Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

Vorerbe wird zum Vollerbe, Enkel geht leer aus

von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

| Der Erblasser hatte mit seiner dritten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin setzte er seine dritte Ehefrau zur nicht befreiten Vorerbin ein und bestimmte seine beiden Kinder aus erster Ehe als Nacherben. Gleichzeitig hat er die Ehefrau dazu befugt, die Nacherbenbestimmung abzuändern, allerdings nur aus einem von ihm bestimmten Personenkreis. |

 

Sachverhalt

Der Erblasser E verstarb Ende 1989. Aus erster Ehe hatte er zwei Kinder. Eines war vorverstorben und hatte einen Enkel hinterlassen. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete E erneut. Diese Ehe blieb kinderlos und wurde geschieden. Mit seiner dritten Ehefrau F, diese Ehe blieb ebenfalls kinderlos, errichtete er ein notarielles gemeinschaftliches Testament. Darin setzte der E die F zur nicht befreiten Vorerbin ein und bestimmte seine beiden Kinder als Nacherben zu gleichen Teilen. Als Ersatznacherben waren jeweils die Abkömmlinge der Nacherben bestimmt. Weiter ist in dem Testament geregelt: „Die Einsetzung meiner beiden Söhne als Nacherben erfolgt unter der Bedingung, dass meine Ehefrau nicht anderweitig letztwillig testiert. Meine Ehefrau ist jedoch nur innerhalb meiner Abkömmlinge zur Abänderung der Nacherbenbestimmung befugt.“

 

Nach dem Tod des E errichtete die F ein notarielles Einzeltestament. Hierin nahm sie Bezug auf die Abänderungsbefugnis in dem gemeinschaftlichen Testament und bestimmte nun einen der Abkömmlinge des E als Alleinerben. Nach dem Tod der F beantragte dieser einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Die bedingte Nacherbeneinsetzung durch das gemeinschaftliche Testament sei durch das spätere Testament der F wirksam abgeändert worden; er sei nun alleiniger Nacherbe. Dem ist der Enkel des E entgegengetreten.

 

  • 1. Die dem Vorerben eingeräumte Befugnis, die Nacherben aus einem von dem Erblasser bestimmten Personenkreis abzuändern, kann dahin umgedeutet werden, dass die Nacherben unter der Bedingung eingesetzt sind, dass der Vorerbe keine anderweitige Verfügung trifft.
  • 2. Eine solche Umdeutung kommt auch bei einer nicht befreiten Vorerbschaft in Betracht.
 

Entscheidungsgründe

Das OLG München stellt zunächst klar, dass die in dem gemeinschaftlichen Testament eingeräumte Möglichkeit zur Änderung der Bestimmung in Bezug auf die Person des Nacherben nach § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam ist. Nach § 2065 Abs. 2 BGB kann der Erblasser keinem anderen überlassen zu bestimmen welche Person eine Zuwendung erhalten und welcher Gegenstand zugewendet werden soll. Er regelt das Verbot der Drittbestimmung im Erbrecht. Allerdings ist in der Rechtsprechung seit Langem anerkannt, dass der Erblasser einen Nacherben wirksam unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt. Eine solche Regelung steht nicht im Widerspruch zu der Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB. Vielmehr wurde in einem solchen Fall die Vorerbschaft auflösend bedingt angeordnet. Die Bedingung tritt ein, wenn der Vorerbe entsprechend den Vorgaben des Erblassers testiert. Tut er dies - tritt also die Bedingung ein -, ist in diesem Moment die Beschränkung der Vor- und Nacherbfolge aufgehoben, und der Vorerbe verfügt allein über seinen eigenen Nachlass. Mit dem Eintritt der Bedingung, infolge dessen die Beschränkungen der Vor- und Nacherbfolge wegfallen, wird er zum unbeschränkten Vollerben.

 

Hier war der Vorerbe ausdrücklich befugt, den Nacherben auszuwechseln. Die Anordnung war unwirksam, konnte jedoch im Wege der Umdeutung gemäß § 140 BGB geheilt werden. Ziel des Es war es, dass insbesondere die in seinem Eigentum stehende Immobilie letztlich allein an seine Abkömmlinge fällt. Dieses wirtschaftlich gewollte Ergebnis lässt sich durch die auflösend bedingte Vor- und Nacherbfolge erreichen.

 

Relevanz für die Praxis

Vorliegend war es dem E offensichtlich wichtig, dass zunächst seine dritte Ehefrau seinen Grundbesitz zu ihren Lebzeiten nutzen konnte und die Immobilie nach dem Tod der Ehefrau auf die eigenen Kinder übergeht. Eine schlichte Erbeinsetzung mit Schlusserbenbestimmung zugunsten der eigenen Kinder hilft hier dem E nicht weiter. Als Vollerbin hätte die Ehefrau den Grundbesitz veräußern können. Weiter hätten möglicherweise Pflichtteilsansprüche eigener Abkömmlinge der Ehefrau den Nachlass seiner Kinder im Schlusserbfall geschmälert.

 

Oft hat sich der Erblasser im Zeitpunkt der Testierung aber noch nicht entschieden, welches seiner Kinder den Nachlass erhalten soll. Hier verfallen einige auf den Gedanken, diese Entscheidung dem eingesetzten Vorerben zu überlassen, indem sie einen bestimmten Kreis von Personen benennen, aus deren Kreis der Vorerbe den Nacherben bestimmen kann. Dieses Drittbestimmungsrecht ist wegen Verstoßes gegen § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam. In einem solchen Fall ist das Testament umzudeuten, und zwar dahingehend, dass die angeordnete Vor- und Nacherbfolge unter der Bedingung steht, dass der Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt.

 

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Nacherbfolge als solche bis zum Eintritt des Nacherbfalls fortbesteht, da erst in diesem Zeitpunkt feststeht, ob der Vorerbe von seiner Befugnis wirksam Gebrauch gemacht hat, die auflösende Bedingung herbeizuführen. Andererseits wird der Vorerbe, der wirksam anderweitig verfügt, für eine juristische Sekunde Vollerbe des Erblassers. Diese Tatsache hat möglicherweise erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. Denn etwaige Pflichtteilsberechtigte des „Vorerben“ partizipieren nun aufgrund der Vollerbenstellung am Vorerbenvermögen. Die Minderung dieser Pflichtteilsrechte ist aber häufig gerade Ziel der Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge.

Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 60 | ID 43978225