· Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung
Diese Aufräumkosten für einen durch Sturm beschädigten Baum sind erstattungsfähig
von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln
| Bei einem durch Sturm abgespaltenen Teil eines Baumes, welcher umgestürzt und abgestorben ist, beziehen sich die erstattungsfähigen Aufräumkosten auf den Baum insgesamt, wenn infolge Absterbens oder Umstürzens der noch im Boden verbliebene Teil ebenfalls beseitigt werden muss. So entschied das OLG München in einem Beschluss. |
Sachverhalt
Gemäß der im Versicherungsschein ausdrücklich vereinbarten Klausel 0003 zu den VGB 2008 ‒ BVV/BLBV übernimmt der VR die notwendigen Aufräumkosten der auf dem Versicherungsgrundstück gepflanzten Bäume, die durch Sturm abgestorben oder umgestürzt sind.
Nach dem ‒ streitigen ‒ Sachvortrag des VN soll die Buche in seinem Garten an einer Stammgabelung aus zwei Trieben (einem sog. Zwiesel) durch einen Sturm so gespalten worden sein, dass ca. 60 Prozent des Baumes abgebrochen sind und zerstört wurden. Die restlichen 40 Prozent des Baumes seien nicht überlebensfähig gewesen. Daher sei die Buche insgesamt als abgestorben anzusehen.
Das LG hat die Klage ‒ mit Ausnahme eines Teils der Gutachterkosten ‒ abgewiesen. Es hat den „Restbaum“ schon nach dem Vortrag des VN, der auch das Privatgutachten eines Försters umfasste, nicht als abgestorben angesehen. Der Privatgutachter unterscheide zwischen dem Gefährdungspotenzial des nicht mehr standsicheren Restbaums, aufgrund dessen er die Fällung empfohlen habe, und der Überlebensfähigkeit des Restbaums, die er nicht in Frage gestellt habe. Dass die Situation mit einem Totalverlust oder Absterben des Baumes vergleichbar sei, sei eine persönliche Schlussfolgerung des Sachverständigen ohne Berücksichtigung der Versicherungsbedingungen.
Entscheidungsgründe
Auf die Berufung des VN hat das OLG München einen Hinweisbeschluss erlassen (OLG München 16.1.19, 25 U 3650/18, Abruf-Nr. 209343).
Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob die maßgebliche Klausel 0003 zu den VGB 2008 ‒ BVV/BLBV so auszulegen ist, dass zwischen abgetrenntem „Teilbaum“ und nicht mehr standsicherem „Restbaum“ zu unterscheiden ist. Maßstab der Auslegung von Versicherungsbedingungen ist grundsätzlich ‒ wie das LG zutreffend ausführt ‒, wie ein durchschnittlicher VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss.
Legt man diesen Maßstab an die streitgegenständliche Klausel 0003 an, so ist aus Sicht eines durchschnittlichen VN darauf abzuheben, ob infolge des Sturms ein Baum abgestorben oder umgestürzt ist und deshalb beseitigt werden muss. Der durchschnittliche VN wird keine gedankliche Aufspaltung der Klausel in „Teilbäume“ und „Restbäume“ vornehmen. Er wird sich vielmehr fragen, ob Aufräumungskosten für einen Baum entstehen, der sturmbedingt abgestorben oder umgestürzt ist. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass beim Umstürzen je nach der Höhe oder Lage der Knick- oder Bruchstelle Teile des Baumes stehend im Boden verbleiben.
Dass auch die Beseitigungskosten für solche Teile des Baumes erstattungsfähig sind, die wie der Wurzelstock nicht ohne Weiteres auf dem Grundstück verbleiben können, wird der durchschnittliche VN dem zweiten Satz der Klausel entnehmen: „Die erstattungsfähigen Kosten umfassen den Abtransport und die Entsorgung umgestürzter Bäume auf dem Versicherungsgrundstück einschließlich der Entfernung des Wurzelstocks, soweit eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist sowie der Einebnung des Erdreichs am ehemaligen Standpunkt des Baumes. (...)“.
