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· Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung

Leistungsausschluss für mitwirkendes Grundwasser erfasst auch sog. Schichtenwasser

von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln

| Ein durchschnittlicher VN wird den Leistungsausschluss für mitwirkendes „Grundwasser“ in § 3 Nr. 4 Buchst. a), dd) VGB 2011 dahin verstehen, dass davon auch sogenanntes „Schichtenwasser“ (durch eine wasserstauende Schicht am Versickern gehindertes, vom Hauptgrundwasser unabhängiges Wasser) umfasst ist. So entschied es das OLG Hamm. |

 

Sachverhalt

Der VN hatte beim VR eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen, der die VGB 2011 zugrunde liegen. In § 3 Nr. 4 VGB 2011 heißt es:

 

  • „4. nicht versicherte Schäden
  • a) Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch
  • […]
  • dd) Grundwasser, stehendes oder fließendes Gewässer, Überschwemmung oder Witterungsniederschläge oder einen durch diese Ursachen hervor-gerufenen Rückstau;
  • […]“
 

Der VN verlangt Entschädigung, weil im Dezember 2015 Schmutzwasser aus einem vor dem Haus befindlichen Schacht über ein verbundenes Rohrsystem in einen Kellerraum gelangt war. Dort war ein Schaden entstanden. Das LG wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg (9.10.19, 20 U 80/18, Abruf-Nr. 213668). Dem VN steht gegen den VR wegen des Wasserschadens kein Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu.

 

Allerdings liegt ein versicherter Nässeschaden im Sinne von § 3 Nr. 3 VGB 2011 vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass Wasser aus dem vor dem Haus befindlichen Schacht Nr. 4 (fäkalienfreies Schmutzwasser) wegen eines Ausfalls der dort befindlichen Pumpe über ein mit dem Schacht verbundenes Leitungssystem in den Keller zurückgedrückt wurde. Es trat dann aus dem im Hobbyraum befindlichen Rohrstutzen aus. Damit ist es aus Einrichtungen, die mit Rohren der Wasserversorgung ‒ hier aus einem Ableitungsrohr ‒ verbunden sind, ausgetreten.

 

Der VR ist jedoch leistungsfrei, weil der Leistungsausschluss gemäß § 3 Nr. 4 Buchst. a) aa), dd) VGB 2011 eingreift. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass es sich bei dem in den Keller des Hauses gelangten Wasser zumindest auch um Grundwasser im Sinne dieser Klausel handelte.

 

Es ist nicht ausschließlich (fäkalienfreies) Schmutzwasser, sondern auch im Erdreich vorhandenes Wasser in den Keller des Hauses geflossen. Der Sachverständige hat dies überzeugend begründet. Eine solche Menge an Wasser, die erhebliche Teile des Kellers in einer Höhe von mindestens einem Zentimeter bedecken konnte, kann bei gewöhnlicher Nutzung nicht innerhalb kurzer Zeit an den im Keller vorhandenen Stellen, die in den Schacht Nr. 4 ableiten, entnommen worden sein.

 

Der VN kann dagegen auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es keine sichere Kenntnis hinsichtlich der genauen Größe der unter Wasser stehenden Kellerfläche und der genauen Höhe des darauf stehenden Wassers gebe. Zum einen hat der VN selbst vorgetragen, dass das Wasser ‒ zumindest stellenweise ‒ rund 4-5 cm hoch stand. Angesichts dessen ist die vom Sachverständigen zugrunde gelegte Höhe von 1 cm sehr zurückhaltend. Zum anderen hat der Sachverständige bei seiner Anhörung überzeugend angegeben, dass dann, wenn das Wasser tatsächlich nur aus Verbrauchsstellen im Keller gestammt hätte, nach und nach der Schacht Nr. 4 und anschließend das davor liegende Rohrsystem vollgelaufen wäre. Als Folge wäre es im Keller nicht schlagartig zum Austreten einer größeren Menge an Wasser gekommen. Vielmehr wäre irgendwann das verbrauchte Wasser schlicht nicht mehr abgelaufen. Der Senat hält es deshalb für ausgeschlossen, dass das Wasser beispielsweise aus mehreren Duschvorgängen oder Ähnlichem stammte. Dann hätte es sich frühzeitig bemerkbar gemacht, dass kein Wasser mehr abgelaufen wäre.

