· Fachbeitrag · ZGA
Gesamtschuldnerausgleich und Zugewinn
von VRiOLG i.R. und RA Dieter Büte, Bad Bodenteich/Hamburg
| In der Praxis kommt es häufig vor, dass die späteren Ehegatten vor der Eheschließung gesamtschuldnerisch einen Kredit für den Erwerb eines Hauses aufnehmen, das von einem Ehegatten zu Alleineigentum erworben wird. Bei der Scheidung ist fraglich, wie diese Darlehensverbindlichkeit bei den Ehegatten im ZGA zu beachten ist. Dies hat nun der BGH entschieden. |
Sachverhalt
Die am 26.8.03 geschlossene Ehe der Beteiligten, die schon vor der Ehe zusammengelebt und einen 1995 geborenen Sohn S haben, ist auf den am 17.9.11 zugestellten Antrag im Mai 12 geschieden worden. 2002 erwarb die Antragsgegnerin F ein als Familienheim dienendes Hausgrundstück. Der Kaufpreis wurde überwiegend durch Darlehen finanziert, für das die Beteiligten gesamtschuldnerisch hafteten, wobei der Antragsteller (Ehemann, M) den überwiegenden Anteil übernahm oder sogar vollständig zahlte. Einzelne Darlehen wurden 2005 umgeschuldet und von der F allein übernommen. Vor Zustellung des Scheidungsantrags wurde der M auch hinsichtlich der weiteren Darlehensverbindlichkeiten aus der Mithaftung entlassen. Die F hat das Haus an den M vermietet, der es mit dem S bewohnt.
Das AG hat den Antrag des M auf Zahlung von ZGA abgewiesen, das OLG (FamRZ 18, 1737) hat ihm auf die Beschwerde einen Betrag zuerkannt. Der BGH hat ihm noch mehr zugesprochen.
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Entscheidungsgründe
Der Ehemann hat gem. § 1378 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf ZGA i. H. v. 4.974,18 EUR. Die Tilgung einer Gesamtschuld durch einen haftenden Ehegatten bewirkt bei richtiger Anwendung keine Verfälschung des Ergebnisses des ZGA. Bei Zustellung des Scheidungsantrags noch nicht getilgte gemeinsame Verbindlichkeiten sind bei beiden Ehegatten im Endvermögen (EV) in voller Höhe als Passivposten einzustellen. Soweit der Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten durchsetzbar ist ‒ eine Befriedigung wird nicht vorausgesetzt ‒, ist dieser als Aktivposten einzustellen. Das bedeutet, dass bei gesamtschuldnerisch haftenden Ehegatten die gemeinsamen Verbindlichkeiten im jeweiligen EV nur mit der Quote angesetzt werden können, die im Innenverhältnis auf sie entfällt (BGH FamRZ 11, 25; 15, 1272). Insoweit gilt § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Dabei kann sich eine abweichende Bestimmung aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGH FamRZ 11, 25; 15, 1272).
Wegen der rechtlichen und wirtschaftlichen Verknüpfung der gesamtschuldnerischen Darlehensaufnahme mit dem Erwerb des Eigentums an der Immobilie ist für das AV und EV eine einheitliche Bewertung vorzunehmen. Bei Alleineigentum eines Ehegatten ist in dessen Vermögen der Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten einzustellen (so auch Schulz, FamRZ19, 1762 f.). Hinsichtlich der von den Ehegatten im Innenverhältnis zu tragenden Quoten ist schon bisher auf das Eigentum an dem finanzierten Grundstück abgestellt worden, sofern sich nicht aus einer Vereinbarung oder besonderen Umständen des Falles etwas anderes ergibt (BGH FamRZ 15, 1272; 11, 25).
Hier ist keine von der Eigentümerstellung abweichende vermögensrechtliche Zuordnung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit im Innenverhältnis der Ehegatten geboten. Eine familienrechtliche Überlagerung, die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt (vgl. dazu BGH FamRZ 11, 25),betrifft die während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft fälligen Darlehensraten und damit die Frage eines möglichen Ausgleichs für die von einem Ehegatten geleisteten Zahlungen. Dabei erlauben die tatsächlichen Zahlungen keinen Rückschluss auf eine im Innenverhältnis zu tragende Quote, zumal ein Ausgleich auch ausgeschlossen ist, wenn die Zahlungen über die im Innenverhältnis obliegende Quote hinausgegangen ist.
