· Fachbeitrag · Unterhaltsberechnung
Geschwisterhaftung bei Elternunterhalt
von RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg
| Sind mehrere Kinder vorhanden, haften sie anteilig für den Elternunterhalt. Welche praxisrelevanten Problemkreise die gleichrangige anteilige Haftung mehrerer Kinder B- Geschwister oder auch Halbgeschwister - für den Unterhalt ihrer Eltern oder eines Elternteils beeinflussen können, wird nachstehend in Grundzügen dargestellt. |
1. Grundlage
Geschwister sind als gleich nahe Verwandte verpflichtet, für den ungedeckten Unterhalt ihrer Eltern entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen anteilig aufzukommen (§§ 1601, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Dieser Grundsatz stellt die Praxis vor vielfältige Probleme. Denn die praktische Umsetzung und „richtige“ Berechnung einer solchen anteiligen Haftung ist mit Schwierigkeiten und Unsicherheiten behaftet. Die Ergebnisse sind abhängig von der Eingabe von Daten in die in der Praxis gebräuchlichen Berechnungsschemata. Diesen Eingaben liegen aber bereits rechtliche Wertungen zugrunde. Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel:
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Die verwitwete M ist 80 Jahre alt und in einem Pflegeheim untergebracht. Die Pflegekosten belaufen sich auf monatlich 3.000 EUR. Unter Berücksichtigung der Rente und des Pflegegelds verbleibt eine monatliche Deckungslücke von 1.800 EUR. Hierfür kommt der Träger der Sozialhilfe durch ergänzende Leistungen nach dem SGB XII auf. M hat 4 Kinder, die ihrerseits kinderlos gebliebenen sind. Sohn A ist verheiratet und verfügt über ein anrechenbares Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit von monatlich 5.000 EUR, seine Ehefrau über ein solches von 1.000 EUR. Der unverheiratete Sohn B hat ein Erwerbseinkommen von 2.000 EUR. Die geschiedene Tochter C bezieht Erwerbseinkünfte von 1.600 EUR sowie nachehelichen Unterhalt von 200 EUR. Die verwitwete Tochter D erzielt aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen von 1.000 EUR. Keines der Kinder hat verwertbares Vermögen. Der Sozialhilfeträger will bei den 4 Kindern Rückgriff nehmen. |
2. Unterhaltsbedarf und Bedürftigkeit des Berechtigten
Bei der Ermittlung der Unterhaltspflicht von Geschwistern sind zunächst Feststellungen zum Bedarf (§ 1610 BGB) und zur Bedürftigkeit (§ 1602 Abs. 1 BGB) des unterhaltsberechtigten Elternteils zu treffen. Das gilt insbesondere für einen im Pflegeheim untergebrachten Unterhaltsberechtigten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bestimmt sich der Unterhaltsbedarf des Elternteils regelmäßig und hauptsächlich durch seine Unterbringung in einem Heim und deckt sich mit den hierfür tatsächlich anfallenden Kosten, soweit diese notwendig sind. Ist der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig geworden, so beschränkt sich sein angemessener Lebensbedarf auf das Existenzminimum und damit verbunden auf eine ihm zumutbare einfache und kostengünstige Heimunterbringung. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Auswahl des Pflegeheims grundsätzlich Sache des pflegebedürftigen Elternteils bzw. dessen Betreuer ist.
a) Einwand der kostengünstigeren Unterbringung
Auch wenn keine tragfähigen Zweifel an der Heimpflegebedürftigkeit bestehen, kann von einem auf anteiligen Elternunterhalt in Anspruch genommenen Geschwisterkind der Einwand erhoben werden, dass eine kostengünstigere Heimunterbringung möglich war und ist. Denn auf die wirtschaftlichen Belange des/der Unterhaltsverpflichteten ist grundsätzlich Rücksicht zu nehmen. Der Einwand einer kostengünstigeren Heimunterbringung kann insbesondere in Betracht kommen, wenn die Geschwister an verschiedenen Orten leben. Die Kosten für Alten- und Pflegeheime differieren regional erheblich. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kosten können sozialhilferechtliche Kriterien zwar einen Anhalt für die Angemessenheit bilden. Aus der sozialhilferechtlichen Anerkennung der Kosten folgt nach der Rechtsprechung des BGH jedoch noch nicht zwingend auch deren unterhaltsrechtliche Notwendigkeit. Wegen der bestehenden Bandbreite der von der Sozialhilfe anerkannten Pflegekosten und der Kosten für die Unterkunft und Verpflegung können sozialrechtlich und unterhaltsrechtlich anzuerkennende Heimkosten vielmehr voneinander abweichen.
