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· Fachbeitrag · Medizinrecht

Zwischenbilanz: Ein Jahr Patientenrechtegesetz

von RA und Mediator Florian Wörtz, Stuttgart

| Am 26.2.13 ist das Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Zweck des Gesetzes ist es, die Position der Patienten gegenüber Leistungserbringern wie Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen zu stärken. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Eckpunkte des neuen Gesetzes vor und zieht ein Zwischenfazit nach einem Jahr des Bestehens. |

1. Alte Rechtslage

Vor Inkrafttreten des Gesetzes fanden sich Patientenrechte unübersichtlich verstreut in verschiedenen Gesetzen. Die bisherigen Regelungen wurden durch Gerichte interpretiert und näher konkretisiert. Der Patient war dem heilkundlichen Berufsträger gegenüber rechtlich in einer häufig schwierigen Ausgangslage. Nicht zuletzt aufgrund der Komplexität von Arzthaftungsfällen war es einem Patienten kaum möglich sich einen Überblick über seine Rechte und Ansprüche zu verschaffen. Das Patientenrechtegesetz bündelte die gefestigte Rechtsprechung in einem Gesetz. Die Regelung des Arzthaftungs- und Behandlungsrechts in den §§ 630a bis 630h BGB entsprechen dabei im Wesentlichen den bisherigen richterrechtlich entwickelten Grundsätzen. Im SGB V wurden Patientenrechte gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert. Kritik erfuhr das Patientenrechtegesetz insoweit, als dass der Gesetzgeber der Sache nach eine Anleitung zum Führen eines Arzthaftungsprozesses vorlege, das es in dieser Form weder in einer anderen Konstellation wie Autokauf oder Hausbau noch bei einer anderen Berufsgruppe gebe (Winkhart-Martis, Das neue Patientenrechtegesetz).

2. Neuerungen durch das Patientenrechtegesetz

Im Wesentlichen ergeben sich folgende Neuerungen:

 

a) Behandlungsvertrag

Nach § 630a BGB besteht entsprechend der früheren zivilrechtlichen Rechtsprechung zwischen Patient und der Behandlungsseite ein Behandlungsvertrag. Nach sozialrechtlicher Rechtsprechung erfolgte die Behandlung in einem öffentlich-rechtlichen Sonderverhältnis. Diese Klarstellung ist bedeutsam für die Einbeziehung von AGB, die einen Vertrag voraussetzen. Der Kreis der Behandelnden umfasst alle, die die medizinische Behandlung eines Patienten zusagen. Neben Ärzten, Zahnärzten oder Psychologen also auch Heilhilfsberufe wie Hebammen, Masseure oder Logopäden.

 

b) Informationspflichten

Im Spannungsfeld des Arztes zwischen Aufklärung und Schonung des Patienten stellt das Patientenrechtegesetz in § 630c BGB klar auf die möglichst umfassende Information des Patienten ab. Ein „barmherziges Verschweigen“ kann lediglich auf Ausnahmefälle beschränkt sein, in welchen das Risiko schwerster Schäden des Patienten bis hin zur Suizidgefahr besteht (siehe Rehborn Patientenrechtegesetz 2013, MDR 13, 497 (499). Der Arzt muss den Patienten über erkennbare eigene Behandlungsfehler sowie Fehler des vorbehandelnden Arztes informieren, wenn danach gefragt wird. Ferner besteht eine Pflicht zur Information, wenn diese zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren für den Patienten erforderlich ist. Die Informationspflichten beschränken sich jedoch nicht nur auf die medizinische, sondern auch auf die wirtschaftliche Seite. Der Patient muss über bekannte und erkennbare Risiken hinsichtlich der Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte, im Regelfall gesetzliche Krankenversicherungen, informiert werden. Über die voraussichtlichen Behandlungskosten muss gar in Textform informiert werden.

 

b) Einwilligung und Aufklärung

Der in § 630d BGB geregelten Einwilligung liegt der Grundsatz der Selbstbestimmung zugrunde. Ein Eingriff ist rechtswidrig, wenn er nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Bei einwilligungsunfähigen Patienten z.B. nicht einsichtsfähige Minderjährige, bewusstlose oder demente Personen, ist die Einwilligung des hierzu Berechtigten einzuholen. In Betracht kommen hier Eltern, Generalbevollmächtigte oder gesetzliche Betreuer. Eine wirksame Patientenverfügung geht bei einwilligungsunfähigen Erwachsenen der Entscheidung des Betreuers oder Generalbevollmächtigten vor. Die Einwilligung kann jederzeit formlos widerrufen werden und ist nur entbehrlich, wenn eine Maßnahme unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich ist.

 

Der Aufklärung kommt eine besondere Bedeutung zu, da eine Einwilligung nur wirksam ist, wenn der Patient oder sein Vertreter nach den in § 630e BGB aufgestellten Maßstäben aufgeklärt worden ist. Der Patient soll über den Eingriff und dessen wesentlichen Umstände so aufgeklärt werden, dass er für seine selbstbestimmte Entscheidung eine ausreichende Grundlage hat.

