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· Fachbeitrag · Sozialhilferegress

Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers

von RA Uwe Gottwald, Vorsitzender RiLG a.D., Vallendar

| Der Sozialhilferegress nach § 528 BGB, § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII spielt in der Praxis eine immer wichtigere Rolle. Brisant wird er insbesondere, wenn der Schenker im Pflegeheim untergebracht ist und sein Vermögen sowie seine Einkünfte die Kosten des Pflegeheims nicht oder nur teilweise decken. Der vorliegende Beitrag stellt die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs sowie seine Rechtsfolgen vor. In einem Folgebeitrag werden u.a. Verteidigungsstrategien für den Beschenkten aufgezeigt. |

1. Zweck des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB

Dem Schenker soll es nach vollzogener Schenkung möglich bleiben, seinen angemessenen Unterhalt i.S. des § 1610 Abs. 1 BGB selbst zu bestreiten, ohne der Allgemeinheit zur Last zu fallen. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine „Hypothek“, die von Anfang an auf jeder Schenkung lastet. Er gewährt dem Schenker einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks, sobald, soweit und solange dieser es zur Unterhaltssicherung benötigt. Diesen Anspruch können die Sozialhilfeträger bei Gewährung von Sozialhilfe nach § 93 Abs. 1 S. 1 SBG XII auf sich überleiten. Man spricht dann vom Sozialhilferegress.

2. Voraussetzungen des Anspruchs

Schenkung ist nach § 516 BGB eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert und beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Der Entreicherung des Schenkers muss eine materielle Bereicherung des Beschenkten gegenüberstehen. Eine formelle Bereicherung wie z.B. eine treuhänderische Übertragung von Vermögenswerten genügt nicht. Bereicherung ist eine objektive, im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzustellende Vermögensvermehrung, die durch einen Vermögensvergleich vor und nach der Schenkung festzustellen ist (MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl., § 516 Rn. 11). Sie kann nicht nur in der Vermehrung der Aktiva, sondern auch in der Verminderung der Passiva liegen. Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung liegt vor, wenn sie weder von einer Gegenleistung (des Beschenkten oder eines Dritten) abhängt noch sonst zur Tilgung einer Verbindlichkeit bestimmt ist. Beide Vertragsparteien müssen die Unentgeltlichkeit der Zuwendung subjektiv gewollt haben (BGH NJW 10, 998 ).

 

a) Gemischte Schenkung

Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistungen beträgt (BGH NJW 12, 605).

 

  • Beispiel

Mutter M überträgt Sohn S das Elternhaus zum Kaufpreis von 200.000 EUR. Beide sind sich einig, dass der Wert des Hauses 400.000 EUR beträgt und 200.000 EUR dem S unentgeltlich zugewendet werden sollen. Daher wäre ein möglicher Rückforderungsanspruch (§ 528 Abs. 1 S 1 BGB) der M auf 200.000 EUR begrenzt. Ein Anspruch auf Rückgabe des Grundstücks bestünde nicht, da der unentgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts nicht überwiegt (BGH NJW 00, 598). Wären stattdessen nur 100.000 EUR von S zu zahlen gewesen, könnte M die Rückgabe des Grundstücks unter Rückzahlung der 100.000 EUR nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen.

 

b) Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB)

Bei einer Schenkung unter Auflage übernimmt (auch) der Beschenkte eine eigene obligatorische Leistungspflicht, deren Begünstigter sowohl der Schenker als auch Dritte sein können. Auch die Schenkung unter Auflage muss begrifflich eine Schenkung sein, weshalb dem Beschenkten stets eine - wenn auch nur geringe - Bereicherung verbleiben muss.

 

  • Beispiel

Vater V schenkt seinem Sohn S 100.000 EUR verbunden mit der Auflage, dass dieser sich mit 75.000 EUR an den Renovierungskosten des Familienwohnhauses, das im Eigentum seiner Ehefrau E steht, beteiligt. Ein Rückforderungsanspruch des V gegen S würde sich in diesem Fall auf 25.000 EUR begrenzen.

