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· Fachbeitrag · Familienunterhalt

Ehegatten haften vorrangig für einander - Kinder erst sekundär auf Elternunterhalt

von RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg/Berlin

| Ein unterhaltsbedürftiger Elternteil muss immer erst seinen Ehegatten auf Unterhalt in Anspruch nehmen, bevor er sich an seine Kinder wendet. Der Beitrag zeigt, wie sich diese Regel in der Praxis auswirkt und wie gerechnet werden muss. |

1. In diesen Fällen gilt die Rangfolge

Der Anspruch auf Elternunterhalt gegen das Kind besteht zwar dem Grunde nach weiter, er tritt jedoch gemäß § 1608 S. 1 BGB im Rang hinter der Unterhaltspflicht des Ehegatten zurück. Das gilt nach § 1608 S. 4 BGB in gleicher Weise für eingetragene Lebenspartner.

 

MERKE | Auf Eltern, die „nur“ als Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenleben, kann § 1608 BGB nicht analog angewendet werden. Denn sie sind sich nach dem Gesetz nicht zum Unterhalt verpflichtet. Leistet in einer eheähnlichen Gemeinschaft der stärkere Partner etwas an den einkommensschwächeren (z. B. durch mietfreies Wohnen in seinem Eigenheim oder durch das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf), handelt es sich bloß um freiwillige Leistungen Dritter. Diese sind nicht bedarfsdeckend anzurechnen, wenn sie - wie in der Praxis üblich - nur dem Partner zugutekommen und nicht zugleich den eigentlich Unterhaltspflichtigen entlasten sollen. Wille und Zweckbestimmung des leistenden Dritten dürfen nicht missachtet werden.

 

2. Leistungsfähigkeit

Nach § 1608 S. 3 BGB muss für eine vorrangige Haftung der Ehegatten (oder Lebenspartnern) auch Leistungsfähig sein. Indem er dem anderen Unterhalt gewährt, darf sein eigener angemessener Unterhalt nicht gefährdet werden. Oft versuchen daher Sozialhilfeträger trotz der vorrangigen Ehegattenhaftung, (auch) bei den Kindern eines pflege- und unterhaltsbedürftigen Elternteils für die ungedeckten Heimkosten Rückgriff zu nehmen. Die unterhaltspflichtigen Kinder berufen sich dann im Gegenzug häufig auf den Familienunterhaltsanspruch des bedürftigen verheirateten Elternteils. Sie verlangen den Ehegatten vorrangig bis zur Halbteilungsgrenze heranzuziehen.

 

  • Beispiel

Die pflegebedürftige M lebt im Heim. Die monatlichen Kosten für die Heimpflege von 3.900 EUR werden wegen der geringen Renteneinkünfte der M von monatlich 300 EUR im Wesentlichen durch Sozialhilfeleistungen abgedeckt. Der Sozialhilfeträger macht aus übergegangenem Recht Elternunterhalt gegenüber der Tochter T geltend. Der Ehemann V der M und Vater der T bezieht monatliche Renteneinkünfte von 1.300 EUR. Hiervon zahlt er freiwillig monatlich 100 EUR auf die Heim- und Pflegekosten der M.

Der Sozialhilfeträger nimmt T auf Elternunterhalt für M mit monatlich 200 EUR in Anspruch. T ist zwar aufgrund ihrer Erwerbseinkünfte in diesem Umfang leistungsfähig, wendet aber ein, ihr Vater sei seiner Ehefrau zur Zahlung von Familienunterhalt von mindestens 400 EUR monatlich verpflichtet; solange er diesen Betrag nicht aufbringe, komme ihre Inanspruchnahme nicht in Betracht.

