht nach BEMA-Nr. 47b abgerechnet werden.

 

Die Abrechnung der Hemisektion

Bei der Hemisektion ist die Form der Zahnentfernung abrechnungstechnisch unbedeutend. Ob die Extraktion der Wurzel nach der Durchtrennung des Zahnes problemlos mit der Zange erfolgt oder ob eine Aufklappung erforderlich ist, spielt keine Rolle.

 

Die Hemisektion kann einmal pro Zahn abgerechnet werden ‒ unabhängig davon, wie viele Wurzeln entfernt werden bzw. im Kiefer verbleiben. Die primäre Wundversorgung, die in derselben Sitzung mit der Hemisektion erfolgt, kann wie bei den übrigen chirurgischen Eingriffen nicht gesondert abgerechnet werden, da sie im Leistungsinhalt enthalten ist. Dazu gehören Reinigung, Knochenglättung, Auskratzen, Streifeneinlage und Nahtverschluss. Nur das möglicherweise notwendige Stillen einer übermäßigen und zeitaufwendigen Blutung kann unter den BEMA-Nrn. 36 bzw. 37 abgerechnet werden.

 

Die im Anschluss an die Entfernung der Wurzel erforderliche Resektion des umgebenden Alveolarknochens ist zusätzlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Hemisektion als Alveolotomie unter der BEMA-Nr. 62 abrechenbar. Voraussetzung dafür ist, dass die Resektion ein Gebiet von vier und mehr Zähnen im Kiefer umfasst.

 

Das Entfernen einer radikulären Zyste ist nur dann zusätzlich unter den BEMA-Nrn. 56c bzw. 56d abrechnungsfähig, wenn es sich um einen zusätzlichen chirurgischen Eingriff handelt und nicht lediglich um das Auskratzen einer kleinen Zyste durch die Alveole hindurch.

 

PRAXISTIPP | In Prüfverfahren ist es von großer Bedeutung, dass die Situationen vor und nach der Hemisektion im Röntgenbild dokumentiert werden und in der Folge regelmäßige Röntgenkontrollen erfolgen, um den Heilungsverlauf zu überprüfen. In Wirtschaftlichkeitsprüfungen wird häufig festgestellt, dass die Indikation für die Hemisektion zu großzügig ausgelegt wird und deshalb der Misserfolg vorprogrammiert ist.

 

Entfernen eines verlagerten und/oder retinierten Zahnes

Die BEMA-Nr. 48 (Ost2) kann für die Entfernung eines verlagerten und/oder retinierten Zahnes, Zahnkeims oder impaktierten Wurzelrests durch Osteotomie abgerechnet werden. Ein retinierter Zahn liegt vor, wenn er unter einem Nachbarzahn festsitzt und entweder gar keine Verbindung zur Mundhöhle hat oder nur mit einem Teil der Krone durchbricht.

 

Impaktierte Zähne sind allseitig von Knochen umgebene Zähne, die trotz korrekter Achsenrichtung keine Tendenz zeigen, in die Mundhöhle durchzubrechen. Verlagerte Zähne weichen in ihrer Lage im Kieferknochen oder in ihrer Achsenausrichtung von der Norm ab. Sowohl verlagerte als auch impaktierte Zähne haben keinerlei Bedeutung für die Kaufähigkeit und müssen aus unterschiedlichen Gründen entfernt werden, beispielsweise

  • weil von dem Zahn eine follikuläre Zyste ausgeht,
  • weil er andere Zähne im Kiefer verschiebt,
  • weil es, wenn er nur teilweise durchgebrochen ist, in seiner Umgebung zu infektiösen Prozessen der Mundschleimhaut und des Kieferknochens kommen kann,
  • weil er Schäden an Nachbarzähnen oder prothetischen Konstruktionen hervorrufen kann,
  • weil er im Verdacht steht, unklare Kiefer- und Gesichtsschmerzen im Sinne einer Neuralgie auszulösen.

 

Verlagerte und impaktierte Zähne werden nicht immer erst dann entfernt, wenn pathologische Prozesse auftreten, sondern oft prophylaktisch, um solche Störungen von vornherein zu verhindern. Das ist beispielsweise vor Abschluss einer kieferorthopädischen Behandlung sinnvoll, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden.

