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· Fachbeitrag · Testament

Patchwork-, Geschiedenen- und Behindertentestament kombinieren

von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

| Besondere Familienkonstellationen erfordern besondere Testamentsgestaltungen: Für die Patchwork-Familie, für Geschiedene und für den Fall eines behinderten Erben gibt es anerkannte Gestaltungsempfehlungen. Der folgende Beitrag gibt Antworten für den Fall, dass alle drei Sachverhalte berücksichtigt werden müssen. |

1. Das Ehepaar gibt folgende Eckdaten bekannt

Die Eheleute F und M sind verheiratet. Für den Ehemann M ist das die zweite Ehe. Daher bestand er auf den Güterstand der modifizierten Zugewinngemeinschaft, bei dem der Zugewinnausgleich für den Scheidungsfall ausgeschlossen wird. Mit seiner geschiedenen Ehefrau (F-Ex) hat er ein gemeinsames Kind (K1). Mit der aktuellen Ehefrau F hat er zwei Kinder (K2 und K3). K3 ist behindert und wird Zeit seines Lebens auf staatliche Hilfe angewiesen sein.

 

 

Die Eheleute F und M möchten ein Testament errichten und haben dabei folgende Vorstellungen:

 

  • Da bei dem Ehemann M der Rosenkrieg anlässlich seiner Scheidung von F-Ex noch sehr gegenwärtig ist, muss aus seiner Sicht unter allen Umständen sichergestellt sein, dass die F-Ex weder unmittelbar noch mittelbar im Erbfall an dem Vermögen des M partizipiert.

 

  • Für K3 soll sichergestellt sein, dass es auch in Zukunft die staatlichen Leistungen ungeschmälert erhält. Da die Eheleute relativ vermögend sind, regen sie an, dass dieses Kind schlicht enterbt wird, um so den Sozialleistungsanspruch nicht zu gefährden.

 

  • Verstirbt einer der aktuellen Ehegatten F und M, soll der Überlebende zunächst Alleinerbe werden.

 

  • Gleichzeitig soll sichergestellt sein, dass das Immobilienvermögen der F und das Immobilienvermögen des M den jeweils eigenen Kindern zufällt.

 

Für den hier vorliegenden Fall sind die Elemente des Geschiedenen-Testaments mit den Elementen des Behinderten-Testaments zu kombinieren. Weiter muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Eheleute Kinder aus verschiedenen Beziehungen haben.

2. Geschiedenen-Testament

Ziel des Testaments aus Sicht des M ist zunächst, dass F-Ex von jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren erbrechtlichen Beteiligung an seinem Vermögen ausgeschlossen ist. Im ersten Schritt ist dies unproblematisch. Würde M versterben und hätte er kein Testament errichtet (also bei gesetzlicher Erbfolge), wäre F-Ex nicht berechtigt zu erben. Der geschiedene Ehegatte gehört nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben. Daraus folgt, dass auch für den Fall, dass M ein Testament, beispielsweise zugunsten seiner zweiten Ehefrau, errichtet hätte, die F-Ex nicht pflichtteilsberechtigt wäre.

 

Problematisch wird es dann, wenn das Kind aus erster Ehe (K1) zur Erbfolge berufen ist. Wäre es zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig, hätte die erste Ehefrau kraft ihres Sorgerechts zumindest mittelbar Zugriff auf das von M durch K1 ererbte Vermögen. In dem Testament kann und sollte geregelt werden, dass der F-Ex für den Fall, dass K1 beim Tode von M noch minderjährig ist, von der Verwaltung des geerbten Vermögens ausgeschlossen wird.

 

Ein weiterer Störfall kann eintreten, wenn zunächst M verstirbt und von K1 beerbt wird. Würde sodann K1 versterben, ohne eigene Abkömmlinge zu hinterlassen, wäre F-Ex als leibliche Mutter als gesetzliche Erbin zur Alleinerbfolge berufen. Selbst wenn K1 in diesem Fall ein Testament errichtet hätte und darin andere Personen als seine leibliche Mutter als Erben eingesetzt hätte, bliebe die leibliche Mutter pflichtteilsberechtigt. Über diese Pflichtteilsberechtigung würde sie also zumindest teilweise Zugriff auf das ehemals von M stammende Vermögen erhalten. Um dies auszuschließen, sollte in der Person des K1 eine auflösend bedingte Vor- und Nacherbfolge vorgesehen werden. Sofern K1 zur Erbfolge berufen ist, ist er nur (befreiter) Vorerbe, Nacherben sind an erster Stelle die leiblichen Abkömmlinge des K1 sowie ersatzweise beispielsweise die Stiefgeschwister. Von jeder Erbfolge ausgeschlossen wird die F-Ex.

 

Da die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge in der Person des K1 dessen erbrechtliche Position stark einschränkt, ist darauf zu achten, mit der Vor- und Nacherbfolge nicht über das Ziel hinauszuschießen. Einziger Zweck der Vor- und Nacherbfolge ist hier, die F-Ex von jeglichen erbrechtlichen Ansprüchen auszuschließen. Dieser Zweck entfällt jedenfalls dann, wenn die F-Ex verstorben ist, d. h., auflösende Bedingung für die angeordnete Vor- und Nacherbfolge in Bezug auf K1 ist der Tod der F-Ex.

