· Fachbeitrag · Vermächtnis
Sinnvoll gestalten mit dem Wohnungsrechtsvermächtnis
RA Uwe Gottwald, VRiLG a.D., Vallendar
| Mit einem Wohnungsrechtsvermächtnis will der Erblasser den Begünstigten im Hinblick auf eine dauernde Wohngelegenheit absichern. Es ist von anderen Wohnungsrechten abzugrenzen. Dazu im Einzelnen: |
1. Allgemeines
Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil davon unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen, § 1093 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieses dingliche Wohnrecht ist eine Sonderform der persönlichen Dienstbarkeit mit nießbrauchsähnlicher Ausgestaltung, vgl. § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Ausübungsrecht kann sich auf einen Teil, aber auch auf das ganze Gebäude oder das gesamte Sondereigentum einer Eigentumswohnung beziehen (BayObLG NJW-RR 88, 982). Hauptzweck des eingeräumten Wohnrechts muss stets das Wohnen sein.
2. Zweck des Wohnungsrechtsvermächtnisses
Die Zuwendung eines Wohnungsrechts dient im Allgemeinen dazu, den Bedachten im Hinblick auf eine dauernde Gelegenheit zum Wohnen abzusichern. Damit hat diese Zuwendung auch Versorgungscharakter. Sie kann unentgeltlich, aber auch entgeltlich erfolgen. So kann sichergestellt werden, dass der Bedachte, oft ein Ehegatte oder Eltern, eine Wohnung des Erblassers nutzen kann. Für den Bedachten gibt die dingliche Rechtsposition eine größere Sicherheit als bei einem Mietverhältnis. Das Wohnungsrecht ist abzugrenzen von dem
- Dauerwohnrecht nach den §§ 31 ff. WEG,
- Nießbrauch nach den §§ 1030 ff. BGB und
- Mietverhältnis.
Das Dauerwohnrecht ist veräußerlich und vererblich und unterscheidet sich darin vom Wohnrecht nach § 1093 BGB. Beim Nießbrauch darf der Berechtigte alle Nutzungen des Grundstücks ziehen, während das Wohnungsrecht nur zum Wohnen berechtigt, den Eigentümer für den Ausübungsbereich aber völlig ausschließt (vgl. zum Nießbrauchsvermächtnis, Gottwald, EE 18, 11). Während das Mietverhältnis einen rein schuldrechtlichen Charakter hat, wirkt das Wohnungsrecht dinglich. Ein Wohnungsrecht wird in Zweifelsfällen nur gewollt sein, wenn eine Belastung des Grundstücks vorgesehen und eine umfassend geschützte Rechtsposition dem Bedachten zugewandt werden soll.
3. Das Wohnungsrecht
In Abgrenzung zum Wohnungsrechtsvermächtnis gilt für das Wohnungsrecht nach § 1093 BGB Folgendes:
a) Inhalt
Beim Wohnungsrecht ist der Eigentümer zumindest für einen Teil des Gebäudes davon ausgeschlossen, es zu Wohnzwecken zu benutzen (BayObLGZ 91, 431). Vom Wohnungsrecht mitumfasst sind auch diejenigen Grundstücksteile, auf deren Gebrauch der Berechtigte angewiesen ist, um sein Recht zu nutzen. Es kann auch auf einen nicht bebauten Teil des belasteten Grundstücks, z. B. einen Garten oder Wäschetrockenplatz etc. erstreckt werden. Auch das Zubehör wird vom Wohnungsrecht mitumfasst, § 1093 Abs. 1 S. 2, § 1031 BGB.
Beachten Sie | Der Erblasser sollte den Umfang und Inhalt des Wohnungsrechts möglichst exakt regeln. Als beschränkt persönliche Dienstbarkeit i. S. d. § 1090 BGB ist das Wohnungsrecht weder veräußerlich noch vererblich, § 1090 Abs. 2, § 1061 BGB. Der Nutzung nach ist es nur mit Zustimmung des Eigentümers übertragbar, § 1092, Abs. 1, § 1093 Abs. 2 BGB; vgl. BGHZ 84, 36 = FamRZ 82, 774. Wegen der Ähnlichkeit mit dem Nießbrauch gelten nach § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB einige Vorschriften betreffend den Nießbrauch entsprechend.
