Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Elternunterhalt

Grundsätze zur Berechnung des Elternunterhalts

von RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Konstanz

| Eltern schulden nach dem Gesetz nicht nur ihren Kindern Unterhalt, ­sondern Kinder müssen unter Umständen auch für den Unterhalt ihrer ­Eltern aufkommen. Wann dies der Fall ist und nach welchem Schema der Anspruch geprüft wird, zeigt der folgende Beitrag. |

1. Anspruchsgrundlage

In § 1601 BGB ist geregelt, dass Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren, also alle in gerader ab- und aufsteigender Linie miteinander Verwandte ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft (Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 1601 Rn. 2).

2. Bedarf

Gemäß § 1610 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen.

 

a) Eltern mit eigenem Hausstand

Haben die Eltern einen eigenen Hausstand, bestimmt sich deren Bedarf nach deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Nachteilige Veränderungen der Einkommensverhältnisse, die vor allem mit dem Eintritt in den Ruhestand verbunden sind, haben ebenfalls Einfluss auf den Bedarf, sodass die Eltern nicht Unterhalt entsprechend ihrem früheren Lebensstandard verlangen können. Die Untergrenze bildet jedoch das Existenzminimum. Dieses beträgt laut Düsseldorfer Tabelle Anmerkung B V aktuell 800 EUR. Nicht enthalten sind darin Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung (BGH FamRZ 03, 860). Hinzu kann ein sogenannter Mehrbedarf kommen, der über den „Normalbedarf“ für Wohnen, Essen, Kleidung, Hygiene etc. hinausgeht.

  • Beispiel

Mehrkosten wegen im Rahmen einer Diät speziell zu kaufender Produkte, Kosten für eine Pflegeperson, Kosten für speziellen Pflegebedarf, Mehrkosten wegen ­regelmäßiger Fahrten zum Arzt etc. (Palandt, a.a.O., § 1601 Rn. 7)

 

b) Eltern mit Heimunterbringung

Leben die Eltern in einem Heim, wird deren Bedarf nach

  • den Heim- und / oder Pflegekosten und
  • einem Bar- und Zusatzbetrag gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 BSHG i.V. mit § 35 SGB XII zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse (z.B. für Zeitschriften, ­Kosmetika etc.) bestimmt (BGH FamRZ 10, 1535).

 

Allerdings müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, denn die Kosten stellen nur Bedarf dar, wenn sie angemessen und notwendig sind.

 

aa) Angemessenheit

Das Pflegeheim darf nicht nach den Verhältnissen der Eltern unangemessen teuer sein (OLG Düsseldorf FamRZ 11, 982). Dabei ist zu überprüfen, ob es

  • konkrete zumutbare Wahlmöglichkeiten gab und
  • ob es einen wesentlichen Unterschied bei den Heimkosten gibt.

 

bb) Notwendigkeit

Die Unterbringung in einem Heim muss notwendig sein, weil die Versorgung der Eltern in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr sichergestellt ist.

 

PRAXISHINEIS | Die Nichtgewährung von Pflegegeld ist ein Indiz dafür, dass ­eine Heimunterbringung nicht notwendig ist (OLG Brandenburg FamRZ 10, 991).

 

3. Bedürftigkeit

Gemäß § 1602 BGB ist unterhaltsberechtigt, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (Bedürftigkeit). Können die Eltern ihren Bedarf mit eigenen Einkünften wie z.B. Rente, anderen Einkünften, Pflegegeld oder Vermögen selbst decken, sind sie nicht bedürftig. Bei der Grundsicherung ist zu unterscheiden:

 

  • Beantragen die Eltern Grundsicherung gemäß § 41 Abs. 2 SGB VII, geht der Unterhaltsanspruch gegen das Kind auf den Sozialträger nur über, wenn das jährliche Gesamteinkommen des Kinds über 100.000 EUR liegt, da in solchen Fällen die Leistungen aus der Grundsicherung subsidiär sind.

 

  • Beantragen die Eltern keine Grundsicherung, kann das Kind den Elternteil - wenn sein jährliches Gesamteinkommen nicht über 100.000 EUR liegt - auf die vorrangige Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen, da in ­solchen Fällen die Grundsicherungsleistungen nicht subsidiär sind (BGH FamRZ 07, 1158). Wird der Antrag abgelehnt, muss der Elternteil bei ausreichender Erfolgsaussicht sogar Widerspruch einlegen oder Klage erheben. Andernfalls können ihm fiktive Einkünfte angerechnet werden (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 8. Aufl., § 2 Rn. 904).Erbringt das Kind Unterhaltszahlungen, obwohl sein jährliches Gesamteinkommen unter 100.000 EUR liegt, werden diese als Einkommen des Elternteils behandelt (BGH, a.a.O.).

 

Vermögen ist grundsätzlich zu verwerten, es sei denn, es ist nicht möglich oder unwirtschaftlich (Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rn. 921).

  • Beispiele für unmögliche oder unwirtschaftliche Verwertung

Der Ehegatte, dem ein Miteigentumsanteil an der Immobilie zusteht, stimmt der Veräußerung nicht zu oder aufgrund der aktuellen Marktsituation ist eine Veräußerung nur zu einem Bruchteil des tatsächlichen Werts möglich.

 

Bei einem selbst bewohnten Eigenheim kann dann eine Kreditierung in Frage kommen (BGH FamRZ 06, 935). In Einzelfällen kann eine Verwertung des Vermögens (insbesondere der selbst bewohnten Immobilie) auch unzumutbar sein.

 

  • Beispiel 3

Der Verkauf und der damit verbundene Auszug würden zu einer lebensbedroh­lichen Gesundheitskrise des Elternteils führen (Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rn. 940).

