Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Mandanten fragen

Elternunterhalt: Was man zu den Pflegeheimkosten wissen sollte

von RAin Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a.D., Berlin

| Der Unterhaltsbedarf des pflegebedürftigen Elternteils wird nach ständiger Rechtsprechung des BGH durch seine Unterbringung in einem Pflegeheim bestimmt. Er entspricht den dort anfallenden, nicht durch eigenes Einkommen und das Pflegegeld gedeckten Heimkosten. Neben diesen umfasst er auch einen angemessenen Barbetrag, der dem Elternteil für seine persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung steht (sog. Taschengeld, seit Januar 2019: 114,48 EUR). Die Sozialhilfeträger fügen ihrer Unterhaltsforderung häufig schon von sich aus eine Kostenaufstellung bei. |

 

Frage: Was decken die Pflegekosten ab?

 

Antwort: Die Fragen sollen anhand eines Beispiels erläutert werden:

 

  • Beispiel

Der Vater V lebt dauerhaft in einem Pflegeheim; er hat den Pflegegrad 2. Das Sozialamt übernimmt die durch Altersrente und Pflegegeldleistungen nicht gedeckten Heimkosten, die sich auf monatlich 500 EUR belaufen. Es verlangt von seinem Sohn S aus übergegangenem Recht, den Elternunterhalt in Höhe von monatlich 250 EUR zu zahlen. Die für den Monatsdurchschnitt (30,42 Tage) ohne das Taschengeld berechneten Gesamtheimkosten von rund 3.494 EUR hat das Sozialamt gerundet wie folgt aufgeschlüsselt: 2.077 EUR für pflegebedingte Kosten + 536 EUR für Unterkunft + 413 EUR für Verpflegung + 468 EUR für investive Kosten. Leider fehlen zu dieser Kostenaufstellung nachvollziehbarer Erläuterungen. S würde zunächst gerne verstehen, was hinter den Einzelpositionen steckt. Zudem ist er der Meinung, nicht leistungsfähig zu sein.

 

Die Kosten für einen Heimplatz setzen sich aus verschiedenen Positionen zusammen. Die Heimträger sind gesetzlich dazu verpflichtet, alle Entgeltpositionen nach Art und Umfang aufzuschlüsseln. Unter die Position „Pflegekosten“ fallen alle Aufwendungen für die Pflege einschließlich der sozialen Betreuung des untergebrachten Elternteils.

 

MERKE | Die Pflegekasse zahlt Leistungen für die Pflege im Heim. Je höher der Pflegegrad ist, umso höher sind die Leistungen der Pflegekasse (gegenwärtig für die vollstationäre Pflege im Pflegeheim ab Pflegegrad 2 ansteigend: 770 EUR/1.262 EUR/1.770 EUR/2.005 EUR). Der Eigenanteil zu den Pflegekosten ist jedoch bei jedem Pflegegrad gleich hoch. Übersteigen die angesetzten Pflegekosten die Pflegegeldleistungen, muss jeder Heimbewohner selbst für diese Spitze aufkommen. Wichtig: Der einrichtungseinheitliche pflegebedingte Eigenanteil (EEE) unterscheidet sich von Pflegeheim zu Pflegeheim. Vor der Heimunterbringung eines Elternteils kann sich daher ein Vergleich lohnen.

 

Frage: Welche Leistungen des Heimträgers umfassen die Positionen „Unterkunft“ und „Verpflegung“ und wer kommt dafür auf?

 

Antwort: Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung ‒ häufig als sog. Hotelkosten bezeichnet ‒ muss der pflegebedürftige Elternteil, wie im Fall seiner häuslichen Pflege auch, selbst tragen. Zu den Verpflegungskosten gehören vor allem die Kosten für die Beschaffung, Zubereitung und das Austeilen der gesamten Verpflegung (Speisen und Getränke).

 

PRAXISTIPP | Wird die Nahrung im Rahmen einer künstlichen Ernährung ausschließlich oder überwiegend mithilfe einer Magensonde (PEG) verabreicht, muss der Kostenanteil für die Position „Verpflegung“ reduziert werden.

 

Beachten Sie | Die vom Heimträger berechneten Entgelte für Verpflegung und Unterkunft müssen nach § 87 SGB XI zwischen den Pflegesatzparteien (insbesondere Pflegekassen und Sozialhilfeträger) und dem Heimträger getrennt vereinbart werden. Daher können und müssen auch diese beiden Leistungspositionen für den Heimbewohner in der Kostenaufstellung transparent ausgewiesen werden.

