· Fachbeitrag · Heimentgelt
Heimentgelt wirksam und sicher erhöhen
von RA Thomas Stein, FA Familienrecht und Erbrecht, Limburg
| Im Zuge der sog. Föderalismusreform hat der Bund das Vertragsrecht zum Heimrecht durch den Erlass des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) geregelt. Dieses beschreibt u. a. in § 9 WBVG die Voraussetzungen, unter denen das Heimentgelt wirksam erhöht werden kann. Der Beitrag zeigt, was dabei alles zu beachten ist. |
1. Anwendungsbereich
Erste Voraussetzung für das Eingreifen von § 9 WBVG ist, dass die betreffende Einrichtung, in der sich ein volljähriger Verbraucher aufhält, dem Anwendungsbereich des WBVG unterliegt (§ 1 WBVG). Im Folgenden wird der Einfachheit halber unterstellt, dass der Anwendungsbereich dieses Gesetzes eröffnet ist. Bei der Erhöhung des Heimentgeltes sind zu unterscheiden:
- Die Voraussetzungen für eine Entgelterhöhung (§ 9 Abs. 1 WBVG) und
- Das formelle Verfahren, mit dem die Erhöhung geltend gemacht werden muss (§ 9 Abs. 2 WBVG).
2. Voraussetzungen der Entgelterhöhung
Zweck der ganzen Regelung ist es, einen Ausgleich zwischen dem unternehmerischen Interesse an Entgelterhöhungen und dem Schutz der Verbraucher vor willkürlichen und ungerechtfertigten Preiserhöhungen zu schaffen (Bachem/Hacke, Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, 2015, § 9 Rn. 1).
a) Veränderung der Berechnungsgrundlage
Als Berechnungsgrundlage wird die Summe aller Faktoren verstanden, die für die Entgeltfestlegung durch den Heimträger = Unternehmer maßgebend gewesen sind. Darunter werden zunächst alle Unkosten subsummiert, die der Betrieb eines Heims mit sich bringt. Hinzu kommt bei Heimen, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden, auch erzielbarer Gewinn, ein angemessenes Ausfallrisiko, sowie die Bildung betriebswirtschaftlich angemessener Rücklagen und Abschreibungen (Bachem/Hacke a.a.O. § 9, Rn. 12). Diese Meinung lehnt sich an mietrechtliche Vorschriften an, die eine Mieterhöhung regeln.
Auch wenn der Gesetzgeber die in die Berechnungsgrundlage einzustellenden Positionen nicht normiert hat, so ist man sich doch darüber einig, dass einzubeziehen sind, sämtliche Kosten eines Unternehmers, die zur Bestimmung der einzelnen Entgelte zu berücksichtigen sind. Dies sind insbesondere Personal- und Sachkosten und auch der Gewinn.
Die so zu bestimmende Berechnungsgrundlage muss sich in Richtung einer Erhöhung verändert haben. Eine Reduzierung der Berechnungsgrundlage ist in § 9 WBVG nicht geregelt, denn in dieser Vorschrift geht es ausdrücklich nur um Erhöhungen von Berechnungsgrundlage und Entgelt. Ungeklärt lässt das Gesetz dabei, auf welcher Basis die Veränderung der Positionen der Berechnungsgrundlage zu beurteilen ist. Hierzu wird davon ausgegangen, dass einen Veränderung der Berechnungsgrundlage vorliegt, wenn sich einzelne, dem Entgelt zugrunde liegende Positionen der Höhe nach verändert haben (Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl., § 9 WBVG, Rn. 3).
Ob auch Veränderungen bei Bagatellbeträgen zu einer Erhöhung des Heimentgelts führen können, wird in der Kommentarliteratur unterschiedlich gesehen (Nachweise bei Bachem/Hacke a.a.O., § 9 WBVG, Rn. 38). Hier ist ungeklärt, bis zu welchen Summen man überhaupt von Bagatellbeträgen sprechen kann, zudem wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Praxis schon aus wirtschaftlichen Gründen bei Bagatellbeträgen von Erhöhungen in aller Regel abgesehen wird.
b) Angemessenheit des erhöhten Entgelts und der Erhöhung
Wie sich aus der Überschrift schon zeigt, muss eine doppelte Angemessenheitsprüfung erfolgen. Sie ist nach § 9 Abs. 1 S. 3 WBVG nur bei solchen Verbrauchern nicht erforderlich, die Leistungen nach dem SGB XI in Anspruch nehmen oder denen Hilfen in Einrichtungen nach SGB XII gewährt werden.
