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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Voraussetzungen der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA FamR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, der nochmals deutlich über die gerichtliche Bestellung eines Betreuers hinausgeht. Ein solcher Eingriff muss daher mit konkreten Anhaltspunkten für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art gerechtfertigt werden, wie der BGH in einer neuen Entscheidung ausführt. |

 

Im Verfahren betreffend die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts darf das Gericht unter den Voraussetzungen ausnahmsweise dann von der Anhörung des Betroffenen absehen, wenn eine Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und das Gericht zuvor sämtliche nicht mit Zwang verbundenen Versuche einschließlich des Versuchs einer Anhörung in der gewöhnlichen Umgebung unternommen hat, um sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen. Der pauschale Verweis des Gerichts auf die mit der Coronapandemie verbundenen Gesundheitsgefahren ist nicht geeignet, das Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen zu rechtfertigen.

 

Ein Einwilligungsvorbehalt kann nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Ein Einwilligungsvorbehalt kann nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden.

(Abruf-Nr. 221465)

 

Sachverhalt

Für den Betroffenen ist bereits seit Längerem eine Betreuung angeordnet. Der Betroffene leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Das Betreuungsgericht hat nunmehr auf Anregung des Betreuers für den Betroffenen einen Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingerichtet. Zuvor hatte es ihm einen Verfahrenspfleger bestellt und ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts eingeholt.

 

Der Betroffene wurde vor der betreuungsgerichtlichen Entscheidung nicht persönlich angehört. Er war zuvor bereits zweimal vergeblich zur Anhörung geladen worden.

 

Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts. Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der hier gegenständlichen Rechtsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und zur erneuten Sachentscheidung an das LG zurückverwiesen (BGH 24.2.21, XII ZB 503/20, Abruf-Nr. 221465).

 

Persönliche Anhörung musste erfolgen

Das LG hat die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts damit begründet, dass dieser aufgrund eines erkrankungsbedingten Realitätsverlustes zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das Vermögen des Betroffenen erforderlich sei. Eine persönliche Anhörung im Wege einer Vorführung des Betroffenen habe aufgrund der aktuellen Entwicklung der Covid-19-Erkrankungen unterbleiben können.

 

Das LG hätte nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen dürfen. Das Betreuungsgericht habe den Betroffenen vor der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Dies gelte grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Eine Ausnahme bestehe, wenn von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind und das Betreuungsgericht bereits eine verfahrensfehlerfreie Anhörung durchgeführt hat.

 

Vorliegend hätte das Betreuungsgericht nicht von einer persönlichen Anhörung absehen dürfen. Der pauschale Verweis des LG auf die mit der Coronapandemie verbundenen Gesundheitsgefahren sei aufgrund seiner Abstraktheit nicht geeignet, das Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen zu rechtfertigen.

 

PRAXISTIPP | Da ein Einwilligungsvorbehalt einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstelle, hätte das AG trotz der von ihm geäußerten Bedenken versuchen müssen, den Betroffenen in seiner häuslichen Umgebung anzuhören. Wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätte das AG versuchen müssen, den Betroffenen zur Anhörung vorzuführen, da keinerlei gesundheitliche Gefahren vorgelegen hätten.

 

Gerichtliche Feststellungen nicht ausreichend

Zudem habe das LG die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht festgestellt. Ein Einwilligungsvorbehalt sei nur zulässig zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten. Dafür müssten konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Auch dürfe ein Einwilligungsvorbehalt nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden.

 

Nach diesen Maßstäben sei es nicht hinreichend, dass der Betroffene sinnlose Ausgaben in erheblichem, zu seinem Vermögen und seinen geringen Einkünften völlig außer Verhältnis stehenden Umfang tätige. Schließlich müssten tatrichterliche Feststellungen zum freien Willen des Betroffenen getroffen werden, sodass das LG weitere Sachaufklärung zu betreiben habe.

Relevanz für die Praxis

Der Zwölfte Senat knüpft an seine bisherige Rechtsprechung an (grundlegend bereits BGH 2.7.14, XII ZB 120/14).

 

Begründete Prognoseentscheidung erforderlich

Ein Einwilligungsvorbehalt darf nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Hierzu sind umfassende tatrichterliche Feststellungen zu treffen. Eine nur formelhafte Begründung verbietet sich.

 

MERKE | Die Betreuungsgerichte müssen aufgrund der festgestellten Tatsachenlage eine begründete Prognoseentscheidung treffen, die zu konkreten Gefährdungen in ganz erheblicher Weise führt. Sowohl die Tatsachengrundlage als auch die daraus abgeleitete Gefahrenprognose müssen in der tatrichterlichen Entscheidung vollständig dargelegt werden.

 

Anhörung notfalls per Zwangsvorführung

Um dem Betroffenen rechtliches Gehör für den schwerwiegenden Eingriff in seine Rechte zu gewähren, ist dieser auch anzuhören. Das Betreuungsgericht muss sich einen persönlichen Eindruck verschaffen. Nötigenfalls hat dies auch mittels Zwangsvorführung zu erfolgen.

 

PRAXISTIPP | Nur im Falle zu besorgender erheblicher Gesundheitsgefahren kann von einer Anhörung abgesehen werden. Aber auch dies hat eine konkrete Gefährdungslage zur Voraussetzung, weshalb die Coronapandemie als solche nicht hinreichend sein kann.

 
Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 111 | ID 47378235