 

Häufig ist die Vor- und Nacherbfolge auch dadurch auflösend bedingt, dass der K1 eigene Abkömmlinge hat. Hat K1 eigene Abkömmlinge und verstirbt, so wäre F-Ex jedenfalls nicht mehr pflichtteilsberechtigt. Ist die auflösende Bedingung eingetreten, weil K1 eigene Abkömmlinge hat, würde in diesem Fall die angeordnete Vor- und Nacherbfolge endgültig wegfallen. Würde der Abkömmling versterben, könnte die Vor- und Nacherbfolge nicht wieder aufleben. Dies mag teilweise ein gewisses Risiko dieser Gestaltung sein. Will man hier absolute Sicherheit, ist auf diese zweite auflösende Bedingung (eigene Abkömmlinge) zu verzichten.

 

FAZIT | Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Bezug auf den geschiedenen Ehegatten zunächst der Entzug des Verwaltungsrechts geregelt wird. Weiter ist in Bezug auf K1 eine auflösend bedingte Vor- und Nacherbfolge zu regeln (siehe auch entsprechende Musterformulierung von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolgegestaltung, § 65).

 

3. Behindertentestament

Mit dem Behindertentestament soll sichergestellt werden, dass das behinderte Kind auch für den Fall, dass es als Erbe berufen ist und somit über eigenes Vermögen verfügt, gleichwohl in den Genuss der staatlichen Leistung kommt. Eine schlichte Enterbung des behinderten Kindes ist hier nicht zielführend. Der Sozialleistungsträger kann die Pflichtteilsansprüche auf sich überleiten. Ziel ist es, das behinderte Kind als Erbe einzusetzen und gleichzeitig dem Familienstamm das Vermögen zu erhalten.

 

Die hierfür übliche Gestaltung ist Folgende: Das behinderte Kind wird mindestens in Höhe seiner Pflichtteilsquote als Vorerbe und der überlebende Ehegatte bzw. die gesunden Kinder werden als Nacherben eingesetzt. Zwar kann nach der Neuregelung des § 2306 BGB hier auch ausreichend sein, den Erbteil exakt in Höhe der Pflichtteilsquote zu bemessen.

 

Es empfiehlt sich dennoch aus Sicherheitsgründen ein höherer Erbteil, um nicht einem etwa eingesetzten (fremden) Betreuer einen Anreiz zu geben, die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen (von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolgegestaltung, § 70 Rn. 15). Dadurch ist gesichert, dass das behinderte Kind und damit mittelbar auch der Sozialleistungsträger nicht über die ererbte Vermögenssubstanz verfügen kann bzw. Zugriff darauf hat. Das Recht zur Ausschlagung ist höchstpersönlich und nach derzeitiger Auffassung vom Sozialleistungsträger nicht überleitbar.

 

Daneben wird eine Dauertestamentsvollstreckung als Verwaltungstestamentsvollstreckung angeordnet, um auch sämtliche Erträge sowie die Substanz selbst dem Zugriff des behinderten Kindes und dem Sozialleistungsträger zu entziehen. Dabei wird der Testamentsvollstrecker angewiesen, dem behinderten Kind solche Beträge aus den Erträgen des Nachlasses zuzubilligen, die auf die Sozialleistungen keine Anrechnung finden.

 

Bei der Gestaltung des Testaments ist darauf zu achten, dass bereits beim ersten Erbgang, also beim Tod des ersten der Ehegatten, das behinderte Kind mindestens in Höhe der Pflichtteilsquote zum Vorerben eingesetzt wird. Würden sich die Ehegatten schlicht gegenseitig als Alleinerben einsetzen, sind die Kinder auf diesen ersten Erbgang enterbt mit der Folge, dass in ihrer Person Pflichtteilsansprüche entstehen. Dieser Pflichtteilsanspruch könnte von dem Sozialleistungsträger übergeleitet werden.

 

Bei der Gestaltung des Testaments ist weiter Folgendes zu berücksichtigen: Falls die Eltern ihren gesunden Kindern lebzeitig Vermögen übertragen, könnte diese Vermögensübertragung in Person des behinderten Kindes Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Auch diese Pflichtteilsergänzungsansprüche könnte der Sozialleistungsträger auf sich überleiten. Daher sollten bedingte Vor- und Nachvermächtnisse geregelt werden.

 

Sofern durch lebzeitige Übertragung der Eltern an die gesunden Kinder in der Person des behinderten Kindes Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen, erhält das behinderte Kind ein Vermächtnis in Höhe des rechnerischen Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Gleichzeitig mit dem Vermächtnis ist ein Nachvermächtnis zugunsten der eingesetzten Nacherben zu regeln. Weiter ist darauf zu achten, dass auch für die Vor- und Nachvermächtnisse die Dauertestamentsvollstreckung angeordnet wird (vergleiche Musterformulierung in Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, 4. Auflage 2015, Rn. 5821).

