· Fachbeitrag · Vorsorgevollmacht
Selbst bei eigennützigen Verfügungen:Kontrollbetreuung nur bei wichtigen Gründen
| Existiert eine Vorsorgevollmacht, sind die Hürden für eine Betreuung hoch, wie der BGH mehrfach betont hat. Handelt ein Bevollmächtigter so, dass auch er selbst oder seine Angehörigen davon profitieren, rechtfertigt das nicht gleich eine Kontrollbetreuung. Vor allem dann nicht, wenn der Bevollmächtigte schon früher von der Vollmachtgeberin erhebliche Zuwendungen erhielt. |
Sachverhalt
Die 87-jährige Betroffene B litt nach 2 Schlaganfällen an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom. Sie hatte sich jedoch frühzeitig um ihre Vorsorge gekümmert. Die von ihr erteilte Generalvollmacht war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Bevollmächtigte waren ursprünglich der Sohn und der Enkel der B. Als letzterer ausschied, „gewährte sich“ der Sohn ein Darlehen der Betroffenen für seine GmbH, wie aus der Grafik nachstehend ersichtlich (BGH 9.5.18, XII ZB 413/17, Abruf-Nr. 201952).
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des LG hatte das Verhalten des Sohns nicht den Widerruf der Vorsorgevollmacht gerechtfertigt. Ein Vollmachtmissbrauch sei nicht erkennbar. Der vom Sohn im Namen der Betroffenen 2015 geschlossene Darlehensvertrag über 20.066 EUR zugunsten seiner GmbH habe üblichen Konditionen entsprochen.
Der BGH sah dies genauso, machte jedoch im konkreten Fall eine Einschränkung: Zwar würde es einer Vollbetreuung (§ 1896 Abs. 1 BGB) nicht weiter bedürfen, da eine Unredlichkeit des Sohns nach bisherigen Erkenntnissen nicht feststehe. Unzutreffend sei allerdings der Ausgangspunkt des LG, wonach die General- und Vorsorgevollmacht keinen „inneren Bindungen“ des Bevollmächtigten unterliege. Diese Bindung ergibt sich einerseits
- aus dem dem Bevollmächtigten erteilten Auftrag und den ihm konkret erteilten Weisungen, und andererseits
- aus dem einer Vorsorgevollmacht generell zugrunde liegenden Zweck, die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen.
Der Bevollmächtigte muss im wohlverstandenen Interesse des Vollmachtgebers handeln. Das heißt aber auch: Wenn es mit Auftrag und Weisungen übereinstimmt, darf der Bevollmächtigte im Einzelfall auch freigebige Ziele verfolgen. Zweckwidrig ist es nicht allein schon, Maßnahmen zu treffen, die auch ihm selbst oder seinen Angehörigen einen Vorteil verschaffen. Vor allem, da er zu gesunden Zeiten von der Betroffenen großzügig für seine unternehmerischen Tätigkeiten unterstützt wurde.
Der BGH hielt trotzdem ‒ in Unterschied zum LG ‒ eine Kontrollbetreuung für notwendig. Grund dafür war, wie mit den Darlehen umgegangen wurde. So wurden Zinsen aus zwei gewährten Darlehen nicht an die Betroffene gezahlt. Ferner war dem geäußerten Verdacht nachzugehen, dass der Bevollmächtigte aus den Mitteln der Betroffenen Privatverbindlichkeiten bedient. Zu diesen Punkten wäre einem Kontrollbetreuer Rechenschaft abzulegen.
Relevanz für die Praxis
Besteht eine Vorsorgevollmacht, ist grundsätzlich kein Betreuer zu bestellen. Selbst wenn der Bevollmächtigte oder seine Angehörigen von seinen Entscheidungen profitieren. Der Anwalt sollte dann auch argumentieren, dass mögliche Vorteile schon früher gewährt wurden und nicht „neu“ sind. Der BGH spricht hier von einer Kontinuität zu der vom Vollmachtgeber in gesunden Zeiten geübten Praxis, die keinen selbstschädigenden Umfang einnimmt. Eine Kontrollbetreuung knüpft der BGH an Voraussetzungen.
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| Missbrauch Vollmacht oder ein solcher Verdacht sind nicht erforderlich: Konkrete Anhaltspunkte genügen, dass nicht entsprechend Vollmacht/Interesse des Vollmachtgebers gehandelt wird. |
Kontrollbetreuer kontrolliert nur, hat aber keine originären Betreuungsaufgaben zu übernehmen (BGH 2.8.17, XII ZB 502/16). |
PRAXISTIPP | Grundsätzlich empfiehlt sich, zweite Ersatzbevollmächtigte einzusetzen. Das können auch Vorsorgeanwälte sein wie diejenigen der Deutschen Vereinigung für Vorsorge- und Betreuungsrecht e.V. (dvvb) oder des VorsorgeAnwalt e.V. (www.iww.de/s2010, www.iww.de/s2011). |