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· Fachbeitrag · Elternunterhalt

Grundsätze zur Berechnung des Elternunterhalts

von RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Konstanz

| Kinder müssen unter Umständen auch für den Unterhalt ihrer Eltern aufkommen. Der folgende Beitrag zeigt, wie vorrangige Unterhaltsberechtigte und unterschiedliche Einkommenssituationen von verheirateten und getrenntlebenden Kindern und Geschwister beim Elternunterhalt berücksichtigt werden. |

 

1. Vorrangige Unterhaltsansprüche

Gemäß § 1609 BGB stehen die Eltern erst an 6. Stelle der Unterhaltsberechtigten. Vom Einkommen des Kindes sind daher auch Unterhaltszahlungen für die eigenen Abkömmlinge oder den Ehegatten vorweg in Abzug zu bringen.

 

  • Beispiel 1

Das unterhaltsverpflichtete Kind ist einem eigenen Kind (6 Jahre) unterhaltsverpflichtet, das bei seiner Mutter lebt.

Monatliches Nettoeinkommen

2.897,03 EUR

./. 5 % berufsbedingte Aufwendungen

144,85 EUR

Verbleiben

2.752,18 EUR

Wohnwert:

20,00 EUR

Anmerkung: Das Kind leitet seine eigene Lebensstellung von der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen ab, weshalb dort die tatsächlich bezahlten Annuitäten grundsätzlich in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

Einkommen daher

2.772,18 EUR

Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle: 5. Einkommensgruppe, 2. Altersstufe: Keine Höherstufung, da die Düsseldorfer Tabelle von zwei Unterhaltsberechtigten Ausgeht (hier: Kind und Elternteil)

437,00 EUR

verbleiben

2.335,18 EUR

 

 

2. Selbstbehalt

Jedes Kind hat einen Selbstbehalt, d.h. dieser Betrag muss ihm auf jeden Fall zur Deckung seines eigenen Bedarfs verbleiben. Da das unterhaltspflichtige Kind grundsätzlich keine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards hinzunehmen braucht, steht ihm ein höherer Selbstbehalt zu als üblich (BGH FamRZ 10, 1535). Dabei ist Folgendes zu unterscheiden:

 

a) Verheiratetes, nicht getrennt lebendes Kind ohne Einkünfte

Ein Zugriff auf das Einkommen des Ehegatten kommt nicht in Betracht, da dieser nicht mit dem anderen Elternteil verwandt und daher auch nicht unterhaltsverpflichtet ist (§ 1601 BGB). Das Kind, das gemäß § 1360 BGB einen Anspruch gegen seinen Ehegatten auf Familienunterhalt hat, muss aus dem Unterhalt auch keinen Unterhalt bezahlen, da dieser zur Deckung seines eigenen Bedarfs gebraucht wird.

 

Das Kind, das nicht erwerbstätig ist, hat aber auch einen Taschengeldanspruch gegen seinen Ehegatten. Dieser beträgt etwa 5 bis 7 % des verfügbaren Nettoeinkommens. Das Taschengeld gilt als Einkommen und ist daher grundsätzlich für den Unterhalt einzusetzen. Voraussetzung ist aber, dass das Taschengeld nicht zur Deckung des eigenen angemessenen Bedarfs benötigt wird. Der BGH hat in einem Fall mit sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen entschieden, dass ein etwa hälftiger Einsatz des Taschengelds möglich ist (BGH FamRZ 04, 366).

 

b) Lediges, nicht getrennt lebendes Kind mit eigenem Erwerbseinkommen

 

  • Beispiel 2 (wie Beispiel 1)

Einkommen

2.335,18 EUR

./. Selbstbehalt gemäß Anmerkung D. I. der Düsseldorfer Tabelle

1.600,00 EUR

Verbleiben

735,18 EUR

Hiervon die Hälfte

367,59 EUR

(vgl. hierzu BGH FamRZ 10, 1535) Der Unterhaltsverpflichtete ist daher in Höhe von monatlich 367,59 EUR leistungsfähig.

