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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Diese Abwägungen gelten, wenn der Berufsbetreuer sein Amt niederlegt

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA FamR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| War der Betreuer zum Zeitpunkt seiner Betreuerbestellung zur Übernahme der Betreuung bereit und wurde wirksam bestellt, führt die Erklärung des Endes seiner Bereitschaft nicht für sich genommen zu seiner Entlassung aus dem Betreueramt. Eine solche Erklärung stellt jedoch seine Eignung als Betreuer infrage. Ist der vom Amtsgericht bestellte Betreuer aufgrund der Erkenntnislage des Beschwerdegerichts nicht mehr geeignet, die Betreuung zu führen, muss das Beschwerdegericht selbst einen geeigneten Betreuer bestellen. Das folgt aus einer aktuellen BGH-Entscheidung. |

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Betreuerbestellung. Die Betroffene ist schwer dement und betreuungsbedürftig. Sie hatte jedoch bereits zuvor vorsorglich drei ihrer vier Kinder umfassend und zur jeweiligen Alleinvertretung bevollmächtigt, die ihre Angelegenheiten auch eine Zeit lang regeln konnten. Die jeweils alleinvertretungsberechtigten Kinder gerieten sodann aber in einen Streit darüber, in welcher Einrichtung die Betroffene wohnen sollte.

 

Eines der Kinder hat sich daraufhin mit einer Betreuungsanregung an das Amtsgericht gewandt. Auf diese Anregung hin hat das Amtsgericht eine Berufsbetreuung eingerichtet. Es wurde ein Rechtsanwalt zum Betreuer für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Heim- und Einrichtungsleitung, Behörden, Ämtern, Versicherungen und ähnlichen Institutionen, Vermögenssorge und Postangelegenheiten bestellt.

 

Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich ein anderes Kind der Betroffenen sowohl im eigenen Namen, als auch im Namen der Betroffenen. Die Tochter verlangt, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden. Hilfsweise mögen die Geschwister zu gemeinsamen gleichberechtigten Betreuern bestellt werden.

 

Während des Beschwerdeverfahrens hat der Berufsbetreuer dem AG schriftlich mitgeteilt, dass er sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlege. Er hat beantragt, die Bestellung als Betreuer mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Die Betreuung sei aufgrund der gravierenden innerfamiliären Unstimmigkeiten nicht zum Wohl der Betroffenen durchführbar. Das LG hat die Beschwerden zurückgewiesen, da die Erklärungen zur Niederlegung durch den Berufsbetreuer keinesfalls zu einer Bestellung des beschwerdeführenden Kindes oder der weiteren Kinder führen könne. Dagegen richtet sich die hier gegenständliche Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH hat der Beschwerde insoweit stattgegeben, als sie im eigenen Namen des Kindes erhoben wurde (12.2.20, XII ZB 475/19, Abruf-Nr. 215058).

 

Der XII. Zivilsenat hat die Betreuerauswahl des LG beanstandet. Die Auswahl sei rechtsfehlerhaft. Die Erklärung des Berufsbetreuers, zur Fortführung der Betreuung nicht mehr bereit zu sein, sei entgegen der Ansicht des LG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beachtlich.

 

Liegen die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung vor, müsse auch ein Betreuer bestellt werden. § 1896 BGB unterscheide nicht zwischen Anordnung der Betreuung und Bestellung eines Betreuers. Vielmehr sei eine Einheitsentscheidung zu treffen. Das müsse auch das Beschwerdegericht beachten. Sind die Voraussetzungen zur Betreuungseinrichtung erfüllt und nicht Beschwerdegegenstand, müsse das Beschwerdegericht selbst über die zu bestellende Betreuerperson befinden. Dabei müsse es auch Umstände berücksichtigen, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens auftreten.

 

Zwar führe die Mitteilung des wirksam bestellten Betreuers, zur Übernahme der Betreuung nicht mehr bereit zu sein, nicht zwingend dazu, dass eine andere Betreuerperson zu bestellen ist. Eine Bereiterklärung werde nur für die Erstbestellung als Betreuer nach § 1898 Abs. 2 BGB gefordert. Mit Rücksicht auf die Belange des Betroffenen solle gerade nicht ermöglicht werden, dass sich Berufsbetreuer unbequemer Betreuungen entledigen können, indem sie sich auf bloße Unverträglichkeiten berufen.

