· Fachbeitrag · Hospiz- und Palliativversorgung
Kehrtwende im Umgang mit dem Tod
von RA Karl-Heinz Steffens, Berlin
| Tod und Sterben waren vor 30 Jahren noch Tabuthemen. Das hat sich langsam geändert. Es kamen Hospize, Palliativmedizin, Patientenverfügung und Organtransplantation auf die Tagesordnung und damit auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tod. Nun rückt das Thema noch mehr in den Fokus des Gesetzgebers. |
1. Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung
Der Deutsche Bundestag hat am 5.11.15 mit großer Mehrheit das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland beschlossen, dass am 8.12.15 in Kraft getreten ist. Es enthält vielfältige Maßnahmen zur Förderung eines flächendeckenden Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung in allen Teilen Deutschlands, insbesondere auch in strukturschwachen und ländlichen Regionen.
a) Palliativversorgung Teil der Regelversorgung
Mit Inkrafttreten des Hospiz- und Palliativgesetzes gehört die allgemeine Palliativversorgung nun ausdrücklich zur Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für die Krankenkassen bedeutet das, dass sie ab sofort ihre Versicherten bei der Auswahl der Palliativ- und Hospizversorgung individuell beraten können.
Im ambulanten Sektor werden durch das Gesetz die Leistungen der Vertragsärzte zur Palliativversorgung zusätzlich vergütet und die in diesem Bereich bereits bestehenden Abrechnungsmöglichkeiten für Hausärzte erweitert. Voraussetzung ist, dass Ärzte über entsprechende Qualifikationen verfügen und sich an Kooperationen mit anderen Leistungserbringern beteiligen, z. B. an einem gemeinsamen Fallmanagement.
b) Stärkung der Palliativstationen
Das Gesetz stärkt ebenso den stationären Sektor: Palliativstationen in Krankenhäusern haben künftig mehr finanziellen Spielraum und können außerhalb der DRG-Vergütung abrechnen. Darüber hinaus soll die finanzielle Ausstattung der stationären Hospize für Kinder und Erwachsene verbessert werden. Die Kranken- und Pflegekassen tragen künftig 95 Prozent statt 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten.
In vollstationären Pflegeeinrichtungen ermöglicht das Gesetz zudem eine bessere ärztliche Versorgung. Für Kooperationen mit Vertragsärzten ist eine unbefristete, obligatorische Vergütung der ärztlichen Leistungen vorgesehen. Die Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgt zunächst außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Hier die wesentliche Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung im Überblick:
- Die Palliativversorgung wird ausdrücklicher Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im vertragsärztlichen Bereich werden die Selbstverwaltungspartner zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren - zur Steigerung der Qualität der Palliativversorgung, zur Zusatzqualifikation der Haus- und Fachärzte sowie zur Förderung der Netzwerkarbeit.
- Die Palliativversorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege wird gestärkt. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält den Auftrag, in seiner Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege die Leistungen der Palliativpflege zu konkretisieren und damit für die Pflegedienste abrechenbar zu machen.
- Um vor allem in ländlichen Regionen den Ausbau der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu beschleunigen, wird ein Schiedsverfahren für Versorgungsverträge eingeführt. Zudem wird klargestellt, dass allgemeine und spezialisierte ambulante Palliativversorgung auch in selektivvertraglichen Versorgungsformen gemeinsam vereinbart werden können. Auch in diesen Verträgen gelten die hohen Qualitätsanforderungen der SAPV.
- Die finanzielle Ausstattung stationärer Kinder- und Erwachsenen-Hospize wird verbessert. Hierfür wird der Mindestzuschuss der Krankenkassen erhöht. Vor allem derzeit noch unterdurchschnittlich finanzierte Hospize erhalten einen höheren Tagessatz je betreutem Versicherten (von derzeit rund 198 EUR auf rund 261 EUR in 2016). Außerdem tragen die Krankenkassen künftig 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten. Zusätzlich wurde vereinbart, dass für stationäre Kinderhospize eigenständige Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden können.
- Bei den Zuschüssen für ambulante Hospizdienste werden jetzt neben den Personalkosten auch die Sachkosten berücksichtigt. Hierzu wird gesetzlich der Zuschuss der Krankenkassen je Leistung von 11 auf 13 Prozent der Bezugsgröße erhöht. Bei der Förderung ist zudem der besondere Aufwand für das hospizliche Erstgespräch zu beachten. Der steigende Zuschuss der GKV trägt insgesamt dazu bei, dass Hospizdienste mehr finanziellen Spielraum erhalten. Außerdem soll die ambulante Hospizarbeit in Pflegeheimen stärker berücksichtigt werden. Krankenhäuser können Hospizdienste künftig mit Sterbebegleitungen beauftragen.
- Die Sterbebegleitung wird ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungsauftrags der sozialen Pflegeversicherung. Kooperationsverträge der Pflegeheime mit Haus- und Fachärzten sollen verpflichtend abgeschlossen werden. Ärztinnen und Ärzte, die sich daran beteiligen, erhalten eine zusätzliche Vergütung. Außerdem werden Pflegeheime zur Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten verpflichtet und müssen die Kooperation mit vernetzten Hospiz- und Palliativangeboten künftig transparent machen.
- Darüber hinaus wird die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Pflegeheime ihren Bewohnerinnen und Bewohnern eine Versorgungsplanung zur individuellen und umfassenden medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Betreuung in der letzten Lebensphase organisieren und anbieten können. Dieses besondere Beratungsangebot wird ebenfalls von den Krankenkassen finanziert.
