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· Fachbeitrag · Leistungsfähigkeit

Elternunterhalt: Fragen zur Lebensgefährtin

von RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a. D., Berlin

| Mandantin M fragt Sie: Wie ist beim Elternunterhalt eigentlich die rechtliche Stellung meiner Lebensgefährtin L, mit der ich zusammenlebe? |

 

  • M schildert dazu folgenden Sachverhalt

Ich werde vom Sozialamt auf Elternunterhalt für meine Mutter, die in einem Pflegeheim untergebracht ist, in Anspruch genommen. Nach seinen Berechnungen habe ich aktuell ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 2.000 EUR. Die wirtschaftliche Situation meiner Partnerin, mit der ich seit 8 Jahren in einer Mietwohnung zusammenlebe, ist folgende: Sie erzielt zurzeit bei einer 25-Stunden-Woche ein Arbeitseinkommen von 1.000 EUR netto im Monat. Davon zahlt L monatliche Raten von insgesamt 150 EUR auf drei kleinere Konsumkredite.

 

Frage: Muss ich dem Sozialamt die von ihm verlangten Auskünfte über das Einkommen meiner Freundin erteilen und Belege dazu vorlegen?

 

Antwort: Nein ‒ zwar ist der verheiratete Unterhaltsschuldner (vgl. SR 18, 192 ) im Rahmen von § 1605 BGB verpflichtet, auch Angaben über die Einkommensverhältnisse seines Ehegatten zu machen. Dagegen erstreckt sich die Auskunftspflicht des unterhaltspflichtigen Kindes bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht auf die Einkünfte des Partners bzw. der Partnerin. Eine entsprechende Frage, die gleichwohl häufig im Fragebogen über die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners zu finden ist, kann daher unbeantwortet bleiben.

 

PRAXISTIPP | In der Praxis kann es allerdings im Eigeninteresse angezeigt sein, dass das unterhaltspflichtige Kind ‒ trotz fehlender rechtlicher Auskunftsverpflichtung und einer grundsätzlich bestehenden Abneigung die Einkommensverhältnisse eines Lebensgefährten offenzulegen ‒ Angaben macht und Belege vorlegt. So kann es eine falsche Berechnung seiner Leistungsfähigkeit durch das Sozialamt und damit unnötige Auseinandersetzungen vermeiden.

 

Frage: Steht uns als langjährigen nichtehelichen Lebenspartnerinnen ein Familienselbstbehalt zu, wie er für Ehegatten gilt?

 

Antwort: Grundsätzlich erfolgt keine Gleichstellung von Ehegatten und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Lebt das unterhaltspflichtige Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, dann ist den Partnern kein Familienselbstbehalt zuzubilligen. Denn anders als für Ehegatten bestehen zwischen ihnen ‒ abgesehen von dem besonderen Fall des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB im Hinblick auf ein gemeinsames minderjähriges Kind ‒ grundsätzlich keine Unterhaltsverpflichtungen. Die §§ 1360, 1360a BGB sind weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Es existiert auch kein ungeschriebener Grundsatz, dass Personen, die sich persönlich nahestehen, aufgrund ihres Zusammengehörigkeitsgefühls nach einer längeren Zeit des Zusammenlebens eine sittliche Verpflichtung zur wechselseitigen Unterhaltsgewährung haben. Aus diesen Gründen hat der nichteheliche Partner auch keinen Taschengeldanspruch gegen den anderen, mit dem ein Ehegatte nach der BGH-Rechtsprechung unter Umständen zum Elternunterhalt beitragen muss.

 

Zwischenergebnis: Da M nicht verheiratet ist und auch nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, kann ihr im Rahmen des Elternunterhalts im Ausgang nur der Sockelbetrag für Alleinstehende von 1.800 EUR als Selbstbehalt zugebilligt werden.

 

Frage: Das Sozialamt macht es sich ‒ wie üblich ‒ sehr einfach. Nachdem es von unserem Zusammenleben Kenntnis erlangt hat, will es zu meinen Lasten eine Haushaltsersparnis berücksichtigen und meinen Selbstbehalt kürzen. Geschieht das zu Recht?

 

Antwort: Bei der Unterhaltsbemessung sind die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretenden Haushaltsersparnisse und Synergieeffekte stets zu berücksichtigen, da sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch eine solche wirtschaftliche Entlastung im Regelfall erhöht. Nach der Rechtsprechung des BGH (17.10.12, XII ZR 17/11 ) gilt das grundsätzlich unabhängig davon, ob die Partner miteinander verheiratet sind oder nichtehelich zusammenleben. Die Haushaltsersparnis wird im Regelfall pro Person mit 10 Prozent des Selbstbehalts veranschlagt. Diese Höhe einer häuslichen Ersparnis hat der BGH (28.7.10, XII ZR 140/07 ) aus dem Sozialrecht (§ 20 Abs. 3 SGB II a. F.) abgeleitet.

