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· Fachbeitrag · Elternunterhalt

Bedarf des Elternteils richtig ermitteln

von RAin Thurid Neumann, Konstanz

| Die Bedarfsermittlung beim Elternunterhalt bereitet oft Schwierigkeiten. Insbesondere wenn es um die Frage der Notwendigkeit von Kosten geht, wird hart gestritten. Der folgende Beitrag zeigt, worauf man bei der Bedarfsberechnung achten muss. |

1. Grundsatz

Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Bedarf eines Elternteils und damit das Maß des ihm geschuldeten Unterhalts nach dessen eigenständiger Lebensstellung. Diese wiederum richtet sich vor allem nach den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhalt begehrenden Elternteils, wobei auch die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt werden müssen (Brudermüller, NJW 04, 633). Maßgebend sind also nicht die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltsverpflichteten.

 

Nachteilige Veränderungen der Einkommensverhältnisse, z.B. nach Eintritt in den Ruhestand, haben auch eine Veränderung der Lebensstellung des Elternteils zur Folge. Der Elternteil kann also von seinen Kindern nicht Unterhalt nach seiner früheren Lebensstellung verlangen, sondern nur Unterhalt entsprechend seines geänderten aktuellen Lebensstandards (BGH FamRZ 03, 860).

2. Bedürftigkeit

Nicht immer reichen jedoch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Elternteils aus, um dessen Bedarf zu bestimmen. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Elternteil im eigenen Haushalt lebt oder in einem Heim untergebracht ist.

 

a) Leben im eigenen Haushalt

Lebt ein Elternteil im eigenen Haushalt, muss auch bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen eines Elternteils dessen Existenzminimum gesichert sein. Die Rechtsprechung zieht daher bei der Bemessung des Unterhalts als Untergrenze die in den Unterhaltstabellen enthaltenen, am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichteten Eigenbedarfssätze eines unterhaltspflichtigen Ehegatten heran (BGH FamRZ 03, 860; 06, 57). Zurzeit sind dies nach der Düsseldorfer Tabelle Anmerkung B V 800 EUR monatlich zzgl. eventueller Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung.

 

b) Leben im Heim

Lebt ein Elternteil in einem Heim, bestimmt sich sein Unterhaltsbedarf nach den Kosten für die Heimunterbringung, soweit diese notwendig sind (BGH FamRZ 03, 203; 02, 1698).

 

  • Bestreitet der Unterhaltsverpflichtete die Notwendigkeit der Kosten, muss er dies substanziiert tun (BGH, a.a.O.).

 

  • Der Unterhalt begehrende Elternteil muss dann die Notwendigkeit der Kosten darlegen und beweisen, da er auch die Darlegungs- und Beweislast für den angemessenen Lebensbedarf nach § 1610 Abs. 1 BGB hat.

 

Dies gilt auch, wenn der Sozialhilfeträger, auf den der Anspruch übergegangen ist, die Kosten für die Heimunterbringung, die nicht vom Einkommen des Elternteils gedeckt sind, vom Kind fordert. Denn die Tatsache, dass der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht gemäß § 94 SBG XII geltend macht, ändert nichts an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

 

Dabei ist zu beachten, dass aus der sozialhilferechtlichen Anerkennung der Kosten unterhaltsrechtlich nicht zwingend auf deren Notwendigkeit geschlossen werden kann. Der BGH (FamRZ 03, 203) führt hierzu Folgendes aus:

 

  • Aussage des BGH zur Notwendigkeit im Rahmen des Unterhaltsrechts

Wegen der bestehenden Bandbreite von der Sozialhilfe anerkannter Pflegekosten und Kosten der Unterkunft und Verpflegung (sogenannte Hotelkosten) sowie der unterschiedlichen Investitionskosten können sozialrechtlich und unterhaltsrechtlich anzuerkennende Kosten vielmehr voneinander abweichen.

 

Bei der Beurteilung, ob die Kosten notwendig sind, kommt es darauf an, ob diese im Hinblick auf die aktuelle Lebensstellung des Elternteils angemessen i.S. des § 1610 Abs. 1 BGB sind. Ist der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig, bestimmt sich sein angemessener Lebensbedarf gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach dem Existenzminimum und zwar auch, wenn er früher einen höheren Lebensstandard hatte. In diesem Fall ist dann nur eine dem Elternteil zumutbare und kostengünstige Heimunterbringung angemessen.

 

PRAXISHINWEIS | Darauf, ob den Elternteil oder den Sozialhilfeträger bei der Auswahl des Heims ein „Auswahlverschulden“ trifft, kommt es also nicht an, da ausschließlich auf die Notwendigkeit der Kosten abzustellen ist. Auch führt die Tatsache, dass sich das auf Unterhalt in Anspruch genommene Kind nicht an der Suche nach einem Heimplatz beteiligt hat, nicht zur Verpflichtung, eventuell überhöhte Kosten zu tragen.

 

Weiterführende Hinweise

  • Zur Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt, Neumann, SR 14, 6
  • Zum Sozialhilferegress, Gottwald, Verteidigungsstrategien des Beschenkten, SR 13, 26
Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 116 | ID 42767095