 

Der Sozialhilfeträger geht mit Blick auf die Heimunterbringung von einem Getrenntleben der Eltern aus; zumindest liege eine der Trennungssituation vergleichbare Konstellation vor. Deshalb sei für V ein erhöhter eheangemessener Selbstbehalt von monatlich 1.200 EUR anzusetzen. Seine Leistungsfähigkeit sei folglich auf die gezahlten 100 EUR beschränkt, sodass T den geforderten Unterhaltsbetrag leisten muss. Wie ist die Rechtslage zu beurteilen?

 

3. Allgemein zum Anspruch auf Familienunterhalt

Nach §§ 1360, 1360a BGB sind Eltern, die miteinander verheiratet sind, einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Es handelt sich um wechselseitige Ansprüche. Im Unterschied zu sonstigen Unterhaltsansprüchen ist jeder Ehegatte gegenüber dem anderen zugleich Unterhaltsberechtigter und Unterhaltsverpflichteter. Dem Grundgedanken des § 1360 BGB und der ehelichen Gemeinschaft entspricht es, dass die Last des Familienunterhalts von beiden Ehegatten gemeinsam getragen wird. Jeder von ihnen leistet seinen Beitrag und übt die Funktion aus, die der individuellen Ehegestaltung entspricht.

 

Seinem Umfang nach umfasst der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung des persönlichen Bedarfs der Ehegatten erforderlich ist. Der Familienunterhalt ist dabei nach den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen und nicht abstrakt nach bestimmten Mindestbedarfssätzen.

 

MERKE | Was zum Familienbedarf nach dem Zuschnitt ihrer Ehe gehört, entscheiden die Eltern autonom. Sie können ihre Ehegestaltung frei wählen sowie ihre innerfamiliären persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zur Grenze des Missbrauchs frei bestimmen.

 

Der Familienunterhalt deckt den gesamten Lebensbedarf der Familie ab (z. B. Kosten für Wohnen, Essen, Urlaub, Kultur). Er besteht - abgesehen vom Taschengeldanspruch - nicht als Anspruch auf einen frei verfügbaren laufenden Geldbetrag für den jeweils anderen Ehegatten. Vielmehr muss jeder den verabredeten Beitrag für den angemessenen Unterhalt der Familie leisten. Familienunterhalt wird also grundsätzlich „in Natur“ erbracht.

 

Außerdem gilt uneingeschränkt der Halbteilungsgrundsatz. Er dient dazu, das für den gemeinsamen Lebensunterhalt verfügbare Familieneinkommen - bei einer im Wesentlichen gleichartigen Bedarfslage - gerecht unter den beiden Eheleuten aufzuteilen. Eine Bedürftigkeitsprüfung - wie sie sonst für einen Unterhaltsanspruch erfolgen muss (§§ 1602, 1577 BGB) - findet beim Familienunterhalt nicht statt.

 

Ferner gibt es für keinen der Ehegatten einen Selbstbehalt, der ihm - wie etwa beim Trennungsunterhalt und beim nachehelichen Unterhalt - für den eigenen Lebensunterhalt verbleiben muss. Mit anderen Worten: Eltern, die in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, wirtschaften aus einem Topf, und das vorhandene Familieneinkommen steht beiden jeweils zur Hälfte zu.

 

MERKE | Etwas anderes würde allerdings gelten, wenn der V (und nicht die M) pflegebedürftig und in einem Heim mit gleich hohen Kosten untergebracht worden wäre. Dann gilt der Grundsatz, vorrangig eigene Mittel einzusetzen. Denn die Eigenbedarfssicherung hat Vorrang vor der Sicherung eines fremden Unterhaltsbedarfs. Folglich stünde der M vom Familieneinkommen nicht die Hälfte, also (1.300 EUR + 300 EUR): 2 = 800 EUR, zu. Vielmehr wäre V - da selbst bedürftig - von vornherein nicht in der Lage, überhaupt Familienunterhalt zu leisten.

