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· Fachbeitrag · Betreuungsverfahren

Verfahrenspfleger muss zwingend beteiligt werden

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA FamR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Erfolgt die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. |

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene. Die Betroffene leidet an Intelligenzminderung, beidseitigem Hörverlust und hochgradiger Sehminderung. Bereits seit über 15 Jahren ist eine umfassende Betreuung für alle Angelegenheiten einschließlich der Postangelegenheiten für die Betroffene eingerichtet. Die Eltern waren zunächst als gemeinschaftliche Betreuer der Betroffenen bestellt. Nach ihrer Scheidung wurde sodann aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern hinsichtlich der Führung der Betreuung ein Berufsbetreuer eingesetzt.

 

Das Amtsgericht konnte keine Gründe für einen Betreuerwechsel feststellen, sodass es die Berufsbetreuung entsprechend verlängert hat. Auf die gegen die Betreuerauswahl gerichtete Beschwerde der Mutter hat das Landgericht diese zur neuen Betreuerin bestellt. Da die Betroffene selbst keinen Vorschlag zur Betreuerauswahl unterbreitet hat, hat das Landgericht die Auswahl der Mutter als zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereite und geeignete Person auf § 1897 Abs. 5 BGB gestützt.

 

Dagegen richtet sich die hier gegenständliche Rechtsbeschwerde des Vaters, mit der er die Bestellung einer anderen geeigneten Person außerhalb der Familie als Betreuer für die Betroffene anstrebt.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und an das LG zurückverwiesen (BGH 20.1.21, XII ZB 202/20, Abruf-Nr. 220946).

 

Verfahrenspflegerin nicht beteiligt

Mit der Rechtsbeschwerde werde zu Recht gerügt, dass die Betroffene im Beschwerdeverfahren angehört wurde, ohne dass die Verfahrenspflegerin Gelegenheit hatte, daran teilzunehmen. Das Betreuungsgericht habe die Betroffene vor der Betreuerbestellung persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihr zu verschaffen. Dies gelte auch im Beschwerdeverfahren. An dieser Anhörung sei ein vom Gericht bestellter Verfahrenspfleger im selben Umfang wie der Betroffene zu beteiligen.

 

Möglichkeit der Beteiligung ist sicherzustellen

Das Beschwerdegericht müsse grundsätzlich durch die rechtzeitige Benachrichtigung des Verfahrenspflegers zum Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem stehe dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu.

 

MERKE | Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, sei sie verfahrensfehlerhaft. Sie verletze den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

 

Da vorliegend die Verfahrenspflegerin keinerlei Kenntnis von dem Anhörungstermin erlangt hat, könne der angefochtene Beschluss wegen dieses wesentlichen Verfahrensfehlers keinen Bestand haben. Die Sache sei wegen der noch durchzuführenden Anhörung nicht zur endgültigen Entscheidung reif, sodass eine Zurückverweisung zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zu erfolgen habe. Damit erhalte das Beschwerdegericht zugleich die Gelegenheit, sich erneut mit Einwänden gegen die Einsetzung der Mutter als Betreuerin vor dem Hintergrund der Streitigkeiten der Eltern auseinanderzusetzen.

Relevanz für die Praxis

Die Anhörung des Betroffenen ist ein Kernelement des Betreuungsverfahrens. Sind von einer Anhörung neue Erkenntnisse zu erwarten, muss eine Anhörung stattfinden. Das kann auch dazu führen, dass im Rahmen eines Betreuungsverfahrens wiederholte Anhörungen erfolgen müssen. Nicht selten werden im laufenden Betreuungsverfahren etwa durch eingeholte Sachverständigengutachten oder geänderte Betreuerwünsche neue Tatsachengrundlagen geschaffen, welche dann eine erneute Anhörung des Betroffenen erforderlich machen.

 

Keine Achtlosigkeit zum rechtlichen Gehör

Der verfahrensrechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs als Ausprägung des Art. 103 Abs. 1 GG sollte in der Praxis daher durch die Betreuungs- und Beschwerdegerichte im Hinblick auf die Anhörung des Betroffenen sehr ernst genommen werden. Der Zwölfte Senat wird nicht müde, die Wichtigkeit der Anhörung auch wiederholt zu betonen.

 

PRAXISTIPP | Mit der vorliegenden Entscheidung wird betont, dass auch der Verfahrenspfleger ordnungsgemäß zu beteiligen ist. Dies verlangt sowohl seine ausdrückliche Einladung als auch die Möglichkeit, entsprechend Stellung zu nehmen. Zutreffend betont der Betreuungssenat, dass die Verletzung dieser Grundsätze eine Gehörsverletzung des Betroffenen nach sich zieht (siehe dazu bereits BGH 17.4.19, XII ZB 570/18 m. w. N.). Dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs einen zur Aufhebung führenden gravierenden Verfahrensmangel darstellt, dürfte evident sein.

 
Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 128 | ID 47473636