b) Lasten der Nutzung
Der Wohnungsberechtigte trägt zum einen die Verbrauchskosten, wie z. B. für Gas, Strom, Wasser, Abwasser, Heizöl, Müll und Reinigung der genutzten Wohnung, und zum anderen ‒ wie der Nießbraucher ‒ die gewöhnlichen Unterhaltungskosten des genutzten Grundstücks oder Teile davon, § 1093 Abs. 1 S. 2, § 1041 BGB. Zu diesen gehören solche Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände, zu erwarten sind (BGH MDR 03, 1170); hierzu zählen vor allem die normalen Verschleißreparaturen (BGH MDR 93, 985). Dabei ist das Maß des finanziellen Aufwands für die Einordnung einer Maßnahme als gewöhnlich oder außergewöhnlich ‒ neben anderen ‒ nur insoweit bedeutsam, als es im Einzelfall durch einen Vergleich mit den aus dem Objekt erzielten Einkünften darauf schließen lässt, was nach der Verkehrsanschauung an Erhaltungsmaßnahme regelmäßig zu erwarten ist (BGH MDR 03, 1170).
Der Eigentümer muss die außergewöhnlichen Unterhaltungskosten, die Sachversicherung und die öffentlichen Lasten (z. B. Grundsteuer, Brandversicherung, Zinsen bei Grundpfandrechten) tragen, weil in § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB die §§ 1045 und 1047 BGB nicht für entsprechend anwendbar erklärt sind. Außergewöhnliche Unterhaltungskosten sind i. d. R. solche, die nicht aus den Erträgen der Sache, sondern aus deren Substanz bestritten werden, wie z. B. die vollständige Erneuerung der Daches eines Hauses (BGH MDR 03, 1172).
c) Gegenstand der Belastung(en)
Gegenstand der Belastung mit dem dinglichen Recht ist das Grundstück selbst, nicht das Gebäude. Wohnungseigentum kann auch mit einer Grunddienstbarkeit belastet sein. Die Belastung ist aber nur insoweit zulässig, als sich die Ausübung der Dienstbarkeit auf den Gebrauch des Sondereigentums und die damit zwangsläufig verbundene Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt; nur der gegenständlich abgegrenzte Bereich des Sondereigentums kann Bezugsobjekt der Dienstbarkeit sein, nicht aber das Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers an einer im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücksfläche (BayObLG DNotZ 90, 496).
d) Entstehung des Wohnungsrechts
Aufgrund der Zuwendung des Wohnungsrechts als Vermächtnis hat der Bedachte (Vermächtnisnehmer) einen Anspruch auf Erklärung der dinglichen Einigung nach § 873 BGB und Eintragung des Rechts im Grundbuch nach Bewilligung seitens des Beschwerten (Erben) nach § 39 GBO. Die Voreintragung des Erben als Eigentümer im Grundbuch ist erforderlich, § 39 GBO. Schließlich hat der Bedachte auch einen Anspruch auf Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den betreffenden Räumlichkeiten.
Musterformulierung / Wohnungsrechtsvermächtnis |
1. Wohnungsrechtsvermächtnis bezüglich einer Wohnung Meiner Schwester [...], geborene [...], geb. am [...] in [...], wohnhaft in [...], wende ich im Wege des Vermächtnisses ein lebenslanges, nicht übertragbares dingliches Wohnungsrecht (§ 1093 Abs. 1 S. 1 BGB) an der Erdgeschosswohnung meines Hauses in [...], [...]-Straße Nr. [...], eingetragen im Grundbuch von [...] Band [...] Blatt [...], Flurstück-Nr. [...], Hof- und Gebäudefläche [...], [...] Ar, zu.
Mögliche Zusätze: Das Wohnungsrecht umfasst auch die alleinige Benutzung des Kellerraumes im Untergeschoss mit der Nr. [...] sowie der Garage mit der Nr. [...].
Und: Es berechtigt zur Mitbenutzung aller dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner dienenden Einrichtungen und Anlagen, insbesondere des Wasch- und Trockenraums sowie des Gartens und aller Zugänge.
Und: Dem Wohnungsrecht dürfen an Belastungen in Abt. III des Grundbuchs Grundpfandrechte bis zu ... EUR samt Zinsen bis 18 % jährlich im Rang vorgehen.
Und: Die Bedachte darf über den Personenkreis in § 1093 Abs. 2 BGB hinaus auch weitere Personen in die Wohnung mit aufnehmen.
Und: Das Wohnungsrecht ruht, wenn die Wohnungsberechtigte das Haus verlässt.
Und: Die Kosten der Vermächtniserfüllung tragen die Erben.
Und: An etwaigen Pflichtteilslasten muss sich die Vermächtnisnehmerin entgegen § 2318 BGB nicht beteiligen.