 

Angesichts dessen teilt der Senat die Überzeugung des Sachverständigen, dass es zu einem kurzfristigen Eintritt einer größeren Menge an Wasser nur dadurch gekommen sein kann, dass Wasser aus dem Erdreich in den Schacht eintrat. Nach dem Ergänzungsgutachten steht fest, dass der Schacht auch ‒ wenn nicht planmäßig, dann zumindest aufgrund einer Undichtigkeit ‒ einen entsprechenden Kontakt zum ihn umgebenden Erdreich hatte. Entsprechend konnte Wasser von außen eindringen.

 

Auf den Einwand des VN, im Bereich des Hauses sei der Grundwasserstand im Zeitpunkt des Wasserschadens so niedrig gewesen, dass deshalb eine Mitverantwortlichkeit von Grundwasser ausscheide, kommt es nicht an. Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung überzeugend ausgeführt, dass dies an der grundlegenden Feststellung, dass von außen aus dem Erdreich eindringendes Wasser mitursächlich geworden sein muss, nichts ändere. Wenn es sich nicht um Grundwasser im engeren Sinne gehandelt habe, müsse sogenanntes Schichtenwasser eingedrungen sein. Dabei handele es sich um durch eine wasserstauende Schicht am Versickern gehindertes, vom Hauptgrundwasser unabhängiges Wasser. Solches Schichtenwasser ist entgegen der Auffassung des VN vom Leistungsausschluss umfasst.

 

  • Bei Risikoausschlussklauseln geht das Interesse des VN in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche VN muss nicht damit rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der gebotenen engen Auslegung wird ein durchschnittlicher VN den Ausschluss für mitwirkendes „Grundwasser“ dahingehend verstehen, dass davon auch sogenanntes „Schichtenwasser“ umfasst ist.

 

  • Die Unterscheidung zwischen „Grundwasser“ und „Schichtenwasser“ ist zwar in bestimmten Fachkreisen von Bedeutung. Darauf kommt es aber hier nicht an. Denn AVB sind aus sich heraus zu interpretieren.

 

    • Bei der Auslegung wird der durchschnittliche VN zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen. Dabei ist für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgeblich und nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die AVB einen Ausdruck verwenden, mit dem die Rechtssprache einen fest umrissenen Begriff verbindet. Im Zweifel ist anzunehmen, dass AVB den fest umrissenen Begriff der Rechtssprache meinen. Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall, da es sich bei „Grundwasser“ nicht um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache handelt.

 

    • Der durchschnittliche VN wird daher dem Ausschluss für „Grundwasser“ ausgehend vom Sprachgebrauch des täglichen Lebens entnehmen, dass der VR nicht für Schäden haften will, die (auch) durch Wasser entstehen, welches natürlicherweise im Erdreich vorhanden ist.

 

    • Bei „Schichtenwasser“ handelt es sich ebenso wie bei dem „Hauptgrundwasser“ um im Erdreich gestautes Wasser aufgrund vorangegangener Niederschläge. Der Unterschied besteht lediglich darin, in welcher Tiefe das Wasser auf eine wasserundurchlässige Schicht trifft und nicht mehr weiter versickern kann. Für einen durchschnittlichen VN erkennbar kann die ‒ zufällige ‒ Frage, ob das im Erdreich vorhandene Wasser auf der Ebene des Hauptgrundwassers oder oberhalb einer höheren undurchlässigen Ebene als „Schichtenwasser“ gestaut wird, für das Eingreifen des Leistungsausschlusses keine Rolle spielen.