Steht für den Elternunterhalt ein preisgünstigeres Pflegeheim tatsächlich zur Verfügung, so sind höhere Kosten der Heimunterbringung von den unterhaltspflichtigen Kindern nur dann ausnahmsweise zu tragen, wenn die Wahl des preisgünstigeren Heims nicht zumutbar war oder ist. Das kann der Fall sein, wenn Eltern ihre Heimunterbringung zunächst noch selbst finanzieren konnten und erst später - etwa infolge der Einordnung in eine höhere Pflegestufe - dazu nicht mehr in der Lage sind. Darüber hinaus kann der Umzug in ein anderes Heim (an den Wohnort eines der Geschwisterkinder) zur Vermeidung eines erhöhten Unterhaltsbedarfs unzumutbar sein, wenn lokale oder soziale Bindungen des Pflegebedürftigen zu berücksichtigen sind oder der gesundheitliche Zustand einen Heimwechsel unzumutbar erscheinen lässt. Entsprechendes gilt, wenn ein Kind an der Auswahl des Heims beteiligt war.
b) Darlegungs- und Beweislast
Soweit die Notwendigkeit der Heimkosten der Höhe nach von einem unterhaltspflichtigen Kind ausreichend bestritten wird, ist es Aufgabe des Elternteils, entsprechend der ihn für den angemessenen Lebensbedarf nach § 1610 Abs. 1 BGB treffenden Darlegungs- und Beweislast, die Notwendigkeit der Kosten zu beweisen. Der Umstand, dass der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII geltend macht, lässt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unberührt.
Auf den Unterhaltsbedarf (bestehend aus den Heimkosten zuzüglich eines Barbetrags für die persönlichen, von der Einrichtung nicht gedeckten Bedürfnisse) sind die eigenen Einkünfte und Mittel des unterhaltsberechtigten Elternteils - insbesondere Rente, Pflegeversicherungsleistungen und Pflegewohngeld - anzurechnen. Im Umfang seines nicht gedeckten Bedarfs besteht Bedürftigkeit nach § 1602 Abs. 1 BGB.
3. Gleichrangige Geschwisterhaftung
Gemäß § 1606 Abs. 1 BGB haften die Abkömmlinge vor den Verwandten der aufsteigenden Linie. Gleich nahe Verwandte, wie Geschwister, haften für den ungedeckten Restbedarf ihrer Eltern anteilig, also nicht als Gesamtschuldner sondern nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Die Höhe der Teilschuld bestimmt sich nicht aufgrund einer schematischen Quotierung der unterschiedlich hohen Einkünfte. Der angemessene Eigenbedarf des pflichtigen Kinds darf nach der Rechtsprechung des BGH auch nicht mit einem bestimmten festen Betrag angesetzt werden. Dies hätte zur Folge, dass der die Eigenbedarfsgrenze überschreitende Einkommensanteil bei dem geringer verdienenden Geschwisterkind verhältnismäßig stärker in Anspruch genommen würde als bei dem besser Verdienenden. Eine ungleiche Belastung der Geschwister wird dadurch vermieden, dass die Haftungsquoten erst nach einem Vorwegabzug der für den angemessenen Eigenbedarf zuzubilligenden Beträge (sog. Sockelbeträge) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel ermittelt werden. Ist ein unterhaltspflichtiges Geschwisterkind nicht leistungsfähig, haften der oder die anderen gleichrangigen Geschwister - die eigene Leistungsfähigkeit vorausgesetzt - auf den vollen ungedeckten Bedarf, und damit auch in vollem Umfang an Stelle des leistungsunfähigen Kinds. Eine Rückgriffsmöglichkeit - etwa im Wege des Anspruchsübergangs nach § 1607 Abs. 2 S. 2 BGB - ist nicht eröffnet
4. Auskunftspflicht unter Geschwistern
Ein auf Elternunterhalt in Anspruch genommenes Kind hat gegenüber seinen Geschwistern einen Auskunftsanspruch. Dieser Anspruch kann zwar nicht aus einer der im Familienrecht bestehenden besonderen Gesetzesvorschriften (etwa den §§ 1605, 1585 BGB) hergeleitet werden. Eine Auskunftspflicht ergibt sich nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr unmittelbar aus § 242 BGB als Folge einer besonderen Rechtsbeziehung zwischen den Geschwistern. Denn jedes der Geschwisterkinder ist zur Berechnung des eigenen Haftungsanteils für den Elternunterhalt nur in der Lage, wenn er die hierfür maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der anderen kennt.
