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29.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090312

Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06 und C 520/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

20. Januar 2009(*)

„Arbeitsbedingungen – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Krankheitsurlaub – Jahresurlaub, der mit einem Krankheitsurlaub zusammenfällt – Abgeltung für bei Vertragsende wegen Krankheit nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub“

In den verbundenen Rechtssachen C‑350/06 und C‑520/06

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Deutschland) (C‑350/06) und vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) (C‑520/06) mit Entscheidungen vom 2. August und vom 13. Dezember 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 21. August und am 20. Dezember 2006, in den Verfahren

Gerhard Schultz-Hoff (C‑350/06)

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund

und

Stringer u. a. (C‑520/06)

gegen

Her Majesty’s Revenue and Customs

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und A. Ó Caoimh sowie der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, P. Kūris, E. Juhász, G. Arestis, E. Levits (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Deutschen Rentenversicherung Bund, vertreten durch Rechtsanwalt J. Littig,

– der Rechtsmittelführer in der Rechtssache Stringer u. a., vertreten durch C. Jeans, QC, und M. Ford, Barrister, beauftragt von V. Phillips, Solicitor,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Bryanston-Cross als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, Barrister,

– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

– der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,

– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,

– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,

– der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,

– der slowenischen Regierung, vertreten durch M. Remic als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. Januar 2008

folgendes

Urteil

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten – zum einen zwischen Herrn Schultz-Hoff und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: DRB), zum anderen zwischen mehreren Angestellten, von denen einige entlassen wurden, und ihrem Arbeitgeber bzw. ehemaligen Arbeitgeber, Her Majesty’s Revenue and Customs – über die Fragen, ob ein wegen Krankheitsurlaub abwesender Arbeitnehmer berechtigt ist, während des entsprechenden Krankheitsurlaubs bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Arbeitnehmer, der während des Bezugszeitraums und/oder eines Übertragungszeitraums wegen Krankheitsurlaub ganz oder teilweise gefehlt hat, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Vertragsende nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub hat.

Rechtlicher Rahmen

Art. 1 der Richtlinie 2003/88 sieht Folgendes vor:

„Gegenstand und Anwendungsbereich

(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind

a) … der Mindestjahresurlaub …

…“

Art. 7 der Richtlinie lautet:

„Jahresurlaub

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

Nach Art. 17 der Richtlinie 2003/88 können die Mitgliedstaaten von bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie abweichen. Im Hinblick auf ihren Art. 7 ist keine Abweichung erlaubt.

Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

Rechtssache C‑520/06

Die Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens gehören zu zwei Kategorien.

Die erste Kategorie betrifft eine Arbeitnehmerin, die ihrer Arbeit seit mehreren Monaten wegen unbefristeten Krankheitsurlaubs ferngeblieben ist. Während dieses Krankheitsurlaubs teilte sie ihrem Arbeitgeber ihre Absicht mit, in den beiden Monaten nach ihrem Ersuchen Tage bezahlten Jahresurlaubs zu nehmen.

Die Arbeitnehmer, die zur zweiten Kategorie gehören, befanden sich vor ihrer Entlassung über lange Dauer im Krankheitsurlaub. Da sie ihren bezahlten Jahresurlaub nicht während des Bezugszeitraums genommen hatten, des einzigen Zeitraums, in dem der bezahlte Jahresurlaub nach britischem Recht genommen werden kann, forderten sie eine Abgeltung.

Die Arbeitnehmer beider Kategorien obsiegten vor dem Employment Tribunal. Das Employment Appeal Tribunal wies die Rechtsmittel des Arbeitgebers zurück, ließ aber ein Rechtsmittel zum Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) zu, das den Anträgen des Arbeitgebers stattgab.

Die Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens haben Rechtsmittel beim House of Lords eingelegt, das beschlossen hat, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass ein Arbeitnehmer, der aus Krankheitsgründen auf unbestimmte Zeit beurlaubt ist, berechtigt ist, während einer Zeit, zu der er sich andernfalls im Krankheitsurlaub befände, i) bezahlten Jahresurlaub für einen künftigen Zeitraum zu verlangen und ii) bezahlten Jahresurlaub zu nehmen?