- Zur Stärkung der Hospizkultur und Palliativversorgung in Krankenhäusern ist vorgesehen, dass für eigenständige Palliativstationen künftig krankenhausindividuelle Entgelte mit den Kostenträgern vereinbart werden, wenn das Krankenhaus dies wünscht. Aber auch in Krankenhäusern, in denen keine Palliativstationen zur Verfügung stehen, wird die Palliativversorgung gestärkt: Krankenhäuser sollen ab 2017 krankenhausindividuelle Zusatzentgelte für multiprofessionelle Palliativdienste vereinbaren können, ab 2019 wird es auf einer gesetzlichen Grundlage bundesweit einheitliche Zusatzentgelte hierfür geben. Die Krankenhäuser können dafür hauseigene Palliativ-Teams aufbauen oder mit externen Diensten kooperieren.
- Versicherte erhalten einen Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die gesetzlichen Krankenkassen bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung. Dabei sollen Krankenkassen auch allgemein über Möglichkeiten persönlicher Vorsorge für die letzte Lebensphase, insbesondere zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung, informieren.
- Um mehr Transparenz über die Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung herzustellen, erhält der GKV -Spitzenverband den Auftrag, regelmäßig über die verschiedenen Versorgungsinstrumente zu berichten.
2. Fragen und Antworten zum Hospiz- und Palliativgesetz
Was sind die Ziele die der Gesetzgeber mit dem Hospiz- und Palliativgesetz verfolgt und mit welchen Mitteln will er sie erreichen?
a) Muss die Hospiz- und Palliativversorgung weiterentwickelt werden?
Nicht jeder ältere Mensch kann die letzte Lebensphase in vertrauter häuslicher Umgebung und im Kreis der nächsten Angehörigen verbringen. Die Mehrheit der Menschen verbringt die letzte Lebensphase in stationären Versorgungseinrichtungen (insbesondere in Pflegeheimen und Krankenhäusern). Wichtig ist deshalb, dass die letzte Phase des Lebens auch dort selbstbestimmt und nach den persönlichen Wünschen gestaltet werden kann.
Dies setzt voraus, dass überall ausreichende Angebote der Palliativmedizin, der Palliativpflege und der hospizlichen Sterbebegleitung existieren und die Menschen über die vielfältigen Angebote und Möglichkeiten der Versorgung und Begleitung in der letzten Lebensphase informiert sind. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ werden dafür die gesetzgeberischen Weichen gestellt.
b) Wie wird die Versorgung in der letzten Lebensphase verbessert?
Die Palliativversorgung in der Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung und die spezialisierte Palliativversorgung werden gestärkt. Es werden Anreize zur Entwicklung einer Palliativkultur in der stationären Versorgung in Pflegeheimen und Krankenhäusern gesetzt. Die Finanzierung der ambulanten Hospizdienste und stationären Hospize wird verbessert. Außerdem sollen die verschiedenen an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen und ehrenamtlich Tätigen in der medizinischen, pflegerischen und hospizlichen Versorgung und Begleitung von schwerstkranken und sterbenden Menschen enger zusammenarbeiten. Schließlich soll sichergestellt werden, dass sich Versicherte und deren Angehörige gezielt über bestehende Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung informieren können.
c) Wie wird die hospizlichen Sterbebegleitung konkret verbessert?
Es ist der Hospizbewegung zu verdanken, dass die Bedeutung einer guten Betreuung und Versorgung sterbender Menschen immer mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt und die Themen Sterben und Tod enttabuisiert werden. Um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken und hospizliche Angebote auszubauen, sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
Die finanzielle Ausstattung stationärer Hospize wird verbessert. Dies geschieht zum einen durch Erhöhung des Mindestzuschusses der Krankenkassen. Zum anderen tragen die Krankenkassen künftig 95 Prozent statt wie bisher 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten. Der Kostenanteil, den Hospize durch zusätzliche Spenden aufbringen müssen, wird damit reduziert - aber nicht ganz abgeschafft, damit der Charakter der vom bürgerschaftlichen Ehrenamt getragenen Hospizbewegung erhalten bleibt.
Bei den Zuschüssen für ambulante Hospizdienste werden künftig neben den Personalkosten auch die Sachkosten berücksichtigt (z. B. Fahrtkosten der ehrenamtlichen Mitarbeiter) und es wird ein angemessenes Verhältnis von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern sichergestellt. Die finanzielle Förderung erfolgt zudem zeitnäher ab der ersten Sterbebegleitung. Der Aufwand der Hospizarbeit in Pflegeheimen ist stärker zu berücksichtigen. Krankenhäuser können Hospizdienste künftig mit Sterbebegleitungen in ihren Einrichtungen beauftragen.
d) Wie wird die ambulante Versorgung konkret verbessert?
Im vertragsärztlichen Bereich werden die Selbstverwaltungspartner der Ärzteschaft und der Krankenkassen zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren - zur Steigerung der Qualität der Palliativversorgung, zur Zusatzqualifikation der Ärzte sowie zur Förderung der Netzwerkarbeit mit den anderen an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen und Versorgungseinrichtungen.
Die Bedeutung der häuslichen Krankenpflege für die Palliativversorgung wird herausgestellt, insbesondere indem die Möglichkeit betont wird, häusliche Krankenpflege in Palliativsituationen länger als für die üblichen vier Wochen zu verordnen. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält den Auftrag, in seiner Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege die einzelnen Leistungen der Palliativpflege zu konkretisieren.
Weiterführender Hinweis
- Übersicht zu den verbesserten Leistungen in SR 16, 10