Allerdings hat der BGH eine Erstreckung des unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruchs auf die Ehegatten der Geschwister abgelehnt. Diese sind im Rahmen des Elternunterhalts lediglich sozialrechtlich nach § 117 Abs. 2 SGB XII zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Trotz der Versagung eines unmittelbaren Auskunftsanspruchs gegenüber dem jeweiligen Schwager bzw. der Schwägerin ist das Kind, von dem Elternunterhalt verlangt wird, nicht rechtlos gestellt. Die von ihm zur Ermittlung des eigenen Haftungsanteils auf Auskunftserteilung nach § 242 BGB in Anspruch genommenen Geschwister müssen nicht nur über ihre eigenen Einkommensverhältnisse Auskunft erteilen, sondern - falls dieses von ihnen verlangt wird - zusätzlich Angaben über die Einkünfte des jeweiligen Ehegatten machen. Denn die Höhe der Einkünfte beider Ehegatten ist für den Anteil maßgebend, mit dem jeder von ihnen sich am Familienunterhalt beteiligen muss. Durch ihn wird die finanzielle Lage des unterhaltpflichtigen Geschwisterkinds mitbestimmt.
Der Verpflichtung zu Einkommensangaben bezüglich des Ehegatten kann nicht mit der Behauptung fehlender Kenntnis bzw. Befugnis begegnet werden. Denn dem Geschwisterkind wird zugemutet, von seinem Ehegatten die benötigten Auskünfte zu verlangen. Dieser ist nach der Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft und den damit geschuldeten Beistand sowie die gebotene Rücksichtnahme verpflichtet, den anderen Ehegatten über seine für die Höhe des Familienunterhalts maßgeblichen finanziellen Verhältnisse hinreichend konkret zu informieren. Ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Ehegatten muss dahinter zurückstehen, auch wenn er außerhalb des unmittelbaren Unterhaltsverhältnisses steht. Nicht geschuldet wird allerdings die Vorlage von Belegen oder die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Eine solche Kontrollmöglichkeit ist mit dem Prinzip der Ehe (und des darin herrschenden Vertrauens) grundsätzlich nicht vereinbar.
5. Schlüssigkeit der Unterhaltsforderung
Zur schlüssigen Begründung eines Anspruchs auf Elternunterhalt gehört, dass der klagende Elternteil bzw. Sozialhilfeträger Ausführungen zur Höhe der Unterhaltsquote des gerichtlich in Anspruch genommenen Geschwisterkinds und deren Berechnung macht. Er trägt mithin die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang der jeweiligen Haftungsquote der Geschwister. Um sich in die Lage zu versetzen, die Haftungsanteile in der gebotenen Weise schlüssig darzulegen, können Eltern von ihren Kindern nach § 1605 BGB Auskunft über deren Einkünfte und Vermögen sowie derjenigen ihrer Schwiegerkinder verlangen. Dieser privatrechtliche Auskunftsanspruch geht zusammen mit dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch des berechtigten Elternteils nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger über.
PRAXISHINWEIS | In der Praxis verweigert der Sozialhilfeträger im vorgerichtlichen Verfahren häufig die Dokumentation der wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschwister unter Hinweis auf den Datenschutz. Da zur Schlüssigkeit der Unterhaltsforderung ihre nachvollziehbare und nachprüfbare Darlegung sowie die Dokumentation der Einkommens- und Vermögensverhältnisse aller Geschwister sowie ihrer Ehegatten gehört - ihre bloß pauschale Behauptung also gerade nicht ausreicht - empfiehlt es sich in dieser Situation für das unterhaltspflichtige Kind, den Anspruch auf anteiligen Elternunterhalt unter Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit zunächst insgesamt zurückzuweisen.
6. Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Geschwister
PRAXISHINWEIS | In der Praxis verweigert der Sozialhilfeträger im vorgerichtlichen Verfahren häufig die Dokumentation der wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschwister unter Hinweis auf den Datenschutz. Da zur Schlüssigkeit der Unterhaltsforderung ihre nachvollziehbare und nachprüfbare Darlegung sowie die Dokumentation der Einkommens- und Vermögensverhältnisse aller Geschwister sowie ihrer Ehegatten gehört - ihre bloß pauschale Behauptung also gerade nicht ausreicht - empfiehlt es sich in dieser Situation für das unterhaltspflichtige Kind, den Anspruch auf anteiligen Elternunterhalt unter Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit zunächst insgesamt zurückzuweisen. |
Obwohl die Leistungsfähigkeit des auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Geschwisterkindes an sich zur Begründung der Unterhaltsforderung gehören müsste, hat das Gesetz die Darlegungs- und Beweislast (aus Zweckmäßigkeitsgründen) umgekehrt. Wie sich aus § 1603 Abs. 1 BGB ergibt, ist die Leistungsunfähigkeit als Einwendung ausgestaltet. Das gilt auch, wenn der Elternunterhalt nicht vom Berechtigten selbst sondern vom Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht geltend gemacht wird. Daher ist das Kind auch beim Elternunterhalt gehalten, alle für die geltend gemachte Einschränkung oder das Fehlen seiner Leistungsfähigkeit erforderlichen Tatsachen - entsprechend den obigen Ausführungen auch das Einkommen seines Ehegatten und den vollständigen Bedarf der Familie - substanziiert darzulegen und notfalls zu beweisen.
a) Berechnung der Leistungsfähigkeit im Beispielsfall
Das alleinstehende oder getrennt lebende Geschwisterkind haftet ausschließlich mit seinen eigenen Einkünften, zu denen auch Unterhaltsleistungen gehören können. Ihm ist gegenüber den Eltern nach der im Jahr 2014 geltenden Düsseldorfer Tabelle ein angemessener Selbstbehalt von monatlich 1.600 EUR zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens zu belassen.
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Im Beispielsfall muss sich der B danach an dem ungedeckten Bedarf der M nur in Höhe von [(2.000 EUR - 1.600 EUR) : 2 =] 200 EUR beteiligen. Die Leistungsfähigkeit von C beträgt [(1.800 EUR - 1.600 EUR) : 2 = ] 100 EUR. |
Das eigene Einkommen des pflichtigen Kinds ist nur mit den tatsächlich erzielten Beträgen anzusetzen. Da das Unterhaltsverhältnis beim Elternunterhalt nach der BGH-Rechtsprechung mit Blick auf § 1609 Nr. 6 BGB vergleichsweise schwach ausgestaltet ist, kann ein fiktives Einkommen wegen Verletzung einer Erwerbsobliegenheit oder wegen Herbeiführung der Leistungsunfähigkeit nur in Ausnahmefällen (bei einem verantwortungslosen, leichtfertigen und unterhaltsbezogenen Verhalten) zugerechnet werden. Regelmäßig ist eine Erwerbsobliegenheit des unterhaltspflichtigen Kinds gegenüber seinen Eltern zu verneinen.
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Das bedeutet für den Beispielsfall, dass die aufgrund eigener Entscheidung nur halbschichtig berufstätige D auch bei uneingeschränkter Erwerbsfähigkeit ihre bereits vorher ausgeübte Teilzeittätigkeit im Zuge der Geltendmachung von Elternunterhalt nicht ausweiten muss. Sie kann mit ihrem tatsächlichen Einkommen von 1.000 EUR zu Unterhaltsleistungen für M wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht herangezogen werden. |
Im Fall eines verheirateten Unterhaltspflichtigen ist unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360 a BGB) auch das Einkommen des mit ihm zusammenlebenden Ehegatten maßgeblich. Der BGH hat hierzu entschieden, dass für die Frage der Leistungsfähigkeit der individuelle Familienselbstbehalt zu errechnen ist und der Anteil des für den Elternunterhalt haftenden Kinds hieran. Das vom BGH entwickelte Berechnungsmodell ist unabhängig davon anzuwenden, ob das Einkommen des unterhaltspflichtigen Geschwisterkinds höher oder niedriger ist als dasjenige seines Ehegatten.
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Im Beispielsfall ergibt sich aus dem Einkommen des A (5.000 EUR) und seiner Ehefrau (1.000 EUR) ein Familieneinkommen von 6.000 EUR. Hiervon ist der nach der Düsseldorfer Tabelle im Jahr 2014 geltende Familienselbstbehalt von (1.600 EUR + 1.280 EUR =) 2.880 EUR abzusetzen. Es verbleiben 3.120 EUR. Von diesem Betrag sind 45 Prozent für den Elternunterhalt einzusetzen, also 1.404 EUR. Der individuelle Familienselbstbehalt beträgt (2.880 EUR + 1.404 EUR =) 3.684 EUR. Der Anteil des A hieran beläuft sich auf 83,33 Prozent und entspricht seinem Anteil am Familieneinkommen (5.000 EUR : 6.000 EUR), also rd. 3.070 EUR. Damit kann A von seinem Einkommen (5.000 EUR - 3.070 EUR =) 1.930 EUR für den Elternunterhalt einsetzen. |
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Steuerklassenwahl eines mithaftenden verheirateten Geschwisterkinds seine Leistungsfähigkeit beeinflusst. Hat das unterhaltspflichtige Kind die ungünstige Steuerklasse V gewählt, ist nach der Rechtsprechung des BGH die Verschiebung der Steuerbelastung bei Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit zu korrigieren. Das geschieht unter Berücksichtigung der Einkommen beider Ehegatten durch einen zu schätzenden Abschlag, der an der Lohnsteuerklasse IV orientiert werden kann.