2. Enthält Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 Voraussetzungen oder Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob eine finanzielle Ersatzvergütung zu zahlen und wie sie zu berechnen ist, wenn ein Mitgliedstaat von seinem Ermessen Gebrauch macht, den Mindestzeitraum für bezahlten Jahresurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Art. 7 Abs. 2 durch eine finanzielle Vergütung zu ersetzen, falls sich ein Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahrs, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde, oder während eines Teils davon im Krankheitsurlaub befand?

Rechtssache C‑350/06

Herr Schultz-Hoff, der Berufungskläger des Ausgangsverfahrens, war seit dem 1. April 1971 bei der DRB beschäftigt. Seit dem Jahr 1995 lösten sich bei Herrn Schultz-Hoff, der als Schwerbehinderter anerkannt war, Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Zeiten der Arbeitsfähigkeit ab. Im Jahr 2004 war er bis Anfang September arbeitsfähig. Anschließend war er fortlaufend bis zum 30. September 2005, dem Zeitpunkt, zu dem sein Arbeitsverhältnis endete, krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2005 beantragte Herr Schultz-Hoff bei der DRB, ihm ab dem 1. Juni 2005 den bezahlten Jahresurlaub für das Jahr 2004, den Bezugszeitraum, zu gewähren. Am 25. Mai 2005 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass zuvor der zuständige ärztliche Dienst die Dienstfähigkeit des Betroffenen feststellen müsse. Im September 2005 stellte die DRB die Arbeitsunfähigkeit von Herrn Schultz-Hoff fest und bewilligte ihm als Rentenversicherungsträger eine unbefristete Rente rückwirkend ab 1. März 2005.

Herr Schultz-Hoff erhob beim Arbeitsgericht Düsseldorf Klage auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs für die Jahre 2004 und 2005, die Bezugszeiträume.

Die DRB macht geltend, dass die Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen noch fortbestehe, also über den Übertragungszeitraum hinaus, der gemäß § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963 in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung einem Arbeitnehmer eingeräumt werde, der seinen Jahresurlaub aus dringenden betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen nicht während des Bezugszeitraums habe nehmen können. Folglich seien die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nach deutschem Recht verfallen, und Herr Schultz-Hoff habe keinen Abgeltungsanspruch für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage von Herrn Schultz-Hoff ab, der Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf einlegte.

Nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts erlischt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht am Ende des betreffenden Kalenderjahrs und spätestens am Ende eines Übertragungszeitraums, der – vorbehaltlich einer tarifvertraglich vorgesehenen Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers – drei Monate beträgt. War der Arbeitnehmer bis zum Ende dieses Übertragungszeitraums arbeitsunfähig, muss der nicht genommene bezahlte Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht finanziell abgegolten werden.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat Zweifel, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässt, und hat deshalb beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin zu verstehen, dass Arbeitnehmer auf jeden Fall einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalten müssen [und dass] insbesondere vom Arbeitnehmer wegen Krankheit im Urlaubsjahr nicht genommener Urlaub zu einer späteren Zeit zu gewähren ist, oder kann durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften und/oder einzelstaatliche Gepflogenheiten vorgesehen werden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt, wenn Arbeitnehmer im Urlaubsjahr vor der Urlaubsgewährung arbeitsunfähig erkranken und vor Ablauf des Urlaubsjahrs bzw. des gesetzlich, kollektiv‑ oder einzelvertraglich festgelegten Übertragungszeitraums ihre Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangen?

2. Ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin zu verstehen, dass Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf jeden Fall ein Anspruch auf finanzielle Vergütung als Ersatz für erworbenen und nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung) zusteht, oder können einzelstaatliche Rechtsvorschriften und/oder einzelstaatliche Gepflogenheiten vorsehen, dass Arbeitnehmern Urlaubsabgeltung nicht zusteht, wenn sie bis zum Ablauf des Urlaubsjahrs bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt sind und/oder wenn sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Invalidität beziehen?

3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen zu 1 und 2 bejaht:

Ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub oder auf finanziellen Ersatz voraussetzt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich im Urlaubsjahr gearbeitet hat, oder entsteht der Anspruch auch bei entschuldigtem Fehlen (wegen Krankheit) oder unentschuldigtem Fehlen im gesamten Urlaubsjahr?

