· Fachbeitrag · Praxisfall
Rückforderung von Schenkungen durch den Sozialhilfeträger: Notbedarf
von RiOLG Dr. Dadny Liceni Kierstein, Brandenburg
| Immer mehr Familien machen sich Gedanken, was eine mögliche Pflegebedürftigkeit der Eltern und die damit verbundenen hohen Kosten für das Familienvermögen bedeuten können. Hier ein Beispielfall zur Notbedarfseinrede mit Lösung. |
1. Beispielfall
Der Träger der Sozialhilfe T macht einen übergeleiteten Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers geltend. Im Jahr 2010 übergab der verwitwete Vater V seiner Tochter A schenkweise sein Sparguthaben von 50.000 EUR, das sein wesentliches Vermögen ausmachte. Die zugewandten Geldmittel setzten A und ihr Ehemann E im Jahr 2011 dafür ein, an ihrem im gemeinsamen Miteigentum stehenden älteren Einfamilienhaus die marode Dacheindeckung zu erneuern sowie die bereits 20 Jahre alte Heizungsanlage auszutauschen. Anfang 2012 wurde der inzwischen pflegebedürftige V in einem Pflegeheim untergebracht. Ihm wurde auf seinen Antrag hin Sozialhilfe in Höhe der durch seine Rente nicht gedeckten Heimpflegekosten gewährt.
Ende 2014 verstarb V. Im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung des einzusetzenden Vermögens des Verstorbenen stellte T fest, dass 2010 vom Sparbuch des V 50.000 EUR abgehoben und der A zugewendet worden waren. Er fordert von A die Herausgabe dieser Zuwendung wegen Verarmung des verstorbenen Schenkers in Höhe der von ihm für V erbrachten Sozialhilfeleistungen von 30.000 EUR.
Zwischenzeitlich leben A und E getrennt. A bewohnt mit den beiden noch nicht schulpflichtigen Kindern das gemeinsame Einfamilienhaus und erzielt aus einer Halbtagsbeschäftigung ein
monatliches Nettoeinkommen von 650 EUR.
- Der objektive Wohnwert des Hauses, das über eine Wohnfläche von 80 m² verfügt, beträgt 500 EUR.
- A erhält keinen Trennungsunterhalt, dafür trägt E die Kreditbelastungen für das Haus.
- Ferner zahlt er den Mindestunterhalt für die beiden Kinder.
2. Problemlösung
T hat infolge der Überleitungsanzeige mit unmittelbarer Wirkung die Rechtsstellung erlangt, die der schon zu seinen Lebzeiten verarmte V hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB innehatte. Der Tod des V hat auf den Fortbestand des Rückforderungsanspruchs und seiner Überleitung auf T keinen Einfluss.
- Soweit A dem E einen Teil des geschenkten Geldes durch die im Jahr 2011 veranlassten Maßnahmen für das gemeinsame Hausgrundstück im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der Schenkung des V in der Sache unentgeltlich zugewandt hat, kann sie dem Rückforderungsanspruch des T aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegensetzen.
- Da zu diesem Zeitpunkt noch keine Rückgabeverpflichtung der A bestanden hat, war sie auch nicht bösgläubig i.S. von § 819 BGB. T könnte sich daher hinsichtlich des von A an E unentgeltlich weitergereichten Teils des Geschenks nur an diesen als Zweitbeschenkten wenden (entsprechend § 822 BGB) und von ihm Wertersatz fordern.
- Die A selbst kann nicht die Herausgabe des Geschenks ins Natur, sondern nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. mit § 818 Abs. 2 BGB (nur noch) Wertersatz schulden. Denn sie ist zur Herausgabe des für die Maßnahmen am Haus eingesetzten Sparguthabens des V außerstande.
- Im Übrigen ist vor allem ihre beengte finanzielle Situation zu berücksichtigen. Sie erlaubt der A, die anspruchshemmende Einrede des § 529 Abs. 2 BGB zu erheben. Die Notbedarfseinrede der beschenkten A greift ein, wenn mit Blick auf ihre Einkommensverhältnisse im Fall einer Inanspruchnahme auf Wertersatz für das Geschenk der eigene angemessene Unterhalt der A (§§ 1603, 1610 Abs. 1 BGB) gefährdet wäre oder sie sogar selbst sozialhilfebedürftig würde. Eine solche Notlage der A steht nach ihren tatsächlichen Einkünften hier ernsthaft zu erwarten. Die A ist - ungeachtet des Miteigentumsanteils des E - auch nicht verpflichtet das gemeinsame Haus, bei dem es sich um ein angemessenes Familienheim handelt, zu verkaufen, um das Rückforderungsverlangen des T zu erfüllen.
- Eine dingliche Belastung des Grundbesitzes kommt - ungeachtet der Beleihungsfähigkeit - ebenfalls nicht in Betracht. Denn A könnte die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen, ohne ihren angemessenen Unterhaltsbedarf zu gefährden. Schließlich trifft A mit Blick auf ihre Betreuungs- und Versorgungsleistungen für die beiden Kinder (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) i.R. der unterhaltsrechtlichen Bestimmungen, die auch im Schenkungsrecht gelten, nicht die Obliegenheit, ihre teilschichtige Erwerbstätigkeit zu einer Ganztagsarbeit auszuweiten.
FAZIT | Im Ergebnis wäre eine Klage des T gegen die A mit Blick auf ihre berechtigte Notbedarfseinrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB als „derzeit unbegründet“ abzuweisen. |
Weiterführender Hinweis
- Zu den theoretischen Grundlagen und Möglichkeiten zur Erhaltung des Familienvermögens, SR 15, 75, 95