Bei der Frage der Angemessenheit des erhöhten Entgeltes liegt ein unbestimmter Rechtsbegriff vor, bei dessen Ausfüllung ein gewisser Beurteilungsspielraum eröffnet ist. Am Einfachsten wird diese Ausfüllung durch einen Vergleich mit den Entgelten ähnlicher Einrichtungen erfolgen können. Die Erhöhung des Entgelts selbst soll in der Regel dann angemessen sein, wenn ein Unternehmer seine Kostenerhöhung anhand von objektivierbaren Kriterien darlegen kann und die Kostenerhöhung dem Erhöhungsverlangen entspricht (Bachem/Hacke a.a.O. § 9 WBVG, Rn. 48).
c) Besonderheit: Investitionsaufwendungen
Investitionsaufwendungen sind insbesondere solche für bauliche Maßnahmen und Modernisierungen, die den Gebrauchswert einer Einrichtung erhalten und erhöhen können. Hier sollen Verbraucher vor Luxussanierungen geschützt werden, die das betriebsnotwendige Maß übersteigen. Deshalb können solche Investitionsaufwendungen nur zur Entgelterhöhung führen, wenn sie nach der Art des Betriebs notwendig und nicht durch öffentliche Förderung gedeckt sind.
2. Erhöhungsverfahren
Liegen die unter Nr. 1 a) bis c) beschriebenen Voraussetzungen vor, regelt § 9 Abs. 2 WBVG das Verfahren, mit dem die Entgelterhöhung zwingend geltend gemacht werden muss. Die Heimaufsichten haben die Möglichkeit, die Ordnungsgemäßheit von Entgelterhöhungen zu überprüfen. Bei unwirksamen Erhöhungsverlangen kann die Heimaufsicht anordnen, bereits gezahlte Beträge an die Verbraucher zurückzuzahlen. Sie kann auch Verbraucher darauf hinweisen, dass sie die Erhöhung nicht akzeptieren müssen und Rückforderungsansprüche haben (Bachem/Hacke, a.a.O., § 9 WBVG, Rn. 55).
a) Schriftliche Mitteilung und Begründung
Der Unternehmer hat dem Verbraucher die beabsichtigte Erhöhung des Entgelts schriftlich mitzuteilen und zu begründen. Schriftliche Mitteilung bedeutet, dass der Unternehmer das Erhöhungsverlangen eigenhändig unterzeichnet oder bei Verwendung von elektronischen Dokumenten mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versieht. Liegt die tatsächliche Erhöhung nach dem angegebenen beabsichtigten Erhöhungszeitpunkt, ist dies unschädlich für das Erhöhungsverlangen.
Wie die Begründung auszusehen hat, gibt § 9 Abs. 2 S. 3 WBVG vor. Danach muss der Unternehmer unter Angabe des Umlagemaßstabes die Positionen benennen, für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage Kostensteigerungen ergeben und die bisherigen Entgeltbestandteile den vorgesehenen neuen Entgeltbestandteilen gegenüber stellen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Wohn- und Betreuungsvertrags oder der letzten Erhöhung, sondern der der Änderung der Berechnungsgrundlage. Dadurch wird es Unternehmern ermöglicht, die Kostensteigerungen für alle Bewohner einer Einrichtung einheitlich darzustellen. Ein Abstellen auf jeden einzelnen Vertrag entfällt.
Wie detailliert die Gegenüberstellung der Entgeltbestandteile sein muss, ist umstritten,
- so soll es z. B. notwendig sein, dass der Verbraucher erkennen kann, ob Personalkostensteigerungen auf Tariferhöhungen oder allgemeinen Personalkostensteigerungen oder einer Ausweitung der Personalmenge beruhen (Bachem/Hacke, a.a.O., § 9 WBVG, Rn. 68).
- Umstritten ist auch, inwieweit die Nennung einzelner Kostenarten und Kostengruppen zulässig ist und inwieweit die Angabe ausreicht, um welchen Prozentsatz sich diese dann jeweils erhöht haben.
PRAXISHINWEIS | Es empfiehlt sich eine tabellarische Darstellung dergestalt, dass die Kostengegenüberstellung in zwei Tabellen erfolgt.
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b) Erhöhungszeitpunkt und Bedenkzeit
Nach § 9 Abs. 2, S. 4 WBVG schuldet der Verbraucher das erhöhte Entgelt frühestens vier Wochen nach Zugang des hinreichend begründeten Erhöhungsverlangens. Er muss vorher rechtzeitig Gelegenheit erhalten, die Angaben des Unternehmers durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen.
c) Entgelterhöhungsrecht per Vertrag?