Zur Sicherung und zur beschleunigten Eintragung können weiter aufgenommen werden: Ich erteile meiner Schwester eine postmortale Vollmacht dahingehend, dass sie die zur Eintragung des Wohnungsrechts erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt abgeben darf.
Oder: Ich ordne Testamentsvollstreckung an und bestelle meine o. a. Schwester zur Testamentsvollstreckerin. Die alleinige Aufgabe der Testamentsvollstreckerin ist die Erfüllung des Wohnungsrechtsvermächtnisses. Eine Vergütung steht ihr für die Erledigung dieser Aufgaben nicht zu.
Oder: Ich gebe hiermit die nach § 873 BGB erforderliche Erklärung ab. (Die Vermächtnisnehmerin kann diese Erklärung nach dem Erbfall annehmen.)
Oder zusätzlich (wegen § 29 GBO nur in Form des öffentlichen Testaments möglich): Ich bewillige die Eintragung des Wohnungsrechts im Grundbuch nach § 19 GBO.
Und: Die Vermächtnisnehmerin ist berechtigt, zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung des Wohnungsrechts zu ihren Gunsten im Grundbuch eine Vormerkung eintragen zu lassen. |
Meiner Schwester [...], geborene [...], geb. am [...] in [...], wohnhaft in [...], wende ich im Wege des Vermächtnisses ein lebenslanges, nicht übertragbares dingliches Wohnungsrecht (§ 1093 Abs. 1 S. 1 BGB) an meinem Haus in [...], [...]-Straße Nr. [...], eingetragen im Grundbuch von [...] Band [...] Blatt [...], Flurstück-Nr. [...], Hof- und Gebäudefläche [...], [...] Ar, zu. |
Mögliche Zusätze: Dem Wohnungsrecht dürfen an Belastungen in Abt. III des Grundbuchs Grundpfandrechte bis zur Höhe von ... EUR samt Zinsen bis 18 % jährlich im Rang vorgehen.
Und: Die Bedachte darf über den Personenkreis in § 1093 Abs. 2 BGB hinaus auch weitere Personen in die Wohnung mit aufnehmen.
Und: Das Wohnungsrecht ruht, wenn die Wohnungsberechtigte das Haus verlässt.
Und: Die Kosten der Vermächtniserfüllung tragen die Erben.
Und: An etwaigen Pflichtteilslasten muss sich die Vermächtnisnehmerin entgegen § 2318 BGB nicht beteiligen.
Sinnvoll können auch folgende Zusätze sein:
Der Bedachte ist befugt, seine Familie und die zur standesgemäßen Bedienung und Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen, § 1093 Abs. 2 BGB. Zur Familie zählt auch der eingetragene Lebenspartner. Es ist auch die Aufnahme eines nicht ehelichen Lebensgefährten zulässig, wenn beide unverheiratet sind und das Verhältnis auf Dauer angelegt ist (BGHZ 84, 36 = FamRZ 82, 774). Abweichend von § 1093 Abs. 2 BGB kann aber der Erblasser den Kreis der Berechtigten bestimmen, z. B.:
Der/die Bedachte ist berechtigt, einen Ehepartner, einen eingetragenen Lebenspartner und/oder eine Pflegeperson in die Wohnung aufzunehmen. Andere Personen, insbesondere nicht eheliche Lebensgefährten, dürfen nicht in die Wohnung aufgenommen werden.
Der/die Bedachte darf Wohnräume entgeltlich oder unentgeltlich an andere nur überlassen, wenn ihm dies nach § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB gestattet ist (OLG Hamm MDR 10, 77 = NJW-RR 10, 1104). Die Nichtgestattung braucht daher nicht gesondert geregelt zu werden. Der Erblasser kann aber bestimmen, dass dem Bedachten die Ausübung des Wohnrechts durch Dritte gestattet wird, z. B.:
Der/Die Bedachte darf den Gegenstand des Wohnungsrechts beliebig Dritten zur Ausübung überlassen; insbesondere darf er/sie die Räumlichkeiten ganz oder teilweise vermieten. In diesen Fällen stehen ihm/ihr die Mieteinnahmen uneingeschränkt zu.
Oder: Die Überlassung des Wohnrechts zur Ausübung an Dritte wird dem/der Bedachten ausschließlich für den Fall gestattet, dass er/sie aus gesundheitlichen Gründen gezwungen ist, in ein Pflegeheim einzuziehen. In diesem Fall ist er/sie berechtigt, die Räumlichkeiten zu vermieten. Die Mieteinnahmen stehen ihm/ihr uneingeschränkt zu. |