· Fachbeitrag · Kurzzeitpflege
Was sich in der Kurzzeitpflege geändert hat
von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B. A., Göttingen
| Seit dem 1.1.22 gelten verbesserte Pflegeleistungen. Die Kassen zahlen mehr Geld und eine neue Übergangslösung entlastet, wenn man aus dem Krankenhaus entlassen wird und keine direkte Anschlusspflege findet. Der Beitrag fasst kompakt zusammen, was nun bei der Kurzzeitpflege gilt und was Mandanten häufig übersehen. |
1. Kurzzeitpflege: Wann sie verlangt werden kann
Wer Angehörige pflegt, benötigt über kurz oder lang kurze Zeiträume, um beispielsweise in den Urlaub zu fahren, eine Reha-Maßnahme anzutreten oder Verwandte in Krisenzeiten zu unterstützen. In solchen Situationen entlastet die Kurzzeitpflege, indem für eine begrenzte Zeit eine vollstationäre Pflege sichergestellt wird.
MERKE | Insbesondere die Coronapandemie hat in vielen Familien zu belastenden Situationen und Zeitnot geführt. Viele pflegende Angehörige nutzen die entlastende Kurzzeitpflege auch für eigene Arzttermine und legen präventiv ihre Impf- und Booster-Termine in dieses Zeitfenster, falls sich nach der Impfung einige Tage eingeschränkte Leistungsfähigkeit zeigt. |
2. Anspruch und Dauer
Kurzzeitpflege wird für maximal 56 Tage (= acht Wochen) im Jahr bewilligt. Mit jedem neuen Kalenderjahr entsteht der Acht-Wochen-Anspruch also neu, der anteilig über das Jahr verteilt sein kann.
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Voraussetzung: Person hat Pflegegrad von 2 bis 5, keine Leistungen bei Pflegegrad 1 | |
Kurzzeitpflege (seit 1.1.22): | (zuvor 1.612 EUR) 1.774 EUR |
Aufstockung möglich (sofern keine Verhinderungspflege beansprucht wurde) | max. 1.612 EUR |
Leistungen insgesamt | max. 3.386 EUR |
Kurzzeitpflege kann ferner beantragt werden, wenn Menschen krankheits- oder unfallbedingt plötzlich pflegebedürftig werden. Die Suche nach einer Einrichtung gestaltet sich gerade in akuten Fällen oft schwierig. Das Bundesland NRW hat beispielsweise das Onlineportal Heimfinder NRW (www.iww.de/s5945) geschaffen, um freie Kurzzeit- und Dauerpflegeplätze leichter zu finden.
3. Einrichtung muss für Kurzzeitpflege zugelassen sein
Der Antrag muss bei der Pflegekasse der gepflegten Person selbst oder durch einen Bevollmächtigten gestellt werden. Eine Vollmacht ist dem Antrag beizufügen.
Die vorgesehene Einrichtung muss für die Kurzzeitpflege zugelassen sein. Dies ist zuvor mit der Krankenkasse abzuklären.
Was sich nicht geändert hat: Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten trägt weiterhin die pflegebedürftige Person selbst.
4. Neu: Übergangspflege direkt im Krankenhaus gemäß § 39e SGB V
Das passiert nicht selten: Die pflegebedürftige Person wurde im Krankenhaus behandelt und soll nun entlassen werden. Nun wird es eng, direkt anschließend eine häusliche Krankenpflege, Kurzzeitpflege oder sonstige Pflegeleistungen nach SGB XI sicherzustellen.
MERKE | Der neue § 39e SGB V regelt eine Übergangslösung, nach dem die Person direkt in dem behandelnden Krankenhaus verbleibt und eine Übergangspflege für maximal zehn Tage erhält. Auch diese ist bei der Krankenkasse zu beantragen, wobei der Sozialdienst bzw. das Entlassungsmanagement des Krankenhauses unterstützt. |
5. Kurzzeitpflege von häuslicher Pflege aus
Wird bereits daheim gepflegt, ist der kurzzeitig erhöhte Pflegebedarf nachzuweisen (z. B. ärztliches Attest).
Ist bereits ein ambulanter Pflegedienst im Einsatz, kann dieser den Pflegebedarf bestätigen. Eventuell wird der Medizinische Dienst kurzfristig die betroffene Person begutachten.
Atteste und Berichte sollten aussagekräftig und unmissverständlich sein.
PRAXISTIPP | „Häufig werden Anträge verzögert bearbeitet“, sagt Rechtsreferent Markus Sutorius vom BIVA Pflegeschutzbund. Das liege häufig an akutem oder dauerhaftem Personalmangel. „Personen gehen bei den Pflegeeinrichtungen in Vorleistung und laufen später bei der Pflegekasse dem Geld hinterher. Häufig werden Anträge abgelehnt, wenn auch nur eine Kleinigkeit im Antrag fehlt oder vermeintlich fehlt.“ Man rechne auch damit, dass sich viele Personen gar nicht wehren, denn der Klageweg „ist mühsam und kostet Geld“, so Sutorius. |
6. Auch hier entscheidend: Vollmachtsfrage frühzeitig regeln
Wie in allen anderen Dingen auch, müssen Angehörige, Freunde oder Vorsorgeanwälte bevollmächtigt sein, wenn sie für die gepflegte Person in Pflegefragen handeln sollen (Anträge stellen, mit Einrichtungen Vereinbarungen treffen).
Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person rechtssicher von vorneherein bestimmen, welche medizinischen Behandlungen sie wünscht und wer über Pflegefragen entscheiden und mit Einrichtungen kommunizieren soll. Pflegekassen verlangen auch oft das Original bzw. eine Ausfertigung der Vorsorgevollmacht.
Beachten Sie I Ist die Vollmachtsfrage ungeklärt, führt dies oft zu zeitlichen Verzögerungen. Zwar kennen viele Einrichtungen der Kurzzeitpflege dieses Problem und zeigen sich bei den Zahlungsfristen mitunter kulant, wenn relativ klar ist, dass das Geld überhaupt fließen wird. Trotzdem erspart man sich mit vorliegenden Vollmachten solchen unnötigen Aufwand.
PRAXISTIPP | Laden Sie unsere Arbeitshilfe und 32-seitige Sonderausgabe zu Vorsorgevollmachten und Verfügungen hier herunter: www.iww.de/s6202. |
7. Als Anwalt für pflegebedürftige Mandanten handeln
Anwälte stellen in pflegerechtlichen Mandaten häufig fest, dass sich Mandanten für allgemeine Beratungen an die Verbraucherzentralen wenden.
Beachten Sie | Dabei übersehen Mandanten, dass es hierneben auch Senioren- und Pflegestützpunkte bzw. städtische Pflegeberatungen gibt, die sich bezüglich Pflegefragen, Kosten und Belegungsengpässen in Einrichtungen gut auskennen. Hier erhalten Mandanten umfassende Beratungsangebote speziell zur individuellen Sachlage.
Die Suchfunktion der Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege listet Beratungsstellen am eigenen Wohnort auf (www.iww.de/s5947).
Weiterführende Hinweise
- Aufwendungen für eigene Pflege: So mindern Senioren ihre Steuerlast, SR 21, 192
- Unterbringung in privater Pflege-WG: Kostenabzug zu bejahen?, SSP 4/2021, Seite 3, Abruf-Nr. 47279893
- Ort der Pflegeberatung und Pflegeschulung, SR 19, 113
- Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung: Entlastung bei vollstationärer Pflege, SR 22, 34