 

Weisheitszähne, die nicht regelgerecht durchbrechen, könnten für Zahnverschiebungen ursächlich sein und somit zu Rezidiven führen. Im Zusammenhang mit prothetischen Versorgungen sollten Molaren erst dann in eine Brückenkonstruktion einbezogen oder mit einer Krone versorgt werden, wenn kein dahinter bzw. darunter liegender Weisheitszahn vorhanden ist. Es ist oft ratsam, einen nicht korrekt durchgebrochenen Weisheitszahn präventiv zu entfernen, um eine dentitio difficilis zu verhindern. Damit wird eine langwierige Behandlung ausgeschlossen.

 

Leistungsinhalte der Ost 2

Zum Leistungsinhalt der BEMA-Nr. 48 gehören folgende Maßnahmen:

 

  • Aufschneiden der Schleimhaut und Bildung eines Mukoperiostlappens (Aufklappung)
  • Abtragen des umgebenden Kieferknochens
  • Vorsichtiges Lockern des Zahnes und anschließende Entfernung; Entfernung in einzelnen Teilen
  • Vorbereiten der Wunde für einen optimalen Heilungsverlauf (dazu sind scharfe Knochenkanten zu glätten und die Wunde ist zu reinigen)
  • Stillen der Blutung und Wundverschluss durch Naht ‒ wobei es häufig sinnvoll ist, einen Gazestreifen als Drainage einzulegen

 

„Begleitleistungen“ zur Ost2

Röntgenaufnahmen sind für eine lege artis durchzuführende Operation zwingend. In Prüfverfahren ermöglichen sie den Nachweis, dass der Zahn tatsächlich verlagert, retiniert oder impaktiert war. Abrechenbar neben der Ost2 sind

 

  • das Stillen einer übermäßigen Blutung, wenn die Voraussetzung der BEMA-Nr. 36 bzw. 37 (Nbl1 bzw. Nbl2) erfüllt wird;
  • die Operation einer follikulären Zyste unter BEMA-Nrn. 56c und d, sofern es sich nicht um eine kleine Zyste handelt, die durch die Operationswunde ausgekratzt wird; es muss eine vollständige Zystenoperation mit Entfernung des Zystenbalgs bzw. bei der Zystostomie mit Einklappung der Schleimhaut in das Zystenlumen durchgeführt werden;
  • der Verschluss einer eröffneten Kieferhöhle nach BEMA-Nr. 51b (Pla0). Diese ist um 40 Punkte geringer bewertet als die BEMA-Nr. 51a (Pla1 ‒ 80 Punkte), die für den plastischen Verschluss der eröffneten Kieferhöhle als selbstständige Leistung oder in Verbindung mit einer Extraktion berechnet wird. Die niedrigere Bewertung der Nr. 51b ist darauf zurückzuführen, dass bei einer Osteotomie die Aufklappung und der anschließende Nahtverschluss ohnehin erforderlich sind.
  • ggf. das Einsetzen einer Verbandsplatte nach Nr. Ä2700 GOÄ.

Entfernung eines extrem verlagerten Zahnes durch Osteotomie

Für die Abrechnung der Entfernung eines extrem verlagerten oder retinierten Zahnes durch umfangreiche Osteotomie bei gefährdeten anatomischen Nachbarstrukturen steht die Nr. Ä2650 GOÄ zur Verfügung. Die Leistungsbeschreibung der Ä2650 enthält sowohl das Kriterium der „umfangreichen Osteotomie“ als auch der „gefährdeten anatomischen Nachbarstrukturen“. Beide Kriterien müssen als Voraussetzungen der Abrechnungsfähigkeit erfüllt sein. Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, handelt es sich um das Entfernen eines verlagerten und/oder retinierten Zahnes durch Osteotomie im Sinne der BEMA-Nr. 48. Umfangreich und schwierig ist die Osteotomie eines retinierten oder verlagerten Zahnes z. B. dann, wenn wichtige Nachbarstrukturen nahe dem oder im Operationsfeld liegen und dadurch gefährdet sind.

 

Weiterführender Hinweis

  • Im nächsten Teil der Serie geht es um weitere häufige Beanstandungen der Prüfgremien bei Wurzelspitzenresektionen, Zystektomien und Zystostomien.
Quelle: Seite 6 | ID 46391199