Wegen des in der mündlichen Verhandlung bestätigten Zusammenhangs zwischen den beiden Ausgangsverfahren sind sie zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

Zu den Vorlagefragen

Einleitend ist festzustellen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Krankheitsurlaubszeiten nicht die Dauer der Bezugszeiträume überschritten haben, die in den einzelnen Rechtssachen nach dem jeweils geltenden nationalen Recht im Bereich des bezahlten Jahresurlaubs anwendbar waren.

Zum Recht, bezahlten Jahresurlaub während eines Zeitraums zu nehmen, der in die Zeit eines Krankheitsurlaubs fällt

Mit der ersten in der Rechtssache C‑520/06 gestellten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub keinen bezahlten Jahresurlaub nehmen darf.

Alle Regierungen und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertreten in ihren Erklärungen den Standpunkt, dass diese Frage zu verneinen sei.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft anzusehen, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) selbst ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürfen (vgl. Urteile vom 26. Juni 2001, BECTU, C‑173/99, Slg. 2001, I‑4881, Randnr. 43, vom 18. März 2004, Merino Gómez, C‑342/01, Slg. 2004, I‑2605, Randnr. 29, und vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C‑131/04 und C‑257/04, Slg. 2006, I‑2531, Randnr. 48).

Der Arbeitnehmer muss normalerweise über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist, denn nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, lässt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 zu, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile BECTU, Randnr. 44, und Merino Gómez, Randnr. 30).

Art. 7 der Richtlinie 2003/88 gehört im Übrigen nicht zu den Vorschriften, von denen diese Richtlinie ausdrücklich Abweichungen zulässt.

Es steht fest, dass mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bezweckt wird, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Insoweit weicht dieser Zweck vom Zweck des Anspruchs auf Krankheitsurlaub ab. Dieser wird dem Arbeitnehmer gewährt, damit er von einer Krankheit genesen kann.

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass ein durch das Gemeinschaftsrecht gewährleisteter Urlaub nicht den Anspruch auf einen anderen gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Urlaub beeinträchtigen kann (vgl. Urteile Merino Gómez, Randnrn. 32 und 33, vom 14. April 2005, Kommission/Luxemburg, C‑519/03, Slg. 2005, I‑3067, Randnr. 33, und vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, Slg. 2007, I‑7643, Randnr. 56). Im Urteil Merino Gómez hat er insbesondere ausgeführt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/104 dahin auszulegen ist, dass die Anforderungen dieser Richtlinie hinsichtlich des bezahlten Jahresurlaubs nicht als erfüllt angesehen werden können, wenn der Mutterschaftsurlaub einer Arbeitnehmerin zeitlich mit dem durch eine betriebliche Kollektivvereinbarung allgemein festgelegten Jahresurlaub für die gesamte Belegschaft zusammenfällt.

Anders als die Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub oder auf Elternurlaub, die in den in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteilen in Rede standen, werden der Anspruch auf Krankheitsurlaub und die Modalitäten für seine Ausübung allerdings beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts von diesem nicht geregelt. Außerdem war die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/104 in der Rechtssache, in der das Urteil Merino Gómez ergangen ist, durch die Notwendigkeit geboten, unter Berücksichtigung der anderen in jener Rechtssache einschlägigen Gemeinschaftsrichtlinien die Beachtung der arbeitsvertraglichen Rechte einer Arbeitnehmerin im Fall eines Mutterschaftsurlaubs zu gewährleisten.

Was den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub anbelangt, so ist es, wie sich aus dem Wortlaut der Richtlinie 2003/88 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, Sache der Mitgliedstaaten, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer von diesem Anspruch Gebrauch machen können, ohne dabei aber bereits die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie 93/104 ergebenden Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil BECTU, Randnr. 53).

Unter diesen Umständen steht somit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 einerseits einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten grundsätzlich nicht entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, sofern er den ihm durch die Richtlinie verliehenen Anspruch während eines anderen Zeitraums ausüben kann.

Wie sich nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, entfaltet sich die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers zwar dann vollständig, wenn der Urlaub in dem hierfür vorgesehenen, also dem laufenden Jahr genommen wird, doch verliert diese Ruhezeit ihre Bedeutung insoweit nicht, wenn sie zu einer späteren Zeit genommen wird (Urteil vom 6. April 2006, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑124/05, Slg. 2006, I‑3423, Randnr. 30).