In der Entscheidung in SR 16, 190 hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht des Heimträgers gegen die Regelungen des WBVG verstößt und damit unwirksam ist. Es müssen also die o. g. Voraussetzungen vorliegen und das beschriebene Verfahren eingehalten werden.
d) Zustimmungserfordernis
Darüber hinaus hat sich der BGH in der obigen Entscheidung Stimmen aus der Literatur angeschlossen und über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus gefordert, dass eine ausdrückliche Zustimmung des Heimbewohners oder seines Betreuers/Bevollmächtigten vorliegen muss. Dies gilt auch für solche Bewohner, die Leistungen nach SGB XI bzw. XII erhalten, bei denen also ein Sozialhilfeträger zumindest einen Teil des Heimaufenthaltes bezahlt.
3. Zusammenfassung in Schritten
Um das Ganze noch einmal transparenter zu machen, hier die Einzelschritte von den Voraussetzungen und vom Verfahren her in einer Checkliste.
Checkliste / So muss bei Heimentgelterhöhung vorgegangen werden |
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4. Fazit für die Praxis
Die Entgelterhöhung laut Gesetz mutet in den Voraussetzungen alles andere als abschließend geklärt an. Die Überprüfung mit Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen erscheint mühsam und schwerfällig. In der Praxis dürften Entgelterhöhungsverlangen jedoch i. d. R. ohne größere Probleme durchgehen.
- Zum einen: Wer will sich schon ernsthaft zutrauen, die Kalkulationsunterlagen wirklich stichhaltig zu überprüfen?
- Zum anderen: Viele Heimbewohner bzw. ihre Betreuer/Bevollmächtigten werden keinen Widerstand leisten, weil sie bei einer ernsthaften Auseinandersetzung um ihre tägliche Daseinsvorsorge fürchten. So hebt Kempchen (in: Dickmann, Heimrecht, a.a.O. § 9 WBVG, Rn. 11) hervor, dass z. B. vom Einsichtnahmerecht in die Kalkulationsunterlagen in der Praxis nur unwesentlich Gebrauch gemacht wird.
Musterformulierung / Heimentgelterhöhung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Herrn/Frau ... im Seniorenheim ... Neustadt, den 15.2.2018, persönlich überreicht
Betreff: Zustimmung zur Entgelterhöhung nach § 9 WBVG
Sehr geehrte Frau …, sehr geehrter Herr…,
hiermit teile ich Ihnen mit, dass wir ab dem 1.4.18 die Entgelte für Pflegeleistung und für Unterkunft und Verpflegung erhöhen. Hierfür bitten wir um Ihre Zustimmung.
Die Pflegesatzverhandlung für die Pflegevergütung und das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung hat am 1.2.18 stattgefunden, die vereinbarten Entgelte können ab dem 01.4.18 berechnet werden. Ihre Bewohnervertretung war vor der Aufnahme der Verhandlungen mit den Kostenträgern in das Pflegesatzverfahren eingebunden.
Wir stellen Ihnen nachfolgend die wesentlichen Bestimmungsfaktoren, die zu den geltend gemachten und vereinbarten Entgelten geführt haben, zusammen. die Erhöhung ist gerechtfertigt, da sich die bisherigen Berechnungsgrundlagen geändert haben.
1. Neue Pflegesätze und Entgelte Gegenüberstellung der Heimentgelte (Beispiel für Tagessatz):
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Gegenüberstellung bisherige und erwartete künftige Kosten:
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Umlegungsmaßstab:
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2. Angemessenheit der Erhöhung und des erhöhten Entgeltes Die Entgelte bewegen sich nach ihrer Erhöhung verglichen mit den Entgelten anderer Einrichtungen in der Region Neustadt im vergleichbaren Rahmen. Sie sind daher angemessen.
Die Erhöhung ist angemessen, weil mit ihr die seit längerem bestehende Kostensteigerung ausgeglichen wird. Auch die Kostenträger halten die Erhöhung für erforderlich und haben diese ihrerseits vereinbart. Vor allem die gestiegenen Personalkosten im Pflegebereich haben zu der Kostensteigerung geführt, da wir insofern an die tarifvertraglichen Vereinbarungen gebunden sind.
In Ihrem Fall erhöht sich damit bei Pflegeklasse 2 das Entgelt von ... auf ... EUR. Ich darf Sie bitten, die anliegende Zustimmungserklärung zu unterzeichnen und bis zum ... der Heimleitung einzureichen.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift |
Musterformulierung / Zustimmungserklärung |
Zustimmung zur Heimentgelterhöhung
Hiermit stimme ich ... geboren am ... wohnhaft im Seniorenheim ... in Neustadt zu, dass sich das von mir täglich zuzahlende Heimentgelt ab dem 1.4.2018 von ... auf ... EUR erhöht.
Über die Hintergründe der Heimentgelterhöhung wurde ich durch die Heimleitung mit Schreiben vom ... umfassend informiert.
Neustadt, den ...
Unterschrift |