 

MERKE | Beim verheirateten unterhaltspflichtigen Kind wird der häuslichen Ersparnis durch die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze der Ehegatten ‒ aktuell: 1.800 EUR + 1.440 EUR = 3.240 EUR ‒ Rechnung getragen. Außerdem ist von dem über 3.240 EUR hinausgehenden Mehreinkommen eine Haushaltsersparnis von 10 Prozent abzusetzen und sodann die Hälfte des sich ergebenden Betrags dem Familiensockelselbstbehalt zuzurechnen. Der sich danach errechnende Gesamtbetrag stellt den individuellen Familienselbstbehalt dar.

 

Frage: Muss ich mir eine Haushaltsersparnis von 10 Prozent anrechnen lassen, die meinen Selbstbehalt von 1.800 EUR kürzt, obwohl meine Partnerin L nur ein geringes Einkommen hat?

 

Antwort: Lebt das unterhaltspflichtige Kind in einer Lebensgemeinschaft mit einer anderen Person, kann der Selbstbehalt um die häusliche Ersparnis gekürzt werden. Das setzt allerdings voraus, dass die nicht verheirateten Lebenspartner zusammen über ein Einkommen verfügen, das über dem Betrag liegt, der bei Eheleuten dem gemeinsamen Selbstbehalt (von insgesamt 3.240 EUR) entspricht. An dieser Betrachtungsweise ändert auch der Umstand nichts, dass nichtehelichen Partnern kein Familienselbstbehalt zukommt.

 

Frage: Wie ist die Leistungsfähigkeit der M konkret zu berechnen?

 

Antwort: M und L haben zusammen ein Erwerbseinkommen von (2.000 EUR + 1.000 EUR =) 3.000 EUR. Dieser Betrag liegt unter dem Selbstbehaltssatz für Eheleute (von 3.240 EUR). Daher ist hier keine Haushaltsersparnis in Ansatz zu bringen. Folglich ist von dem Nettoeinkommen der M von 2.000 EUR der volle Selbstbehalt für Alleinstehende, der ihr gegenüber der Mutter zusteht, abzuziehen. Von dem Resteinkommen (2.000 EUR - 1.800 EUR =) 200 EUR ist die eine Hälfte dem anrechnungsfreien Selbstbehalt zuzurechnen. Für M ergibt sich damit ein individueller Selbstbehalt von (1.800 EUR + 100 EUR =) 1.900 EUR. Für den Elternunterhalt muss sie nur noch die verbleibenden 100 EUR einsetzen.

 

MERKE | Würde L überhaupt keine eigenen Einkünfte erzielen, dann bliebe es bei der vorstehenden Berechnung der Leistungsfähigkeit der M. Auch hier kann eine Haushaltsersparnis nicht berücksichtigt werden, weil L kein eigenes Einkommen hat. M wird durch sie also wirtschaftlich nicht entlastet. Auf der anderen Seite scheidet auch eine Erhöhung des Selbstbehalts (im Hinblick auf eine Mitversorgung der L durch M) aus, da M gegenüber L nicht unterhaltspflichtig ist.

 
  • Abwandlung

Wie fällt die Berechnung der Leistungsfähigkeit aus, wenn die Lebensgefährtin L künftig ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 EUR erzielt?

 

Antwort: Das gemeinsame Einkommen von M und L übersteigt dann mit (2.000 EUR + 1.500 EUR =) 3.500 EUR den Betrag, der bei Ehegatten dem Familiensockelselbstbehalt entspricht. Daher kommt jetzt eine Ersparnis durch die gemeinsame Haushaltsführung der Lebenspartnerinnen zum Tragen. Der Selbstbehalt der M für Alleinstehende von 1.800 EUR wird zunächst um 10 Prozent gekürzt, sodass sich 1.620 EUR ergeben. Nach Abzug dieses gekürzten Selbstbehalts vom Einkommen der M verbleiben (2.000 EUR - 1.620 EUR =) 380 EUR. Auch hiervon ist nach der Rechtsprechung des BGH zunächst eine Haushaltsersparnis von 10 Prozent abzusetzen. Das Mehreinkommen der M reduziert sich dadurch auf (380 EUR - 38 EUR =) 342 EUR. Davon 1/2 ergibt 171 EUR. Der individuelle Selbstbehalt der M ist folglich mit 1.620 EUR + 171 EUR = 1.791 EUR zu bemessen. Im Ergebnis kann M in diesem Fall für ihre Mutter Elternunterhalt in Höhe von monatlich (2.000 EUR - 1.791 EUR =) 209 EUR zahlen.

 

MERKE | Hätten M und L schon vor dem 1.10.17 eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) begründet und eintragen lassen, so wären sie nach § 5 LPartG einander zum Lebenspartnerschaftsunterhalt verpflichtet. Die §§ 1360, 1360a BGB gelten dann entsprechend. Im Rahmen des Elternunterhalts wären M und L dann wie Ehepartner zu behandeln. Gleiches gilt, wenn sie die Umwandlung in eine Ehe beantragt oder diese von vornherein miteinander geschlossen (§ 1353 Abs. 1 BGB) hätten.

 
Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 207 | ID 45597269