 

Solange die Eltern ihren angemessenen Lebensbedarf aus ihren Gesamteinkünften oder aus Vermögen decken können, können ihre Kinder nicht zur Zahlung von Elternunterhalt herangezogen werden. Reicht das Familieneinkommen der Eltern zu ihrer angemessenen Lebensführung dagegen nicht aus, müssen sie zunächst ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

 

MERKE | Solange V und M in einer häuslichen Gemeinschaft zusammenlebten, mussten sie ihren Lebensunterhalt durch gleichmäßige Verteilung ihrer Renteneinkünfte von (1.300 EUR + 300 EUR =) 1.600 EUR selbst bestreiten. Bei gleichartiger Bedarfslage standen jedem hiervon die Hälfte, also jeweils 800 EUR, zu.

 

Wäre das Familieneinkommen für den existenznotwendigen Bedarf von V und M nicht ausreichend gewesen (z. B. wegen besonderem Mehrbedarfs), hätten sie die T, deren Einkommen unter 100.000 EUR pro Jahr liegt, nicht sogleich auf Elternunterhalt in Anspruch nehmen können. Vielmehr hätte V und M die Obliegenheit getroffen, die unterhaltspflichtige T zu schonen und vorrangig ergänzende Grundsicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, die grundsätzlich rückgriffsfrei gewährt werden.

 

4. Unterhaltsanspruch bei getrennt lebenden Eltern

Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit und der angemessene Eigenbedarf des wirtschaftlich stärkeren Elternteils werden allerdings relevant, wenn es zu einer Trennung der Ehegatten kommt. Leben verheiratete Eltern getrennt, kann gemäß § 1361 Abs. 1 BGB der bedürftige Ehegatte vom anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Der Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 BGB tritt dann an die Stelle des Familienunterhalts zwischen Ehegatten. Trennungsunterhalt wird - anders als der Familienunterhalt - in Form einer monatlich im Voraus zu leistenden Geldrente geschuldet. Der unterhaltspflichtige Elternteil muss dabei maximal die Hälfte seines unterhaltsrelevanten Einkommens für den Unterhalt des anderen einsetzen. Der Halbteilungsgrundsatz gilt insbesondere, wenn die Ehegatten nur noch über Renteneinkünfte (statt Erwerbseinkommen) verfügen.

 

Zur Wahrung des eigenen angemessenen Lebensunterhalts (§ 1581 BGB) muss dem unterhaltspflichtigen Ehegatten nach einer Trennung mindestens so viel verbleiben, dass sein eigener Lebensunterhalt gesichert ist. Dieser eheangemessene Selbstbehalt beläuft sich laut Düsseldorfer Tabelle z. Z. auf monatlich 1.200 EUR. Allerdings können hier Korrekturen nach oben geboten sein. Insbesondere höhere Wohnkosten - als die im Selbstbehalt enthaltenen 430 EUR Warmmiete - können zu einem erhöhten Selbstbehalt führen. Z. B. wenn dem unterhaltspflichtigen Elternteil mit Blick auf sein Alter ein Umzug in eine kostengünstigere kleinere Wohnung nicht mehr zuzumuten ist.

 

Das Maß der von den Ehegatten wechselseitig geschuldeten unterhaltsrechtlichen Solidarität ist folglich im Rahmen des Familienunterhalts (Halbteilungsgrundsatz) deutlich höher anzusetzen als nach der Trennung (Leistungsfähigkeit nur noch bei Wahrung des angemessenen Selbstbehalts).

 

Im Beispielsfall wäre also die Auffassung des Sozialhilfeträgers, der zugunsten des V einen ungemessenen Selbstbehalt von 1.200 EUR ansetzen will, in jedem Fall richtig, wenn M und V bereits vor der Heimunterbringung der M dauerhaft getrennt gelebt hätten. Eine Trennung kann dabei grundsätzlich auch innerhalb der Ehewohnung erfolgen. V steht dann mindestens ein Selbstbehalt von 1.200 EUR zu. Damit kann er Trennungsunterhalt an M nur in Höhe des von ihm für die Heimkosten aufgewendeten Betrags von 100 EUR zahlen. Zu höheren Beträgen ist er nicht leistungsfähig.

