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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Angehörige nur bei vorheriger Beteiligung im Verfahren beschwerdeberechtigt

von RA Holger Glaser, Nordkirchen

| Hat ein Elternteil einem seiner Kinder umfassende Vollmachten erteilt, entsteht oft Streit mit den Geschwistern, z. B. über die richtige Ausübung der Betreuung oder in finanziellen Fragen. Kommt es zu Verfahren wegen Einrichtung einer Kontrollbetreuung wird wegen Beteiligungs- und Beschwerderechten gestritten. Der BGH zeigt auf, wann eine Beteiligung im Verfahren vorliegt, die zur Rechtsbeschwerde berechtigt. |

 

Sachverhalt

Die 86-jährige Betroffene hatte ihrer Tochter T notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Das AG hat die von einer Pflegekraft, später auch vom Sohn S der Betroffenen angeregte Einrichtung einer Kontrollbetreuung abgelehnt, weil sämtliche gegen die Tochter erhobenen Vorwürfe ausgeräumt worden seien. Das LG hat die Beschwerde des S verworfen. Hiergegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.

 

Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen nur zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an Senatsbeschluss FamRZ 18, 1607) (Abruf-Nr. 207398).

 

Entscheidungsgründe

S war zwar für die Rechtsbeschwerde beschwerdebefugt, weil seine Beschwerde gegen den Beschluss des AG erfolglos geblieben ist. Das LG hat diese Beschwerde jedoch zu Recht verworfen, weil S im ersten Rechtszug des Verfahrens über die Kontrollbetreuung nicht beteiligt worden war. Damit fehlte ihm die Beschwerdebefugnis. Nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind im Interesse des Betroffenen u. a. dessen Kinder zur Beschwerde gegen eine behördliche Entscheidung befugt, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. War dies nicht der Fall, steht ihnen kein Beschwerderecht zu, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist.

 

Beachten Sie | Die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, z. B. durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Die Beschwerdebefugnis kann jedoch nicht nachträglich erlangt werden, z. B. indem Angehörigen nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des AG hinzugezogen werden (BGH FamRZ 18, 1607 Rn. 10). Der BGH prüft im einzelnen folgende mögliche Beteiligungsformen:

 

  • Zwar hat das AG auf Anregung einer Pflegekraft der Betroffenen ein Verfahren auf Einrichtung einer Kontrollbetreuung eingeleitet, indem es die Eingabe der Pflegekraft der Betreuungsbehörde zur Sachverhaltsermittlung und Stellungnahme übersandte. Ebenso ist es mit der späteren Betreuungsanregung durch S verfahren. Die bloße Anregung zur Einleitung eines Verfahrens begründet allein jedoch keine Beteiligtenstellung für den Anregenden (BGH FamRZ 18, 1607 Rn. 12). Weil das Verfahren auf Einrichtung einer Betreuung von Amts wegen zu betreiben ist, war S auch nicht als Antragsteller i. S. v. § 7 Abs. 1 FamFG formell verfahrensbeteiligt.

 

  • S ist auch nicht im weiteren Verlauf des Verfahrens beteiligt worden. So wurden ihm weder die Stellungnahmen der bevollmächtigten T oder der Betreuungsbehörde übersandt noch die Bestellung der Verfahrenspflegerin oder deren Stellungnahme zur Kenntnis gegeben. Er wurde weder angehört noch in irgendeiner Form hinzugezogen, bis der Beschluss des AG ergangen ist. Eine Beteiligtenstellung im gerichtlichen Verfahren ist ferner nicht dadurch begründet worden, dass die Betreuungsbehörde im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung telefonischen Kontakt zu S aufgenommen hatte.

 

  • Schließlich ist die Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses an S keine Beteiligung i. S. d. § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Beteiligung. Eine Beteiligung setzt die Möglichkeit voraus, dass die „beteiligte“ Person - in welcher Art und Weise auch immer - auf das Verfahren Einfluss nehmen kann. Wird lediglich der die Instanz abschließende Beschluss bekanntgegeben, ist eine solche Beteiligung in derselben Instanz nicht mehr möglich (BGH FamRZ 18, 1607 Rn. 15).

 

  • Auch eine etwaige Verfahrensbeteiligung nach Erlass des amtsgerichtlichen Beschlusses vermag S nicht zu einer Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu verhelfen. Zwar hat das LG den S in seiner Funktion als Beschwerdeführer als „weiteren Beteiligten“ behandelt. Zu diesem Zeitpunkt war das erstinstanzliche Verfahren jedoch durch Erlass des angefochtenen Beschlusses bereits abgeschlossen, sodass die nachfolgende Beteiligtenstellung im Beschwerdeverfahren eine rückwirkende Beteiligung im ersten Rechtszug als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde nicht mehr zu begründen vermochte (BGH FamRZ 18, 1607 Rn. 18).

 

Relevanz für die Praxis

Der Wortlaut des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist eindeutig und der BGH hat die Möglichkeiten einer konkludenten Beteiligung klar aufgezeigt. Wichtig ist: Nach Erlass der amtsgerichtlichen Entscheidung ist keine Beteiligung mehr möglich und ohne Beteiligung keine Beschwerdebefugnis.

 

PRAXISTIPP | Angehörige sollten aktiv auf Umstände hinwirken, die zu einer Beteiligung führen. Sie können z. B.:

  • Stellungnahmen zur Situation des Betroffenen einreichen
  • sich nach dem Verfahrensstand erkundigen
  • die Bitte äußern, bei Anhörungen anwesend zu sein

 

Sollte das Gericht daraufhin nachfragen, Mitteilungen geben oder zu Terminen laden, ist schnell die Grenze zur Beteiligung überschritten.

 
Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 60 | ID 45772088