 

Frage: Sind die ausgewiesenen Unterkunftskosten des pflegebedürftigen Elternteils vergleichbar mit den Kosten seiner früheren Wohnraummiete?

 

Antwort: Nein ‒ in der Praxis kommt es bei den Positionen „Unterkunft“ und „Investitionskosten“ immer wieder zu Missverständnissen, da die Heimbewohner bzw. ihre Angehörigen i. d. R. davon ausgehen, dass die Unterkunftskosten den Kosten einer Wohnraummiete entsprechen. Tatsächlich umfasst jedoch die Kostenposition „Unterkunft“ insbesondere die Kosten für die Ver- und Entsorgung (z. B. Strom, Gas, Wasser und Abfall), die Reinigung des Zimmers und der Gemeinschaftsräume, die Wartung und Unterhaltung des Gebäudes/der technischen Anlagen und Außenanlage sowie die Wäscheversorgung. Die Unterkunftskosten umfassen auch Freizeitveranstaltungen.

 

Frage: Was ist unter den „investiven Kosten“ bzw. „Investitionskosten“ zu verstehen?

 

Antwort: Sie entsprechen in etwa den Kosten der eigentlichen Kaltmiete bei einer Wohnraumanmietung. Was unter „Investitionskosten“ genau zu verstehen ist, ergibt sich aus § 82 Abs. 2 SGB XI. Regelungen zu den umlagefähigen Investitionsbestandteilen bei öffentlich geförderten Einrichtungen finden sich in § 82 Abs. 3 SGB XI. Danach darf der Einrichtungsträger den pflegebedürftigen Bewohnern die Kosten gesondert in Rechnung stellen, die er aufwenden muss, um die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude zu errichten, instand zu halten und sein Kapital zu verzinsen oder ‒ wenn das Objekt von einem Investor gemietet oder gepachtet wurde ‒ um Mieten oder Pacht zu finanzieren. Sie sind in etwa vergleichbar mit den Ausgaben der Wohnungs- oder Hauseigentümer für Investitionen wie z. B. Neubau, Ausbau oder Sanierung. Vom Ansatz her dürfen die Betreiber von Pflegeeinrichtungen über die Investitionskosten aber keinen Unternehmergewinn erwirtschaften.

 

MERKE | Die nicht durch eine öffentliche Förderung abgedeckten Investitionskosten muss der pflegebedürftige Elternteil ‒ ebenso wie die Kosten für seine Unterkunft und Verpflegung ‒ aus eigenen Mitteln aufbringen. Hierfür gibt es keinen Zuschuss der Pflegeversicherung. Insbesondere die je nach Bundesland und Region sehr unterschiedlichen Investitionskosten tragen erheblich zu den Gesamtheimkosten und deren regionalen Unterschieden bei.

 

Frage: Könnte mein hilfsbedürftiger Vater einen Wohngeldzuschuss beantragen, um die vom Pflegeheim gesondert berechneten Investitionskosten zu finanzieren?

 

Antwort: Nach § 9 SGB XI kann durch das jeweilige Landesrecht eine finanzielle Unterstützung von hilfsbedürftigen Heimbewohnern in Form von Pflegewohngeld vorgesehen werden.

 

PRAXISTIPP | Das Pflegewohngeld ist eine freiwillige Leistung der Bundesländer. Es handelt sich in der Sache um einen „bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss“ (nur) zu den Investitionskosten der konkreten Einrichtung, in der der Pflegebedürftige dauerhaft stationär untergebracht ist. Es wird nicht überall gezahlt, sondern nur noch in drei Bundesländern: in

  • Mecklenburg-Vorpommern,
  • Nordrhein-Westfalen und
  • Schleswig-Holstein.

 

In Hamburg, Niedersachsen und im Saarland wurde das Pflegewohngeld wieder abgeschafft. In den anderen Bundesländern gab es noch nie Pflegewohngeld. Je nachdem wo V lebt, kann also bzw. muss sogar für ihn Pflegewohngeld beantragt werden.