 

    • Tragender und für einen durchschnittlichen VN erkennbarer Grund für den Leistungsausschluss ist, dass der VR nur im Rahmen einer erweiterten Elementarschadenversicherung für die Folgen von Natureinwirkungen einstehen will, die menschlich nicht beherrschbar sind. Das aber trifft sowohl auf Grundwasser im engeren Sinne als auch auf Schichtenwasser zu. Darauf, ob neben dem Grundwasser auch (fäkalienfreies) Schmutzwasser in den Keller zurückgedrückt wurde, kommt es nicht an. Denn nach dem klaren Wortlaut von § 3 Nr. 4 a) dd) VGB 2011 genügt für das Eingreifen des Leistungsausschlusses eine Mitursächlichkeit des Grundwassers.

 

Relevanz für die Praxis

Zum Thema eindringendes Grundwasser und Mitursächlichkeit gibt es weitere Rechtsprechung. Die folgende Rechtsprechungsübersicht gibt einen Überblick.

 

  • Rechtsprechungsübersicht

Eindringendes Grundwasser

 

  • Die bloße Überflutung eines Kellers mit eindringendem Grundwasser, das nicht (auch) auf das sonstige Geländeniveau angestiegen und ausgetreten ist, stellt keine nach § 3 Nr. 1 BWE 2008 versicherte Überschwemmung dar (LG Berlin r+s 20, 25).

 

  • Eine bedingungsgemäße Überflutung liegt nicht vor, wenn nur in den Keller des versicherten Gebäudes Grundwasser eingedrungen ist. Vielmehr muss sich das schadenstiftende Wasser infolge der Ausuferung von oberirdischen Gewässern, von Witterungsniederschlägen oder Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche außerhalb des Gebäudes, nämlich auf dem das Gebäude umgebenden „Grund und Boden“, auf dem das Gebäude liegt, angesammelt haben. Es genügt nicht, dass Wasser ohne solche Ansammlung außerhalb des Grundstücks in ein Gebäude hineingeflossen oder hineingedrückt worden ist (KG r+s 19, 707).

 

Mitursächlichkeit genügt

 

  • Tritt Wasser aus den Bodenabläufen des Kellergeschosses sowie aus undichten Rohrverbindungen aus und besteht kein Hinweis darauf, dass der Schaden durch Außenfeuchte entstanden sein könnte, liegt ein im Rahmen der Gebäudeversicherung gemäß § 4 Nr. 1, 1 Nr. 1 Buchst. b VGB 62, bzw. im Rahmen der Hausratversicherung gemäß § 7 Nr. 1, 3 Nr. 4 VHB 84 versicherter Leitungswasserschaden vor (OLG Köln r+s 06, 376).

 

  • Der Ausschlussgrund „Hochwasser oder Witterungsniederschläge oder durch den in diesen Fällen verursachten Rückstau“ ist bereits dann gegeben, wenn Niederschlagswasser durch technische Fehler und Mängel aller Art bestimmungswidrig in Leitungen eindringt und aus diesen schadensstiftend austritt. Dabei ist es unerheblich, ob sich das Niederschlagswasser zuvor mit Leitungswasser vermischt hat, soweit die Schäden nur durch das Niederschlagswasser (mit-)verursacht worden sind (OLG Köln r+s 06, 376; dazu auch OLG Saarbrücken r+s 97, 32).
 

Weiterführende Hinweise

  • Zum Leistungsausschluss Rückstau: KG VK 17, 25
  • Kein versicherter Leitungswasserschaden, wenn Wasser aus einem Fallrohr den Keller überflutet; OLG Hamm VK 17, 118
  • Kein Versicherungsschutz für ein unterhalb der Bodenplatte befindliches Abwasserrohr: OLG Hamm VK 19, 206
Quelle: Seite 26 | ID 46320227