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· Fachbeitrag · Betreuungsgericht

Geschlossene Unterbringung: BGH stellt strenge Anforderung an Tatsachenfeststellung

| Der BGH musste sich erneut mit der Frage befassen, wann die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung rechtmäßig ist. Wie sich zeigt, prüfen die Instanzgerichte hier oft zu lax. |

 

Sachverhalt

Die Betroffene leidet unter einer paranoiden Schizophrenie. Sie hat einen Betreuer u.a. für den Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten. Am 3.12.17 wurde ihr Mietverhältnis fristlos gekündigt wegen nächtlicher Ruhestörung und Beleidigung anderer Mieter. Am 7.12.17 hat der Betreuer beantragt, die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung betreuungsgerichtlich zu genehmigen. Das AG hat nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Anhörung der Betroffenen deren Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung einer Pflegeeinrichtung für sechs Monate genehmigt. Das LG hat die Beschwerde der Betreuungsbehörde zurückgewiesen. Auf deren Rechtsbeschwerde wurde der angegriffene Beschluss aufgehoben und die Sache an das LG zurück verwiesen.

 

Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten voraus. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein zielgerichtetes Verhalten, aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens (Abruf-Nr. 206927).

 

Entscheidungsgründe

Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, wenn sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil krankheitsbedingt die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Genehmigung zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben. Dies erfordert nicht, dass sich der Betreute zielgerichtet verhält. Auch eine völlige Verwahrlosung kann ausreichen, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist (BGH FamRZ 10, 365, Rn. 14). Erforderlich sind aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Der Grad der Gefahr bemisst sich dabei in Relation zum möglichen Schaden ohne Unterbringung (BGH FamRZ 17, 1342, Rn. 10). Dabei ist Folgendes zu beachten:

 

  • Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Suizidgefahr oder einer Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des Tatrichters. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachten auf.

 

  • Die Genehmigung der Unterbringung muss zudem erforderlich sein, sprich, es darf kein milderes Mittel vorhanden sein).

 

Das LG hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Betroffene sich ohne Unterbringung erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen würde. Es führt hierzu nur aus, dass die bevorstehende Obdachlosigkeit eine ernstliche Gefahr der Unterversorgung und der Verwahrlosung bedeute. Ob die Betroffene tatsächlich obdachlos würde, hat es aber nicht festgestellt. Denn: Auch wenn sie sich bislang nicht selbst gekümmert hat, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie mithilfe ihres Betreuers, der auch mit dem Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten betraut ist, eine neue Wohnung findet.

 

Auch andere Lösungen sind denkbar. Die Vermutung des LG, die Betroffene werde eine offene Heimunterbringung oder andere Maßnahmen nicht akzeptieren, steht ohne weiter Begründung im Raum. Auch wenn die Betroffene in der Vergangenheit derartige Hilfsangebote abgelehnt hat, rechtfertigt dies allein nicht zu der Annahme, dass sie auch in ihrer jetzigen Situation diese ablehnende Haltung aufrechterhalten werde.

 

Ebenso wenig hat das LG ausreichende Feststellungen für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens getroffen. Die angeführte Gefahr einer Verwahrlosung ist als solche nicht ausreichend, eine Selbstgefährdung i. S. d. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu begründen, weil damit nicht aufgezeigt ist, inwieweit mit ihr die konkrete Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens für die Betroffene verbunden sein soll (BGH FamRZ 18, 950, Rn. 30).

 

Relevanz für die Praxis

Der BGH konnte hier als Beschwerdeinstanz keine eigene Sachentscheidung treffen, da die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (§ 74 Abs. 6 S. 1 und 2 FamFG). Daher hob er die Entscheidung auf und verwies die Sache an das LG zurück.

 

Der BGH setzt seine Rechtsprechung konsequent fort, wonach eine Einweisung in eine geschlossene Einrichtung ohne triftige Gründe nicht rechtmäßig ist (vgl. BGH FamRZ 17, 1342). Für den Anwalt von Betroffenen bedeutet das, dass er prüfen muss, ob ein Sachverständigengutachten genau darlegt,

  • welche konkreten gesundheitlichen Gefahren für die Betroffene ohne die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bestehen sollen und
  • wie wahrscheinlich diese sind.

 

Auch ein Blick auf die bisherige Lebensführung ist wichtig. Hier hatte sich die Betroffene bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung trotz ihrer psychischen Erkrankung offensichtlich selbst angemessen versorgt und ihren eigenen Hausstand geführt. Damit wird klar, dass das Gericht eigentlich nur abstrakte Gefahren beschrieben hat, die sich seiner Meinung nach aus dem Verlust der Wohnung für die Betroffene ergeben könnten.

Quelle: Ausgabe 03 / 2019 | Seite 39 | ID 45753188