 

Beachten Sie | Der Antrag auf Pflegewohngeld ist beim Sozialamt zu stellen. Das übernimmt i. d. R. (direkt nach der Heimaufnahme) das Pflegeheim für den Pflegebedürftigen, da im Ergebnis das Pflegeheim den Zuschuss erhält und der hilfsbedürftige Elternteil ihn ohnehin weiterleiten muss. Die Unterhaltspflicht von Kindern wird bei der Gewährung des Pflegewohngeldes nicht geprüft; es hat bedarfsdeckende Funktion. Dementsprechend gehört es zu den unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten des Elternteils, sich um die Beantragung eines etwaigen Pflegewohngeldes zu kümmern.

 

Frage: Kann das Pflegeheim weitere Zusatzleistungen in Rechnung stellen?

 

Antwort: Im Gesetz werden Zusatzleistungen nicht genau bestimmt. Dort heißt es nur, dass diese über die „notwendigen Leistungen“ (= Regelleistungen) hinausgehen müssen, also mehr sind als die in den Versorgungsverträgen mit den Kostenträgern vereinbarten Leistungen für Unterkunft, Verpflegung und Pflege. Die Leistungen und deren Kosten werden immer individuell verhandelt und im Heimvertrag festgeschrieben. Zusatzleistungen können beispielsweise eine besondere Zimmergröße oder Ausstattung sein, die sich von den Regelleistungen abhebt.

 

Frage: Müssen die Heimkosten auch im Fall eines etwaigen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalts meines Vaters in voller Höhe weitergezahlt werden?

 

Antwort: Zwar schreibt das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) vor, dass in den Heimverträgen Regelungen für die Zeiten der Abwesenheit des Heimbewohners darüber vorzusehen sind, d. h., in welchem Umfang ersparte Aufwendungen zu erstatten sind. Bei Pflegebedürftigen bezieht sich dies jedoch lediglich auf die Entgeltbestandteile Pflege/Betreuung, Unterkunft und Verpflegung.

 

Anders verhält es sich mit den Investitionskosten. Wie auch die Miete für eine Mietwohnung bei Krankenhausaufenthalten, Kuren oder Urlauben des Bewohners ungekürzt weiter zu bezahlen ist, müssen die Investitionskosten auch in den Zeiten der (unverschuldeten) Abwesenheit des Heimbewohners in vollem Umfang weitergezahlt werden.

 

Frage: Wie sieht es mit der Darlegungs- und Beweislast für das Gesamtheimentgelt aus?

 

Antwort: Viele Mitteilungen von Sozialhilfeträgern beschränken sich auf die pauschale Mitteilung des Tagessatzes der Heimeinrichtung für den pflegebedürftigen Elternteil. Das unterhaltspflichtige Kind sollte sich damit nicht begnügen. Ein schlüssiger Sachvortrag zum Bedarf und zur Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Elternteils erfordert die konkrete Aufschlüsselung und genaue Bezifferung sämtlicher Kostenpositionen, aus denen sich das Gesamtentgelt bzw. der Tagessatz für den pflegebedürftigen Elternteil zusammensetzt. Die Bewohner und ihre Angehörigen haben ferner das Recht, die Kostenaufstellung der Heimeinrichtung zu prüfen. Hierfür können sie auch Belege einfordern.

 

Frage: Warum sollten unterhaltspflichtige Kinder eigentlich so viele Details über die Pflegeheimkosten wissen?

 

Antwort: Die Kosten für einen Pflegeheimplatz werden vorgegeben, teilweise staatlich genehmigt und mit den Pflegeversicherungen verhandelt. Trotzdem sollte das unterhaltspflichtige Kind Zeit und Mühe investieren, um zu verstehen, was dahintersteckt. Es sollte nicht blind Elternunterhalt bezahlen, ohne nachvollziehbar prüfen zu können, was hinter der Forderung des Sozialamts steckt. Häufig stimmen die Abrechnungen nicht oder es liegt sonst ein Fehler vonseiten der Heimeinrichtung vor. Außerdem ermöglicht vorhandenes Wissen einen direkten Vergleich der teilweise sehr unterschiedlichen Angebote am Markt und erleichtert Entscheidungen für oder gegen eine Einrichtung oder ‒ im Rahmen eines Unterhaltsstreits ‒ sogar die Forderung nach einem Umzug des unterhaltsberechtigten Elternteils.

 

Weiterführender Hinweis

  • SR 19, 65 zum Selbstbeahlt beim Elternunterhalt
Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 102 | ID 45806746