 

Lebten M und V dagegen nicht getrennt, stellt sich die Frage, ob durch die Heimunterbringung auch das eheliche Zusammenleben beendet wurde und eine der Trennung vergleichbare Konstellation eingetreten ist. Dies hat erhebliche praktische Auswirkungen. Denn solange eine Trennung nicht erfolgt ist, kommt ein Anspruch aus § 1361 BGB nicht in Betracht. Maßgebend sind dann vielmehr die Bestimmungen der §§ 1360, 1360a BGB über den Familienunterhalt mit dem daraus folgenden Grundsatz der Halbteilung.

5. Dauerhafte Heimunterbringung = Trennung?

Während § 1360 BGB (Familienunterhalt) einen Anspruch bei bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft gewährt, setzt § 1361 BGB (Trennungsunterhalt) deren Aufhebung voraus. Lässt sich ein Getrenntleben nicht feststellen, wird Familienunterhalt geschuldet. Das vorhandene Einkommen steht dann nach dem Halbteilungsgrundsatz beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zu.

 

Der Begriff des Getrenntlebens ist in § 1567 BGB definiert. Danach leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht wieder herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist dabei primär ihre wechselseitige innere Bindung zu verstehen.

 

Dagegen beschreibt die häusliche Gemeinschaft nur einen Teilaspekt, nämlich die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in gemeinsamen Wohnräumen. Sie ist jedoch kein zwingendes Merkmal einer Lebensgemeinschaft. Diese kann selbst dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte haben. Deshalb kann auch eine nur durch äußere Umstände herbeigeführte Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft für sich genommen kein Trennungswille beigemessen werden. Folglich führt auch die dauerhafte stationäre Pflege eines Ehegatten - trotz der damit verbundenen tatsächlichen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft - nicht zur Trennung der Ehegatten (BGH 27.4.16, XII ZB 485/14, Abruf-Nr. 186320).

 

Wer sich auf ein Getrenntleben der Ehegatten und die damit verbundenen Rechtsfolgen beruft, trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Das wäre hier der Sozialhilfeträger. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht.

 

PRAXISHINWEIS | Für einen schlüssigen Vortrag zum Getrenntleben reicht es allerdings nicht aus, dass der Sozialhilfeträger z. B. geltend macht, die M habe gegenüber einem ihrer Mitarbeiter erklärt, die Heimunterbringung sei ein willkommener Anlass für die Trennung von M gewesen, mit dem sie schon seit längerer Zeit nicht mehr Tisch und Bett habe teilen wollen. Eine Trennung muss gegenüber dem Ehegatten erfolgen. Ihm gegenüber muss unmissverständlich eine Trennungsabsicht geäußert oder durch ein sonstiges erkennbares Verhalten zum Ausdruck gebracht werden. Dafür reichen bloße Zeugen „vom Hörensagen“ in aller Regel nicht aus. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, wenn sich die M zu ihren behaupteten Trennungsabsichten aufgrund einer fortschreitenden Demenzerkrankung selbst nicht mehr verständig äußern könnte.

 

6. Konsequenzen der Heimunterbringung im Unterhaltsrecht

Der in der Ehewohnung verbliebene Elternteil schuldet dem im Pflegeheim untergebrachten Ehegatten weiterhin Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360a BGB. Deshalb ist an sich auch der Halbteilungsgrundsatz anzuwenden und die vorhandenen Geldmittel wären für den Lebensunterhalt beider Elternteile hälftig zwischen ihnen aufzuteilen.

