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· Fachbeitrag · Zeugnisrecht

Arbeitszeugnis: Ewiger Streit um Inhalt und Form

von Ass. jur. Petra Wronewitz, Bonn

| Ein ArbN und ein ArbG einigten sich vor dem Arbeitsgericht Hamm (28.10.15, 3 Ca 1338/15) in einem Vergleich, dass der ArbN einen Zeugnisentwurf schreibt, von dem der ArbG nur aus wichtigem Grund abweichen durfte. Daraufhin übermittelte der ArbN seinem ehemaligen ArbG einen Entwurf. An diesen hielt sich der ArbG nicht in allen Punkten, sondern wich in seiner Beurteilung ab. Geht das? |

 

  • Ausgangsfall: ArbG weicht von Formulierungsvorschlag ab

Entwurf des ArbN

Formulierung des ArbG

stets sicher und

zu jeder Zeit sicher und

seiner sehr guten Auffassungsgabe

seiner extrem guten Auffassungsgabe

war Herr F immer

war Herr F selbstverständlich immer

Aufgaben mit beispielhaftem Engagement

Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement

auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse

auf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse

seine sehr gut entwickelte Fähigkeit

seine extrem gut entwickelte Fähigkeit

haben sich erfreulich entwickelt

haben sich äußerst erfreulich entwickelt

Herr F stets ein kompetenter

Herr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter

bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnet

bei wechselnden Anforderungen immer hervorragend

Wir bewerten ihn mit „sehr gut“.

Wenn es bessere Noten als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.

Wegen seines freundlichen

Wegen seines extrem freundlichen

und Kunden war immer vorbildlich

und Kunden war zu jeder Zeit vorbildlich

für die stets sehr gute Zusammenarbeit

für die stets hervorragende Zusammenarbeit

„Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.7.15 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern.“

„Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.7.15 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen.“

 

Letztlich hatte das Zeugnis einen ironischen Unterton, der erkennen ließ, dass genau die gegenteilige Beurteilung gemeint war. Deshalb missfiel dem ArbN das Zeugnis. Er war der Ansicht, dass der ArbG seiner Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses nicht genügt habe. Mit seinem Antrag wollte er ein Zwangsgeld gegen seinen ehemaligen ArbG festsetzen lassen.

 

Das Gericht gab dem Antrag statt. Der ArbG wehrte sich dagegen. Seiner Ansicht nach beschränkten sich die Abweichungen lediglich auf eine alternative Wortwahl ohne Auswirkung auf den Gesamteindruck und die -bewertung der Arbeitsleistung. Zudem müsse das Zeugnis der Wahrheit entsprechen. Er bedauere das Verlassen des Betriebs durch den ArbN nicht und habe deshalb die Schlussformel geändert. Damit konnte er das Gericht nicht überzeugen.

 

Das LAG Hamm entschied am 14.11.16 (12 Ta 475/16, Abruf-Nr. 190329), dass die Beschwerde unbegründet ist. Im Vergleich, der den Streit beilegen sollte, haben die beiden Parteien vereinbart, dass die Formulierungshoheit über das Zeugnis in diesem Fall der ArbN trägt, weil er ein Vorschlagsrecht hat. Davon darf der ArbG nur aus wichtigem Grund abweichen.

1. Zeugnisformulierungen - es geht auch feinfühliger

In diesem Fall ist der ArbG plump vorgegangen. Mittlerweile sind die ArbN durch das Internet gut informiert, welche Beurteilung den einzelnen Formulierungen zugrunde liegt. Es gibt einige Hinweise, die auf eine negative Beurteilung schließen lassen. Zum Beispiel, wenn

  • die Reihenfolge von Aufzählungen merkwürdig erscheint. Beispiel: „.. verhielt sich stets korrekt gegenüber Kollegen und Vorgesetzten“. Richtig wäre es hier, die Vorgesetzten zuerst zu nennen. Wenn das nicht der Fall ist, deutet es auf unkorrektes Verhalten hin.

 

  • beurteilungsrelevante Bereiche/Eigenschaften weggelassen werden. Beispiel: Kreativität wird bei einem Konditormeister nicht erwähnt. Das weist gerade auf mangelnde Kreativität hin.

 

  • positive Aussagen ohne plausiblen Grund auf bestimmte Aufgaben oder Zeiträume beschränkt werden. Beispiel: „ Herr … arbeitete im letzten halben Jahr seiner Beschäftigung sehr sorgfältig.“ Das lässt ahnen, dass es ansonsten an der Sorgfalt eher fehlte.