 

d) Dokumentation

Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen von Eintragungen in die Patientenakte sind nur noch zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und der Zeitpunkt der Veränderung vermerkt ist (§ 630f Abs. 1 S. 2 BGB). Es wird andernfalls vermutet, dass die fragliche Maßnahme nicht getroffen wurde (§ 630h Abs. 3 BGB).

 

e) Einsichtsrechte und Abschriften der Patientenakte

§ 630g BGB normiert die Rechte des Patienten und seiner Erben bezüglich der Patientenakte. Nächste Angehörigen, die nicht Erbe geworden sind, haben ein Einsichtsrecht, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Der Arzt kann die Herausgabe nur verweigern, wenn der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des verstorbenen Patienten der Einsichtnahme entgegensteht.

 

f) Änderungen im SGB V

Das Patientenrechtegesetz verschafft den gesetzlich Versicherten eine Verbesserung insbesondere durch § 66 SGB V: Kranken- und Pflegekassen sollen ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützen. Zu der Unterstützung gehört insbesondere die Einholung von MDK-Gutachten (§§ 275 ff. SGB V).

3. Änderungen durch das Patientenrechtegesetz

Die neuen Regeln bringen den Angehörigen von Heilberufen zahlreiche Änderungen, denen sie mit gewisser Unsicherheit begegnen und die auch einen gewissen Umsetzungsaufwand in den Praxen fordern. Für Ärzte sind insbesondere die umfassenden Aufklärungs- und Informationspflichten zur Behandlung relevant. Häufig sind die Ärzte daher übergegangen sich Aufklärungsbögen schriftlich unterschreiben zu lassen. Die Dokumentation der Patientenakte hat ebenfalls den neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfolgen. Obwohl das Patientenrechtegesetz inhaltlich wenig Neues bringt, zeigen sich Unsicherheiten in der Praxis. So beklagt der Berufsverband der Berufsbetreuer, dass Ärzte Berufsbetreuer zur Unterschrift unter schriftliche Aufklärungsbögen drängen, da die Punkte „Aufklärung über die Behandlung“ und „Einwilligung in die Behandlung“ in ihrem Umfang nicht bekannt seien.

 

FAZIT | Das Patientenrechtegesetz dürfte im Wesentlichen als ein gelungenes Gesetzeswerk gelten. Es ist ein komplexes System an Beweisregeln entwickelt worden, das künftig auch bei Weiterentwicklungen in der Medizin mit Analogien und den gesetzlichen Grundgedanken zur Beweislast einen verlässlichen Rahmen bildet. Abzuwarten bleibt insbesondere, inwieweit sich in der Praxis die Änderungen im SGB V für die Krankenversicherten tatsächlich auswirken und ob die Unterstützung der Krankenkassen bei der Durchsetzung von Haftungsansprüchen tatsächlich greift. Es ist wünschenswert, dass der Gesetzgeber einen Lebensbereich nicht nur der weiteren Entwicklung des Richterrechts überlässt, sondern diesen aktiv gestaltet und mit dem Patientenrechtegesetz hierfür einen übersichtlichen gesetzlichen Rahmen liefert.

 

 

Checkliste / Wichtige Punkte beim Arzthaftungsmandat

  • Verjährungsfrist: Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, muss er innerhalb von drei Jahren dagegen vorgehen. Die Frist beginnt ab dem Moment, an dem er Kenntnis über den Behandlungsfehler hätte haben können.
  • Sachverhaltsaufklärung: Ärzte sind gesetzlich verpflichtet auf Nachfragen Behandlungsfehler zuzugeben. Es ist daher ratsam nach der Operation nachzuhaken, wenn der Patient Anhaltspunkte dafür hat, dass irgendetwas nicht stimmt. Bei den Krankenkassen gibt es ein Behandlungsfehler-Management. Dieses sollte kontaktiert werden, um Unterstützung etwa in Form eines MDK-Gutachtens zu erhalten. Ferner ist es ratsam ein Schmerztagebuch zu führen oder Fotos von Wunden anzufertigen. Kommen Ärzte, Krankenschwestern oder Bettnachbarn als Zeugen in Betracht, sollte von diesen Namen und Kontaktadressen notiert werden. Behandlungsunterlagen sind anzufordern.
  • Für den materiellen Schadensersatz sind alle Kosten nebst Nachweisen zusammenzustellen.
  • Für den immateriellen Schmerzensgeldanspruch, dem in Arzthaftungsfällen regelmäßig eine große Bedeutung zukommt, ist eine detaillierte Darstellung der eingetretenen Gesundheitsstörung und ihrer Auswirkungen ratsam. Anschließend sollte in Schmerzensgeldtabellen nach vergleichbaren Fällen gesichtet werden, um bei der Höhe des Schmerzensgelds Anhaltspunkte bei der Bestimmung des eigenen Schmerzensgeldanspruchs zu finden.
Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 34 | ID 42497004