Eine Überlagerung kommt nur in Betracht, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft und die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen konkrete Auswirkungen auf die zu zahlenden Raten haben. Das ist nicht der Fall.
In der Leistung von Darlehensraten liegt i. d. R. ein nicht rückforderbarer Beitrag zum Familienunterhalt, § 1360b BGB. Soweit es sich hinsichtlich der Tilgungsanteile um eine im Rahmen des Unterhalts nicht geschuldete Vermögensbildung handeln sollte, handelt es sich um in der ehelichen Lebensgemeinschaft wurzelnde Leistungen, die sich beim gesetzlichen Güterstand als ehebezogene Zuwendungen i. d. R. nur im ZGA auswirken (BGH FamRZ 91, 1170) und einen gesonderten Ausgleich ausschließen.
Letztendlich kommt es bei der Ermittlung des AV auf das von den nicht verheirateten Beteiligten begründete Innenverhältnis an (Schulz, FamRZ 19, 1761, 1762).
Der Umstand, dass nur beide Ehegatten zusammen in der Lage waren, die Kreditraten zu tragen, besagt nicht, dass sie im Innenverhältnis entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit haften, zumal mittels der Kredite Immobilienvermögen nur bei der F gebildet worden ist. Durch die Übernahme der Kredite nach der Trennung ergibt sich kein ZGA des M (OLG Bamberg FamRZ 13, 1129, 1130).
Hingegen handelt es sich bei der durch Verminderung der Darlehensvaluta um einen auszugleichenden Zugewinn, wobei es angesichts der schematischen Berechnung des Zugewinns (BGH FamRZ 14, 24) unerheblich ist, welcher Ehegatte die Tilgungsleistungen erbracht hat.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung schafft Rechtsklarheit für in der Praxis häufige Fälle zur Bewertung im ZGA von vorehelich gesamtschuldnerisch aufgenommenen Krediten für eine nur von einem Ehegatten erworbene Immobilie und hält für die nach einheitlichen Grundsätzen vorzunehmende Bewertung im AV und EV mit überzeugender Begründung am Stichtagsprinzip fest. Insbesondere fließen zeitlich dem Stichtag für das AV nachfolgende Entwicklungen nicht in die Bewertung ein.
Mit überzeugender Begründung verneint der BGH auch eine familienrechtliche Überlagerung (vgl. dazu auch Szalai, NZFam 18, 761 ff.).
Zahlt nur ein Ehegatte die Raten für einen gesamtschuldnerisch aufgenommenen Kredit bis zum Scheitern der Ehe, das i. d. R. in der Trennung der Eheleute gesehen wird (BGH FamRZ 07, 877), sind Ausgleichsansprüche wegen der familienrechtlichen Überlagerung des Gesamtschuldverhältnisses regelmäßig ausgeschlossen (BGH FamRZ 11, 25; 11, 622). Ausnahme: Ein Ehegatte hat keine gleichwertigen Leistungen zur gemeinsamen Lebensführung erbracht, so wenn ein Ehegatte abredewidrig nichts zum Unterhalt der Familie beigetragen hat (§§ 1360, 1360a BGB) und der andere nicht nur die Schulden bezahlt hat, sondern auch für den gesamten Unterhalt aufgekommen ist (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 7. Aufl., Rn. 367 ff.). So hat der BGH einen Schuldenausgleich für gerechtfertigt gehalten, nachdem die Ehefrau auf Drängen der Bank einen Kredit i. H. v. 175.000 EUR kurz vor der Trennung zurückgezahlt hat, weil dieser Leistung kein gleichwertiger Beitrag des Ehemannes mehr gegenüberstand (FamRZ 88, 264). Das Gesamtschuldverhältnis war wegen der kurz nach der Tilgung erfolgten Trennung nicht mehr „von der ehelichen Lebensgemeinschaft“ überlagert. Erfolgt also die Rückführung eines Kredits durch eine höhere Einmalzahlung in zeitlicher Nähe zur Trennung, sollte ein Ausgleichsanspruch geprüft werden.
Weiterführende Hinweise
- BGHZ 87, 265 = FamRZ 983, 795, die vorliegende Entscheidung führt diese Rechtsprechung fort
- BGH FamRZ 15, 1272, die vorliegende Entscheidung führt diese Rechtsprechung fort