 

3. Vollziehung der Schenkung und vorliegen eines Notbedarfs

Es kommt nicht darauf an, ob der Notbedarf vor oder nach Vollziehung der Schenkung entstanden ist (BGH NJW 07, 60). Der Rückgewähranspruch wegen Notbedarfs setzt nur voraus, dass die Schenkung überhaupt vollzogen ist und der Schenker nach Abschluss des Schenkungsvertrags außerstande ist,

  • seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder
  • die in § 528 Abs. 1 BGB genannten Unterhaltspflichten zu erfüllen.

 

Der Notbedarf ist nach dem gegenwärtigen Aktivvermögen des Schenkers zu ermitteln. Gesetzliche Unterhaltsansprüche des Schenkers bleiben außer Betracht (BGH NJW 01, 2084). Dabei ist zu beachten, dass

  • ihm die Verwertung seines Vermögens zuzumuten ist,
  • gesicherte Erwerbsaussichten und
  • zumutbare Erwerbsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind.

 

MERKE | Erhält der Schenker bereits Sozialhilfe, ist der Notbedarf vorgeprüft und seine Feststellung bereitet i.d. Regel keine Probleme (BGH NJW 03, 2449).

 

4. Art und Umfang des Anspruchs

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 525 Abs. 1 S. 1 BGB steht dem Schenker ein Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) gegen den Beschenkten zu. Er kann deshalb grundsätzlich die Rückgabe des geleisteten Gegenstands verlangen. Ist der Beschenkte nicht mehr bereichert, ist der Anspruch ausgeschlossen (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Anspruch des Schenkers ist begrenzt durch

  • den Wert der Zuwendung (des geschenkten Gegenstands) und

 

Ist der Notbedarf geringer als der Wert der Zuwendung, können nur die zur Deckung des Notbedarfs erforderlichen Teile der Zuwendung zurückverlangt werden. Bei wiederkehrendem Bedarf schuldet der mit einem nicht teilbaren Geschenk Beschenkte wiederkehrende Teilersatzleistungen, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist (BGH NJW 10, 2655).

 

  • Beispiel

Vater V hatte seiner Tochter T 2005 ein Haus im Wert von 300.000 EUR geschenkt. Anfang Januar 2011 wurde V pflegebedürftig und zog ins Heim. Aufgrund der monatlichen Kosten ist V seither nicht in der Lage, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Er hat einen Notbedarf von 2.500 EUR monatlich. V hat gegenüber T den Anspruch aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB geltend gemacht. Diese weigert sich zu zahlen. Rechtsanwalt R verklagt T Ende März 2011 mit folgenden Anträgen:

 

 

Musterformulierung / Antrag bei Teilersatzleistungen

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.500 EUR nebst Zinsen i.H. von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach folgender Zinsstaffel zu tragen:
  • aus 2.500 EUR vom 1. bis 31.1.11
  • aus 5.000 EUR vom 1. bis 28.2.11
  • aus 7.500 EUR seit 1.3.11
  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1.4.11 monatlich fortlaufend 2.500 EUR bis zur Obergrenze von 292.500 EUR zu bezahlen.
 

Der Beschenkte kann auf die Begünstigung verzichten und sich durch die Rückgabe des (unteilbaren) Geschenks von der Pflicht zur Leistung von Teilwertersatz befreien (BGH NJW 10, 2655). Bei Überleitung des Anspruchs auf den Sozialhilfeträger ist an diesen als neuen Gläubiger zurückzugeben (BGH NJW 94, 1655). War dem Beschenkten zum Zeitpunkt der Rückgabe die Überleitung nicht bekannt, befreit sie ihn auch gegenüber dem Sozialhilfeträger.

 

Wichtig | Im Umfang der Rückgabe der Zuwendung ist etwa gezahlte Schenkungsteuer zu erstatten (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

 

Zwischen mehreren Beschenkten besteht hinsichtlich des Rückgewähranspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB eine gesamtschuldnerartige Beziehung, die bei der Inanspruchnahme eines Beschenkten einen internen Ausgleichsanspruch entsprechend § 426 Abs. 1 BGB auslöst. Das gilt auch, wenn die ihnen jeweils zugewandten Gegenstände nicht gleichartig sind (BGH NJW 98, 537 ).

 

Weiterführender Hinweis

  • Der Beitrag wird in SR 2/13 fortgesetzt
Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 6 | ID 42309962