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· Fachbeitrag · Strafrecht

Krematorium: BGH klärt Aschebegriff

Zur „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB gehören sämtliche nach der Einäscherung verbleibende Rückstände, d.h. auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen, nicht verbrennbaren Bestandteile (30.6.15, 5 StR 71/15, Abruf-Nr. 178337).

Sachverhalt

Die Angeklagten waren in einem Krematorium beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte es, nach einem Verbrennungsvorgang ein Metallfach aus dem Ofen zu nehmen, in welchem sich Verbrennungsrückstände befanden, und diese mit Hilfe einer kleinen Handgartenharke nach größeren Metallteilen, insbesondere künstlichen Gelenken, zu durchsuchen, die sonst in einem späteren Arbeitsschritt die Knochenmühle beschädigt hätten. Diese waren in einen Sammelbehälter einzuwerfen und wurden durch das Krematorium veräußert. Darüber hinaus hatten sie Zahngold, Schmuckreste und sonstige Wertmetalle aus den Verbrennungsrückständen zu entnehmen und in einem gesonderten Behältnis abzulegen. Diese werthaltigen Gegenstände stellten wegen ihrer geringen Größe keine Beschädigungsgefahr für die Knochenmühle dar; vielmehr wollten die Hamburger Friedhöfe sich diese aneignen, veräußern und den Erlös der Kinderkrebshilfe spenden. Anschließend wurden die verbliebenen Rückstände in einer Knochenmühle gemahlen und automatisch in die jeweilige Urne gefüllt. Schwere Rückstände verblieben nach dem Mahlvorgang jedoch in einem Sammelfach der Mühle und wurden von den Bedienern nochmals sortiert. Dabei sollten Gegenstände entfernt werden, die, wie etwa metallische Sargbestandteile, erkennbar nicht der verstorbenen Person zuzuordnen waren. Auch insofern galt die Dienstanweisung, dass werthaltige Kleingegenstände im Behälter gesammelt werden sollten. Nach dieser Sortierung wurden die letzten Verbrennungsreste in die Urne gegeben, die danach verschlossen wurde.

 

Die Angeklagten entnahmen an den Einäscherungsanlagen des Krematoriums in diversen Fällen Zahngoldbruch aus den Verbrennungsresten der zuvor eingeäscherten Verstorbenen. Dies geschah entweder bei der Durchsuchung der Rückstände nach großen Gegenständen oder bei der Sortierung der Rückstände, die aus der Knochenmühle entnommen wurden.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH stellte fest, zum Körper eines Menschen gehören auch künstliche Körperteile, wie das Zahngold, die durch die Einbeziehung in die Körperfunktion ihres Trägers ihre Sachqualität verloren haben und nicht ohne Verletzung der Körperintegrität entfernt werden können; sie genießen damit ebenso das besondere Persönlichkeitsrecht am Körper wie die natürlichen Körperteile (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 90 Rn. 3). Indem diese Gegenstände als dem Körper zugehörig empfunden werden, erstreckt sich auch auf sie das Gefühl der Verbundenheit und Pietät.

 

Dem Tatobjekt „Asche“ kommt innerhalb des Tatbestands des § 168 StGB kein geringerer Schutz zu als dem Körper oder Teilen des Körpers des verstorbenen Menschen. Ihm soll vielmehr derselbe Schutz auf würdige und pietätvolle Behandlung gewährt werden wie dem menschlichen Körper. Schon das Reichsgericht hat klargestellt, dass mit der grundsätzlichen Gleichstellung von Feuer- und Erdbestattung durch § 1 Feuerbestattungsgesetz 1934 einer unterschiedlichen Behandlung der Asche und des Leichnams der Boden entzogen worden ist und beide denselben Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe genießen. Wie der Körper des verstorbenen Menschen sind daher auch seine Verbrennungsreste in ihrer Gesamtheit zu schützen. Diese sind auch nicht deshalb weniger schutzbedürftig, weil vom verstorbenen Menschen abgetrennte Teile, wie etwa Zahngold nach dem Verbrennungsvorgang, ebenso wie abgetrennte Teile des lebenden Körpers mit der Abtrennung Sachqualität erlangen. Denn der Schutz der Totenruhe ist unabhängig von der Sachqualität einzelner Körperteile zu beurteilen. Daher bleibt auch Asche so lange geschützt, wie das ihr geltende Pietätsempfinden noch nicht erloschen ist.

 

Dem Schutz der Verbrennungsreste in ihrer Gesamtheit entspricht es, dass diese nach der Einäscherung nach den Regelungen des Friedhofsrechts unverzüglich und vollständig in einer amtlich zu verschließenden und entsprechend zu kennzeichnenden Urne zu sammeln sind. Dadurch wird gewährleistet, dass sie auch noch nach längerer Zeit einer behördlichen Untersuchung unterzogen werden können, denn es besteht ein erhebliches Interesse an der Feststellung ihrer Identität, Vollständigkeit und Ausschließlichkeit.

Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 168 | ID 43632042