 

Der Berufsbetreuer könnte jedoch aufgrund seiner Erklärung ungeeignet sein, die Betreuung nach § 1897 BGB fortzuführen. Das LG muss diesen Umstand bei seiner Entscheidungsfindung genauso würdigen wie die Tatsache, dass die Betroffene im Rahmen der Vollmachtserteilung an die Kinder den Wunsch schriftlich formuliert hat, dass im Falle der Einrichtung einer gerichtlichen Betreuung eines ihrer Kinder bestellt werden solle. Dieser Wille der Betroffenen darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person ihrem Wohl zuwiderläuft. Dies setze voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen:

 

  • Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will.

 

  • Umstände von erheblichem Gewicht können sich zudem auch aus familiären Spannungen ergeben, etwa wenn die Regelung seiner wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse wegen der Spannungen innerhalb der Familie nicht gewährleistet ist.

 

Da das LG hierzu noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, hat der BGH die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

 

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung schafft ein Stück weitere Klarheit für die Betreuerauswahl. In begrüßenswerter Klarheit wird betont, dass in einem nur die Betreuerauswahl betreffenden Streit das Beschwerdegericht auch alle Umstände des Einzelfalls würdigen und die Auswahlentscheidung treffen muss.

 

Zu beachten ist zunächst, dass für einen berufsmäßig bestellten Betreuer die Hürden zur Niederlegung seines Amtes durch den Gesetzgeber bewusst hoch gelegt wurden. Dies dient dem Grundsatz der Kontinuität der Betreuung, welche wiederum im Interesse des Betroffenen liegt. Dessen Wohl ist letztlich das entscheidende Kriterium.

 

Ist ein Berufsbetreuer nicht mehr bereit, die Betreuung auszuüben, endet die Betreuung damit nicht automatisch. Ohne rechtlichen Belang bleibt die Erklärung des Betreuers jedoch nicht. Wenn ein Betreuer von sich aus umfangreich darlegt und begründet, dass und warum er die Betreuung nicht weiter fortführen will, sind Zweifel an seiner Eignung angezeigt. Dies hat das Betreuungsgericht zu würdigen und entsprechend in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen.

 

Das gilt umso mehr, wenn der Betroffene selbst eine beachtliche Betreuungsverfügung formuliert hat. Ist eine durch den Betroffenen bezeichnete Person ihrerseits geeignet, ist diese zu bestellen. Liegen beide Punkte in Summe vor, muss das Betreuungsgericht dem auch folgen. Das Gleiche gilt für das Beschwerdegericht, wenn mit der Beschwerde nur die Auswahlentscheidung angegriffen ist. Dann deckt die Begrenzung des Beschwerdegegenstands den Umfang der Prüfungsbefugnis entsprechend ab.

 

Für die Praxis zu begrüßen sind auch die Ausführungen zu der Frage, ob eine Familienmitglied als Betreuer geeignet ist. Bei der Beurteilung dieser Frage sind zwar neben der in Rede stehenden Person auch Streitigkeiten innerhalb einer Familie zu beachten. Diese können jedoch nur in Ausnahmefällen zu einer Ungeeignetheit führen. Familiäre Spannungen können danach ausnahmsweise auch dann mit dem Wohl des Betroffenen unvereinbar sein, wenn die Regelung seiner wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse deshalb nicht gewährleistet ist. Hieraus folgt, dass es sich um ein außergewöhnlich hohes Maß an Auseinandersetzung handeln muss, das Einfluss auf die ordnungsgemäße Führung der eigenen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse wie der des Betroffenen haben muss.

 

Weiterführende Hinweise

  • Diese Voraussetzungen hat der Strafantrag bei Betreuung und Vorsorgevollmacht: Stein, SR 20, 50
  • Hierauf müssen Sie achten, wenn der Betreuer die Bezugsberechtigung ändern will: BGH SR 20, 10
  • Hier muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden: BGH SR 19, 205
Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 75 | ID 46510276