b) Berechnung der Leistungsfähigkeit bei einzusetzendem Vermögen
Die Berechnung der Leistungsfähigkeit und der anteiligen Geschwisterhaftung bereitet besondere Probleme, wenn die Haftungsquote nicht nur aus dem Einkommen sondern auch aus vorhandenem Vermögen zu berechnen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Eine allgemeine Billigkeitsgrenze - wie sie für den nachehelichen Ehegattenunterhalt geregelt ist - sieht das Gesetz für den Elternunterhalt nicht vor. Deshalb ist auch hinsichtlich des einsetzbaren Vermögens auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den geforderten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren. Hierzu außerstande ist jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfügt. Dieses ist - auch soweit es für die eigene Alters-vorsorge angespart wurde - anhand der allgemeinen Sterbetafel in eine Monatsrente umzurechnen. Dem unterhaltspflichtigen Kind wird damit zugemutet, dass es vorhandenes Vermögen sukzessive für den Elternunterhalt verbraucht. Dementsprechend ist die Leistungsfähigkeit und auch die Haftungsquote des betreffenden Geschwisterkindes so zu bestimmen, als würde es sein verrentetes Vermögen während der Lebenszeit des unterhaltsbedürftigen Elternteil für diesen verwenden.
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Würde die D im Beispielsfall über ein nennenswertes verwertbares Kapitalvermögen verfügen, wäre ihr mit Blick auf die bestehende Verwertungspflicht neben ihrem tatsächlichen Einkommen eine aus dem Kapital erzielbare Monatsrente zuzurechnen, die Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit und Haftungsquote hätte. |
7. Berechnung der Haftungsquoten von Geschwistern
Die Berechnung der anteiligen Haftung von Geschwistern für den Elternunterhalt nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB erfolgt in zwei Schritten. In einem ersten Schritt ist die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit jedes Geschwisterkinds nach den hierfür geltenden Grundsätzen zu bestimmen. Übersteigt die Leistungsfähigkeit aller haftenden Geschwister den ungedeckten Unterhaltsbedarf des berechtigten Elternteils, so ist in einem zweiten Schritt der Haftungsanteil jedes Kindes nach folgender Formel zu errechnen:
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R x V : S
Dabei ist R der ungedeckte Restbedarf des Elternteils, V das für den Elternunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen des in Anspruch genommenen Geschwisterkinds und S die Summe der einsetzbaren Einkünfte aller Geschwister. |
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Im Beispielsfall bedarf es aufgrund bestehender Leistungsfähigkeit von A, B und C (1.930 EUR + 200 EUR + 100 EUR = 2.230 EUR) für die vorhandene Deckungslücke von 1.800 EUR einer zweistufigen Berechnung. Diese führt nach der vorstehenden Formel zu einer Haftungsquote des A von (1.800 EUR x 1.930 EUR : 2.230 EUR =) rd. 1.558 EUR (ca. 86,5 Prozent). Die Haftungsquote des B beträgt rd. 161 EUR (ca. 9 Prozent) und diejenige der C rd. 81 EUR (ca. 4,5 Prozent). |
Übersteigt der ungedeckte Restbedarf die Summe der verfügbaren Geschwistereinkünfte, verbleibt es bei der Haftung jedes Geschwisterkinds im Umfang seiner errechneten Leistungsfähigkeit. Im Beispielsfall hätte die zur Verfügung stehende Haftungsmasse von A, B und C für den Fall eines ungedeckten Restbedarfs der M von 2.300 EUR nicht mehr ausgereicht. Sie wären dann im vollen Umfang ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit (1.930 EUR + 200 EUR + 100 EUR) zu Unterhaltszahlungen für M heranzuziehen.
Weiterführender Hinweis
- Ab 1.1.15 geltenden erhöhte Selbstbehalte beim Elternunterhalt: Für das unterhaltspflichtige Kind 1.800 EUR und für seinen Ehegatten 1.440 EUR. Der Familienselbstbehalt erhöht sich also von 2.880 EUR auf 3.240 EUR.