 

Der Halbteilungsgrundsatz gilt jedoch nur für den Normalfall einer häuslichen Gemeinschaft. Hier besteht eine (im Wesentlichen) gleichartige Bedarfslage, womit eine hälftige Aufteilung auch sachlich gerechtfertigt ist. Muss jedoch ein Elternteil in ein Pflegeheim umziehen, entsteht ihm dadurch ein besonderer existenznotwendiger Bedarf, der in vielen Fällen das Familieneinkommen übersteigt. Der unterhaltsrechtliche Bedarf des untergebrachten pflegebedürftigen Ehegatten bestimmt sich auch im Rahmen des Familienunterhalts - wie auch sonst im Rahmen des Elternunterhalts - nach den konkreten Heim- und Pflegekosten zuzüglich eines Barbedarfs für die Bedürfnisse des täglichen Lebens.

 

Aufgrund dieser Besonderheit muss auch der Anspruch auf Familienunterhalt, der vorher in Natur zu erfüllen war, den geänderten Lebensumständen angepasst werden. Er wandelt sich ausnahmsweise in einen Anspruch auf Zahlung einer Geldrente um. In dieser Situation treffen allerdings auch die Gründe für den Halbteilungsgrundsatz und den fehlenden Selbstbehalt im Rahmen des Familienunterhalts nicht mehr zu.

 

Vor allem entfallen die Synergieeffekte, die vorher das häusliche Zusammenleben der Eltern wesentlich mitbestimmt haben. Bei einer weiterhin unbeschränkten Unterhaltspflicht würden dem anderen Elternteil wegen des besonderen Mehrbedarfs seines pflegebedürftigen Ehegatten die Mittel entzogen werden, auf die er zur eigenen Existenzsicherung angewiesen ist. In dieser besonderen Lage kann den Eltern unterhaltsrechtlich - trotz ihrer fortdauernden ehelichen Verantwortung füreinander - grundsätzlich kein höheres Maß an Solidarität abverlangt werden als nach einer Trennung. Der Grundsatz der Halbteilung muss daher zurücktreten.

 

MERKE | Würde man diese Billigkeitserwägungen nicht zulassen, müsste sich der zurückbleibende unterhaltspflichtige Elternteil ernsthafte Gedanken machen, ob es für ihn wirtschaftlich nicht vernünftiger wäre, sich zur Wahrung seines eigenen angemessenen Unterhalts (formal) von seinem pflegebedürftigen Ehegatten zu trennen. Das aber würde nicht nur den unterhaltsberechtigten Ehegatten beeinträchtigen, sondern stößt auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG auf Bedenken.

 

In den Fällen der dauernden Heimunterbringung eines Elternteils wird deshalb die Pflicht des anderen Ehegatten zur Leistung von Familienunterhalt - in Form einer Geldrente - ausnahmsweise durch einen Ehegattenselbstbehalt beschränkt, so wie er auch in Trennungssituationen gilt. Dass sich dadurch eine höhere Deckungslücke hinsichtlich der Heimkosten ergeben kann, stellt keinen entscheidenden Hinderungsgrund dar (vgl. zum Ganzen auch BGH 27.4.16, XII ZB 485/14).

 

  • Lösung des Beispielsfalls

Im Ergebnis kann T sich zwar darauf berufen, dass der Familienunterhaltsanspruch der M gegenüber V grundsätzlich vorrangig ist. Die Pflicht des V zur Leistung von Familienunterhalt wird nämlich durch die Heimunterbringung der M nicht berührt. Der auf Zahlung einer monatlichen Geldrente gerichtete Anspruch der M auf Familienunterhalt wird jedoch durch den eheangemessenen Selbstbehalt des V von gegenwärtig (mindestens) 1.200 EUR beschränkt. Damit kann von V nur eine Zahlung von monatlich 100 EUR verlangt werden, sodass die T mit ihren Einwendungen zur vorrangigen Ehegattenhaftung des V (bis zur Halbteilungsgrenze) nicht durchdringen kann.

 

Weiterführende Hinweise

  • Zur Berechnung eines fiktiven Einkommens beim Elternunterhalt, SR 16, 210
  • Familieneinkommen: Elternunterhalt im Spannungsverhältnis zum Ehegattenunterhalt, SR 16, 154
Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 9 | ID 44435093