 

 

c) Verheiratetes und nicht getrennt lebendes Kind mit eigenem Einkommen

Hier muss zunächst entsprechend der Anmerkung in der Düsseldorfer Tabelle unter D. I. der individuelle Familienselbstbehalt ermittelt werden, aus dem sich dann der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen berechnen lässt.

 

  • Beispiel 3

Einkommen des Unterhaltspflichtigen:

2.800 EUR

zzgl. Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten

1.200 EUR

Summe

4.000 EUR

./. Familienselbstbehalt gem. Düsseldorfer Tabelle D I:

1.600 EUR + 1.280 EUR =

2.880 EUR

Verbleiben

1.120 EUR

Hiervon 45%

504 EUR

Zzgl. Familienselbstbehalt

2.880 EUR

Ergibt den individuellen Familienselbstbehalt

3.384 EUR

Anteil des Unterhaltspflichtigen: 3.384 x 70% (2.800 ./. 4.000)

2.369 EUR

Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen: 2.800 ./. 2.369 =

431 EUR

 

 

d) Inanspruchnahme des getrennt lebenden oder geschiedenen Kindes

Auch hier gilt, dass nur das Kind Unterhalt für einen Elternteil zahlen kann, das über eigene Einkünfte verfügt. Aus seinem Unterhalt muss es keinen Unterhalt bezahlen. Das Kind, das Unterhalt an seinen getrennt lebenden oder geschiedenen Gatten bezahlt, kann diesen Unterhalt zunächst von seinem Einkommen in Abzug bringen, da Ehegattenunterhalt vorrangig ist.

 

  • Beispiel 4

Einkommen des Unterhaltsverpflichteten

2.800 EUR

./. Unterhalt für den Ehegatten

720 EUR

Verbleiben

2.080 EUR

./. Selbstbehalt gemäß Anmerkung D.I. der Düsseldorfer Tabelle

1.600 EUR

Verbleiben

480 EUR

Hiervon die Hälfte

240 EUR

 

Der Unterhaltsverpflichtete ist daher in Höhe von monatlich 240 EUR leistungsfähig.

 

e) Inanspruchnahme eines Kindes nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Hier gilt dasselbe wie für ein Kind, das verheiratet und nicht getrennt lebend ist (§§ 5, 12, 16 Lebenspartnerschaftsgesetz).

 

3. Auskunftsanspruch der Geschwister

Da Geschwister entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen anteilig für den Elternunterhalt haften, haben diese gemäß § 242 BGB gegeneinander einen Auskunftsanspruch. Dieser bezieht sich sowohl auf das eigene Einkommen als auch auf das Einkommen des Ehegatten. Ein direkter Auskunftsanspruch gegen den Ehegatten besteht jedoch nicht (BGH FamRZ 03, 1836). Sind mehrere Geschwister leistungsfähig, berechnen sich deren Haftungsanteile nach deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

 

  • Beispiel 5

Kind 1:

Nicht verheiratet, ein Kind: leistungsfähig in Höhe von

367,59 EUR

Kind 2:

Verheiratet, kein Kind: leistungsfähig in Höhe von

431 EUR

Kind 3:

Geschieden, kein Kind, einem Ehegatten

unterhaltsverpflichtet: leistungsfähig in Höhe von

240 EUR

Elternteil:

Bedarf

3.500 EUR

./. eigene Einkünfte

2.500 EUR

Ungedeckter Bedarf

1.000 EUR

Berechnung der Haftungsanteile:

367,59 EUR + 431,00 EUR + 240,00 EUR = 1.038,59 EUR

367,59 EUR x 100 ./. 1.038,59 = 35 %

431,00 EUR x 100 ./. 1.038,59 = 42 %

240,00 EUR x 100 ./. 1.038,59 = 23 %

Kind 1: 35 % x 1.000,00 EUR = 350 EUR

Kind 2: 42 % x 1.000,00 EUR = 420 EUR

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Zur Berechnung des Taschengelds im Einzelnen, SR 13, 3, 22
Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 23 | ID 42475872