 

  • das Zeugnis überwiegend im Passiv formuliert ist. Beispiel: „… wurde beschäftigt“ oder „ … die Aufgaben wurden ihm übertragen“. Das deutet auf mangelnde Eigeninitiative hin.

 

  • doppelte Verneinungen oder einfache Verneinungen im Zeugnis vorkommen. Beispiel: „nicht unbedeutendes Arbeitspensum“ oder „ …gab keinen Anlass zu Beanstandungen.“ Für Lob gab es aber anscheinend auch keinen Grund.

 

Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zum Thema Zeugnis

LAG Hamm

27.7.2016, 4 Ta 118/16,Abruf-Nr. 188209

Form der Unterschrift

Es ist möglich, in einem Vergleich bestimmte Vorgaben an ein zu erteilendes Arbeitszeugnis festzulegen. Die Erfüllung dieser Vorgaben kann im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

 

Die Erteilung eines Arbeitszeugnisses unterliegt der gesetzlichen Schriftform. Die Unterschrift muss in der Weise erfolgen, wie der Unterzeichner auch sonst wichtige betriebliche Dokumente unterzeichnet. Weicht der Namenszug hiervon ab, liegt lediglich ein Handzeichen vor, das nach § 126 Abs. 1 BGB der notariellen Beglaubigung oder nach § 129 Abs. 2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf.

 

Eine quer zum Zeugnistext verlaufende Unterschrift begründet regelmäßig Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und verstößt damit gegen § 109 Abs. 2 S. 2 GewO.

LAG Schleswig-Holstein

23.5.16, 1 Ta 68/16,

Abruf-Nr. 188171

Unterschrift des Personalleiters

Auch in Kleinbetrieben reicht die Unterschrift des Personalleiters anstelle des ArbG auf dem Arbeitszeugnis aus. Das gilt selbst, wenn der ArbG persönlich zur Zeugniserteilung verurteilt worden ist.

ArbG Dortmund

16.6.15, 7 Ca 2708/14,

Abruf-Nr. 145562

Anspruch auf bestimmte Formulierung

Der ArbG legt den Inhalt und Wortlaut eines Zeugnisses fest. Der ArbN hat keinen Anspruch auf bestimmte Zeugnisformulierungen. Legt er Wert auf eine überdurchschnittliche Bewertung, muss er konkrete Anhaltspunkte für eine bessere Bewertung darlegen.

BAG

18.11.14, 9 AZR 584/13Abruf-Nr. 143640

Beweislast bei der Leistungsbeurteilung

Bescheinigt der ArbG dem ArbN, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Möchte der ArbN eine bessere Beurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.

LAG Hessen

21.10.14, 12 Ta 375/14,

Abruf-Nr. 178285

Keine Rechtschreibfehler

An Arbeitszeugnisse sind allgemeine Anforderungen zu stellen. Sind diese nicht erfüllt, kann der ArbN ein neues, den Anforderungen entsprechendes Zeugnis fordern.

ArbG Kiel

18.4.13, 5 Ca 80b/13,

Abruf-Nr. 191356

Trauriger Smiley

Das Arbeitsgericht Kiel entschied, dass ein trauriger Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln neben der Unterschrift des ArbG unter einem qualifizierten Zeugnis eine negative Aussage über den ArbN enthält.

LAG Köln

6.12.12, 7 Sa 583/12,Abruf-Nr. 142092

Freistellung als Betriebsratsmitglied

Eine langjährige Freistellung als Betriebsratsmitglied darf grundsätzlich im Arbeitszeugnis erwähnt werden.

 

2. Vorgehen in der Praxis

Aufseiten des ArbG und des ArbN sollte zunächst vor der gerichtlichen Auseinandersetzung Klarheit über die standardmäßigen Formulierungen und die Relevanz des Abschlussarbeitszeugnisses herrschen. Dieses ist weder als „späte Rache“ für etwaiges erlittenes Ungemach auf beiden Seiten, noch als überschwängliches Nachlob misszuverstehen. Grundsätzlich gilt, dass die korrekte äußere (Schrift-)form einzuhalten ist und der ArbG zumindest eine „durchschnittliche“ (befriedigende) Leistung bescheinigen sollte.

 

Weiterführende Hinweise

  • Kein Anspruch auf Wunschzeugnis: Arbeitsgericht Dortmund in AA 15, 190
  • Aktuelles zur Darlegungs- und Beweislast bei der Zeugnisberichtigung: Rudolf in AA 15, 33
Quelle: Seite 31 | ID 44474847