Folglich wird der zur Auslegung berufene durchschnittliche, verständige VN bei aufmerksamer Durchsicht der Klausel zu dem Ergebnis gelangen, dass sich bei einer Abspaltung eines Baumteils, das umgestürzt und anschließend abgestorben ist, die erstattungsfähigen Aufräumungskosten auf den Baum insgesamt beziehen, wenn infolge des Absterbens oder Umstürzens der noch stehend im Boden verbliebene Teil ebenfalls beseitigt werden muss. Dass hierbei ‒ gerade sturmbedingte ‒ Probleme der Standsicherheit eine Rolle spielen können, liegt ebenfalls in der Natur der Sache. Dies wird von der Klausel bei verständiger Würdigung keineswegs ausgeschlossen. Bei einem um mehrere Tage zeitversetzten Umkippen eines Baumes, der seine Standsicherheit durch einen Sturm verloren hatte, hat die Rechtsprechung dementsprechend auch Versicherungsschutz in der Gebäudeversicherung bejaht, wenn zwischen Kausalereignis und Erfolg keine weitere Ursache tritt und der Sturm die zeitlich letzte Ursache ist.
Ebenfalls hat die Rechtsprechung im Rahmen der „Aufräumungskosten für Bäume“ eine weite Auslegung gewählt und auch Folgekosten bei Grundstücksschäden durch schweres Gerät für ersatzfähig gehalten. Aufgrund des Begriffs der „natürlichen Regeneration“ im zweiten Satz der Klausel sind nach Auffassung des Senats auch keine Teilbetrachtungen dazu veranlasst, ob der „Restbaum“ allein überlebensfähig gewesen wäre, wenn wie hier die Beseitigung ‒ nach Behauptung des VN ‒ aus Gründen der sturmbedingten Standunsicherheit veranlasst war. Eine natürliche Regeneration des gesamten Baums, wie sie die Klausel meint, war nach dem Abspalten des Zwieselteils von vermeintlich 60 Prozent nämlich in jedem Fall ausgeschlossen.
Relevanz für die Praxis
Aufräumkosten für in der Praxis gar nicht so selten vorkommende sturmbedingte Baumschäden müssen gesondert versichert werden. Die VR bieten dazu einzelne Bausteine an.
Zu den hier gesondert versicherten notwendigen Aufräumkosten der durch Sturm abgestorbenen oder umgestürzten Bäume auf dem Versicherungsgrundstück gehören bei natürlicher Betrachtung zu Recht auch die Kosten der Beseitigung der restlichen Teile des beschädigten Baums. Der Beschluss nimmt Bezug auf eine Entscheidung des OLG Hamm VK 18, 22. Danach kann ein versicherter Sturmschaden auch vorliegen, wenn ein Baum erst sechs Tage nach einem Sturm auf das versicherte Gebäude fällt.
Die Zeitverzögerung ist unerheblich, solange der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Schadens ist. Nicht entscheidend ist nach jener Entscheidung, ob die Gegenstände zeitlich unmittelbar durch den Sturm auf das versicherte Gebäude geworfen werden, wenn jedenfalls zwischen dem Kausalereignis „Sturm“ und dem Erfolg „auf das Gebäude geworfen werden“ keine weitere Ursache tritt, also der Sturm die zeitliche Ursache des versicherten Ereignisses ist.
Zutreffend muss bei den erstattungsfähigen Aufräumkosten die Klausel in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Dies entspricht der Entscheidung, dass auch notwendige Folgekosten umfasst werden, wenn durch Einsatz schwerer Maschinen (sog. Harvester) für das Fällen und den Abtransport der sturmgeschädigten Bäume der Rasen beschädigt wird (LG München r+s 17, 640, zu § 2 Abs. 1 b, Abs. 5 VGB 2010).
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