4. Patchworktestament

In Patchworkkonstellationen, also wenn die Ehegatten Kinder aus verschiedenen Beziehungen haben, versagt die gesetzliche Erbfolge. Würde M versterben, ohne ein Testament zu hinterlassen, würde seine Ehefrau F zu 1/2 und die drei Kinder K1 bis K3 zu je 1/6 zur Erbfolge berufen sein. Verstirbt F, wäre ihr Ehemann zu 1/2 und die Kinder K2 und K3 zu je 1/4 zur Erbfolge berufen. K1 würde in diesem Fall leer ausgehen.

 

Wird ein Testament errichtet, ist zunächst die Frage zu klären, ob die Kinder aus verschiedenen Beziehungen gleichanteilige Teilhabe an dem Vermögen der Ehegatten haben sollen oder ob vielmehr gewünscht ist, dass jeder der Ehegatten sein Vermögen nur seinen Kindern weitervererbt. Im ersten Fall empfiehlt sich die Einheitslösung, d. h. der überlebende Ehegatte wird zunächst Vollerbe. Als Schlusserben werden sämtliche Kinder benannt.

 

FAZIT | Hier war Vermögenstrennung gewünscht: Deshalb sollte der zunächst überlebende Ehegatte als Vorerbe eingesetzt werden und sodann die Kinder des erstversterbenden Ehegatten als dessen Nacherben, Schlusserben nach dem Letztversterbenden sind dann allein die jeweils eigenen Kinder.

 

Ob alle Kinder - die gemeinschaftlichen und die einseitigen - gleich behandelt werden sollen oder ob die jeweils eigenen Kinder das jeweils eigene Vermögen ungeschmälert erhalten sollen, kann von vielen Faktoren abhängen. Sind sämtliche Kinder noch relativ jung und wachsen gemeinsam auf, dürfte die Einheitslösung vorzuziehen sein.

 

Wird die Einheitslösung verfolgt, ist weiter die Frage zu klären, ob der überlebende Ehegatte an die Schlusserbeneinsetzung gebunden sein soll oder nicht. Ist in dem Testament eine Öffnungsklausel vorgesehen, könnte der überlebende Ehegatte allein seine eigenen Kinder in einem nachfolgenden Testament als Erben bestimmen. Das einseitige Kind des erstversterbenden Ehegatten würde in diesem Fall leer ausgehen. Auch pflichtteilberechtigt ist es gegenüber dem Stiefelternteil nicht.

 

Gestaltungsziel der Eheleute war, dass das jeweils eigene Vermögen den jeweils eigenen Kindern letztlich zugutekommen soll. Es wird hier die Trennungslösung weiter verfolgt: Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Vorerben ein und bestimmen jeweils ihre eigenen Kinder als Nacherben.

 

Um den überlebenden Ehegatten jedoch durch die Vor- und Nacherbfolge nicht allzu sehr zu belasten, empfiehlt es sich, zumindest ein Hausratsvorausvermächtnis - das den Beschränkungen der Vor- und Nacherbfolge gerade nicht unterliegt - zu regeln.

 

Es kann nicht sein, dass in dem Fall, dass der Nacherbe Auskunftsansprüche geltend macht, der überlebende Ehegatte verpflichtet ist, Einrichtungsgegenstände und Kaffeetassen zu zählen (Mustervorlage für die verschiedenen Gestaltungsvarianten finden sich im Beck‘schen Formularbuch Erbrecht, Kapitel E III).

 

Checkliste / Zusammenfassende Lösung

Auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten wird das behinderte Kind zu einer Quote knapp oberhalb der Pflichtteilsquote als Vorerbe eingesetzt, in Höhe der verbleibenden Quote der überlebende Ehegatte, ebenfalls als Vorerbe.

Nacherbe des als Vorerben eingesetzten Ehegatten werden die eigenen (gesunden) Kinder des erstversterbenden Ehegatten.

Nacherben des behinderten Kindes werden die (gesunden) Kinder des erstversterbenden Ehegatten bzw. ersatzweise deren leibliche Abkömmlinge.

Hausratsvorausvermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten.

Der Erbteil des behinderten Kindes wird mit einer Dauertestamentsvollstreckung mit konkreten Verwaltungsanordnungen beschwert.

Schlusserben des letztversterbenden Ehegatten werden wiederum das behinderte Kind zu einer Quote knapp oberhalb der Pflichtteilsquote, wiederum als Vorerbe, die verbleibende Quote entfällt auf die jeweils eigenen (gesunden) Kinder.

Bedingtes Vor- und Nachvermächtnis zur Vermeidung von etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen in Person des behinderten Kindes.

Bedingte Vor- und Nacherbfolge zulasten des einseitigen Kindes (K1) des Ehemanns.

Ausschluss des Verwaltungsrechts der F-Ex in Bezug auf das von K1 ererbte Vermögen für den Fall, dass K1 zum Zeitpunkt des Erbanfalls noch minderjährig sein sollte.

 
Quelle: Ausgabe 09 / 2016 | Seite 160 | ID 44195381