 

Das Schonvermögen richtet sich nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften in § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 Durchführungsverordnung. Danach liegt der aktuelle Betrag bei 2.600 EUR.

4. Leistungsfähigkeit der Kinder

Mehrere Kinder haften grundsätzlich anteilig entsprechend ihren Ein­kommens- und Vermögensverhältnissen. Voraussetzung ist allerdings, dass ­jedes Kind leistungsfähig ist. Nicht leistungsfähig ist gemäß § 1603 BGB, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

 

a) Einkommensermittlung

Heranzuziehen sind sämtliche Einkünfte des Kindes z.B. Einkünfte aus nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit, aus Gewerbebetrieb, aus ­Vermietung und Verpachtung, aus Kapital und sonstige Einkünfte gemäß § 22 EStG (Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 22). Hiervon in Abzug zu bringen sind: ­Steuern, Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Pflege, Alter und Arbeits­losigkeit, berufsbedingte Aufwendungen (diese werden pauschal mit 5 Prozent des Nettoeinkommens in Abzug gebracht, es sei denn, der Unterhaltsverpflichtete weist nach, dass diese tatsächlich höher sind, Düsseldorfer ­Tabelle A Nr. 3). Nicht in Abzug zu bringen sind Aufwendungen für eine Hausrats- und eine private Haftpflichtversicherung, da dies Kosten für den allgemeinen Lebensbedarf sind (BGH FamRZ 10, 1535)

 

  • Beispiel: Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit

Monatlich brutto

5.000,00 EUR

./. Lohnsteuer (Steuerklasse 1/0)

1.130,08 EUR

./. Soli

62,15 EUR

./. Rentenversicherung

472,50 EUR

./. Arbeitslosenversicherung

75,00 EUR

./. Krankenversicherung

322,88 EUR

./. Pflegeversicherung

40,36 EUR

Verbleiben

2.897,03 EUR

 

 

aa) Private Altersvorsorge

Das Kind darf zusätzlich zur gesetzlichen eine private Altersvorsorge ­betreiben und zwar in Höhe von 5 Prozent seines Bruttoeinkommens (BGH FamRZ 10, 1535). Allerdings werden diese Aufwendungen nur vom Ein­kommen in Abzug gebracht, wenn diese auch tatsächlich geleistet werden und auch nur bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze (BGH a.a.O.). Im obigen Beispielsfall wären dies 5 Prozent von 5.000 EUR somit monatlich 250 EUR.

 

bb) Wohnvorteil

Hat das Kind ein Eigenheim, werden die ersparten angemessenen Mietaufwendungen (nicht der objektive Wohnwert) als Einkommen behandelt (BGH FamRZ 03, 1179). Allerdings sind hiervon Finanzierungszinsen, allgemeine Grundstückskosten und -lasten und sonstige verbrauchsunabhängige ­Kosten (z.B. Grundsteuer und Gebäudebrandversicherung) in Abzug zu ­bringen. ­Tilgungszahlungen sind zu berücksichtigen und zwar im Rahmen der ­zusätzlichen privaten Altersvorsorge ( 5 Prozent des Bruttoeinkommens).

 

  • Beispiel: Berechnung des anzurechnenden Wohnwerts

Angemessener Wohnwert im Beispielsfall 1:

900 EUR

./. verbrauchsunabhängige Kosten monatlich insgesamt

80 EUR

./. Zinsen

500 EUR

./. Tilgung: EUR 300,00, jedoch maximal 5 Prozent, also

250 EUR

Verbleiben als anzurechnender Wohnwert

70 EUR

 

 

cc) Vermögensverwertung

Grundsätzlich muss das Kind auch den Stamm seines Vermögens ­verwenden. Allerdings gilt auch hier, dass keine unwirtschaftliche Verwertung verlangt werden kann. Auch kann eine Verwertung aus rechtlichen Gründen unmöglich oder im Einzelfall unzumutbar sein (Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rn. 932). Der BGH (FamRZ 06, 1511) führt zur Vermögensverwertung Folgendes aus: „­Daraus folgt, dass eine Verwertung des Vermögensstamms nicht verlangt werden kann, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden ­Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt. Auch die Verwertung eines ­angemessenen selbst genutzten Immobilienbesitzes kann regelmäßig nicht gefordert ­werden. Allgemein braucht der Unterhaltsschuldner den Stamm seines ­Vermögens auch nicht zu verwerten, wenn dies für ihn mit einem ­wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre.“

 

Dem Kind ist auch ein Schonvermögen zu belassen. Der BGH lehnt aber beim Unterhaltsverpflichteten die Festlegung eines starren Betrags ab und verlangt eine individuelle Bemessung. Zu beachten ist auch, dass ein Zugriff auf ein durch zusätzliche private Altersversorgung gebildetes Vermögen nicht möglich ist (BGH FamRZ 06, 1511): „Ist es dem Schuldner des Anspruchs auf Elternunterhalt aber gestattet, die zur eigenen Alterssicherung notwendigen Beträge zusätzlich zurückzulegen, dann müssen auch die so geschaffenen Vermögenswerte als Alterssicherung dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogen bleiben, um den Zweck der Alterssicherung erreichen zu können.“

 

dd) Steuerklasse

Hat das pflichtige Kind die Steuerklasse V, kann der Tatrichter die Steuerlast durch einen zu schätzenden Abschlag korrigieren (BGH FamRZ 04, 443).

 

Weiterführender Hinweis

  • Der Beitrag wird in SR 2/2014 fortgesetzt
Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 6 | ID 42471915