· Fachbeitrag · Heimvertrag
Das gilt zum Wohn- und Betreuungsvertrag in der Corona-Pandemie
von RA Michael Drasdo, FA Miet- und WEG-Recht, Neuss
| Der Gesetzgeber hat hinsichtlich des WBVG keine besonderen Reglungen in dem COVID-19-FAG (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-FAG), vom 27.3.20, BGBl I 2020, 569) getroffen. Dennoch kann dieses unter Umständen zugunsten des Bewohners angewendet werden. |
1. Leistungspflichten
Die Leistungspflichten der Parteien eines Wohn- und Betreuungsvertrags ergeben sich aus § 7 WBVG. Nach Absatz 1 hat der Bewohner einen Anspruch darauf, dass ihm Wohnraum überlassen und Pflege- und Betreuungsleistungen erbracht werden. Nach § 7 Abs. 2 WBVG muss er dafür das mit dem Betreiber der Einrichtung vereinbarte Entgelt zahlen.
Im Rahmen der Vertragsabwicklung können dem Verbraucher bei Nicht- oder Schlechtleistungen auch besondere Gewährleistungsansprüche zustehen. Diese sind nach § 10 WBVG geltend zu machen. Immer ist jedoch bei der Prüfung der entsprechenden Umstände zu berücksichtigen, ob der Bewohner Leistungen nach dem SGB XI oder SGB XII erhält.
2. Leistungsverweigerungsrechte
Nach Art. 5 § 1 Abs. 1 COVID-19-FAG darf ein Verbraucher vom 1.4.20 bis zum 30.6.20 seine Leistung aus einem Dauerschuldverhältnis verweigern, wenn er ohne Gefährdung seines Lebensunterhalts oder eines angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen seine Pflichten nicht erfüllen kann. Voraussetzung ist, dass dieser Umstand auf die Auswirkungen der Ausbreitung des Corona-Virus zurückzuführen ist. Diese Regelung ist grundsätzlich auch auf Wohn- und Betreuungsvertragsverträge anwendbar. Denn der in Art. 5 § 1 Abs. 4 COVID-19-FAG für Mietverträge vorgesehene Anwendungsausschluss greift nicht ein. Es handelt sich bei dem Vertrag nämlich nicht um einen Mietvertrag, sondern um einen eigenen Vertragstypus (Vgl. LG Berlin SRa 2013, 78; LG Münster BeckRS 2016, 119200).
Erbringt aber der Bewohner die ihm nach § 7 Abs. 2 WBVG obliegenden Leistungen nicht selbst, sondern ein Sozialhilfeträger, kann Art. 5 § 1 Abs. 1 COVID-19-FAG nicht eingreifen. Die Zahlung gefährdet den Unterhalt des Bewohners oder seiner Angehörigen nicht. Demnach kann die Regelung bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen nur eingreifen, wenn neben diesen noch eigene Mittel aufgebracht werden. Dies kommt in Betracht, wenn der Bewohner aufgrund seiner Ansprüche zwar Leistungen nach dem SGB XI erhält, aber mangels Bedürftigkeit für die darüber hinaus an den Betreiber des Alten- oder Pflegeheims zu entrichtenden Beträge eigene Mittel verwendet.
3. Kündigungsrechte
Der Betreiber kann nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 WBVG den Vertrag mit dem Bewohner u. a. kündigen, wenn dieser mit der Zahlung von entweder für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, der das Entgelt für einen Monat übersteigt, im Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung des Entgelts in Höhe eines Betrags in Verzug gekommen ist, der das Entgelt für zwei Monate erreicht. Zugunsten des Bewohners gibt es in Art. 5 § 1 COVID-19-FAG keinen Kündigungsschutz. Ein solcher ist nach Art. 5 § 2 COVID-19-FAG nur für einen Mietvertrag vorgesehen. Der liegt hier jedoch nicht vor. Mit Ablauf des Zeitraums vom 1.4.20 bis zum 30.6.20 läuft der Verbraucher daher Gefahr, dass der Unternehmer den Vertrag kündigt, wenn dann die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 WBVG vorliegen sollten.
4. Gewährleistungsrechte
Nach § 10 WBVG stehen dem Bewohner gegenüber dem Unternehmer neben den allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüchen noch besondere Gewährleistungsrechte zu, wenn die Überlassung des Wohnraums oder die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen nicht oder nur unzureichend erfolgt. Diese Bestimmung gilt trotz der Corona-Pandemie unverändert fort.
Zu Nicht- oder Schlechtleistungen während der Corona-Pandemie kann es kommen, wenn das Personal des Unternehmers infiziert wird und dadurch die vereinbarten Leistungen nicht mehr oder nicht mehr vollständig erbracht werden. Die Infektion der Pflegekräfte fällt in den Risikobereich des Unternehmers. Der Bewohner kann daher das Entgelt entsprechend kürzen, wenn die nach § 10 Abs. 1 WBVG erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
PRAXISTIPP | Trotz der insoweit vorliegenden systematischen Unzulänglichkeiten (vgl. OLG Düsseldorf MDR 11, 907; OLG Frankfurt BeckRS 2013, 22591) müssen die Ansprüche ordnungsgemäß und termingerecht geltend gemacht werden. Ansonsten greift eine materiell-rechtliche Verfallsregelung. |
Bezieht der Bewohner Sozialleistungen nach dem SGB XI oder dem SGB XII sind die Minderungsbeträge jedoch an die Sozialhilfeträger zu leisten. Soweit er allerdings selber Leistungen erbringt, stehen sie ihm anteilig zu.
5. Ausblick
Das COVID-19-FAG schützt in Teilbereichen auch den Bewohner bei einem nach dem WBVG abgeschlossenen Vertrag. Zudem stehen ihm die daraus erwachsenden Gewährleistungsrechte zu, wenn der Unternehmer durch die COVID-19-Pandemie seine Leistungen nicht oder nur unzureichend erbringen kann. Defizite zulasten des Bewohners bestehen, weil ein Kündigungsschutz nicht vorgesehen ist, wenn die Leistungsfähigkeit wegen der Folgen der Corona-Pandemie beeinträchtigt wird. Da aber viele Bewohner Sozialleistungen beziehen, werden sich die entsprechenden Gefahren nur in Ausnahmefällen realisieren.