Andererseits steht die Richtlinie 2003/88 auch einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, der sich im Krankheitsurlaub befindet, während des entsprechenden Zeitraums bezahlten Jahresurlaub nehmen kann.

Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage in der Rechtssache C‑520/06 zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.

Zum Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Fall einer Krankschreibung während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon, wenn die Arbeitsunfähigkeit bei Ablauf dieses Zeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums fortbesteht

Mit der ersten und hilfsweise – soweit sie sich auf den Urlaubsanspruch und nicht auf die finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub bezieht – mit der dritten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑350/06 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortbestand.

Wie insbesondere die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf Randnr. 53 des Urteils BECTU ausgeführt hat, geht aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 hervor, dass die Anwendungsmodalitäten des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub in den verschiedenen Mitgliedstaaten durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten geregelt werden. Die deutsche Regierung zieht daraus den Schluss, dass die Frage der Urlaubsübertragung und damit der Festlegung eines Zeitraums, in dem ein Arbeitnehmer, der während des Bezugszeitraums daran gehindert war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, noch in den Genuss des entsprechenden Jahresurlaubs kommen kann, zu den Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gehöre und damit von den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten geregelt werde.

Diesem Schluss kann zwar grundsätzlich gefolgt werden, doch unterliegt er bestimmten Begrenzungen.

Somit ist zu prüfen, welche Begrenzungen dieses Grundsatzes unter den speziellen Umständen der Rechtssache C‑350/06 geboten sind.

– Krankschreibung während des gesamten Bezugszeitraums, die bei Ablauf dieses Zeitraums und/oder eines Übertragungszeitraums fortbesteht

Einleitend ist darauf zu verweisen, dass die Richtlinie 2003/88 ausweislich ihres sechsten Erwägungsgrundes den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat.

Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung) „… Arbeitsversäumnisse aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehen, wie z. B. Krankheit …, als Dienstzeit anzurechnen [sind]“.

Was zunächst die Vorschriften über Mindestruhezeiten in Kapitel 2 der Richtlinie 2003/88 angeht, beziehen sich diese meist auf „jeden Arbeitnehmer“, so insbesondere auch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie in Bezug auf den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Urteil BECTU, Randnr. 46).

Außerdem wird in der Richtlinie 2003/88 in Bezug auf diesen Anspruch nicht zwischen Arbeitnehmern, die wegen einer kurz‑ oder langfristigen Krankschreibung während des Bezugszeitraums der Arbeit ferngeblieben sind, und solchen, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben, unterschieden.

Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat den mit der Richtlinie 2003/88 allen Arbeitnehmern unmittelbar verliehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Urteil BECTU, Randnrn. 52 und 53) bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben.

Mit einer nationalen Vorschrift, die einen Übertragungszeitraum für am Ende des Bezugszeitraums nicht genommenen Jahresurlaub vorsieht, wird grundsätzlich das Ziel verfolgt, dem Arbeitnehmer, der daran gehindert war, seinen Jahresurlaub zu nehmen, eine zusätzliche Möglichkeit zu eröffnen, in dessen Genuss zu kommen. Die Festlegung eines solchen Zeitraums gehört zu den Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub und fällt somit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Daraus folgt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 grundsätzlich einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, nicht entgegensteht, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben.

Festzustellen ist jedoch, dass einem Arbeitnehmer, der wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑350/06 im Jahr 2005 während des gesamten Bezugszeitraums und über den im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben ist, zu keiner Zeit die Möglichkeit eröffnet wird, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen.

Ließe man zu, dass die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere die über die Festlegung des Übertragungszeitraums, unter den in der vorstehenden Randnummer beschriebenen besonderen Umständen einer Arbeitsunfähigkeit das Erlöschen des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 garantierten Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen können, ohne dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm durch diese Richtlinie gewährten Anspruch auszuüben, so würde dies bedeuten, dass diese Rechtsvorschriften das jedem Arbeitnehmer durch Art. 7 der genannten Richtlinie unmittelbar gewährte soziale Recht beeinträchtigten.

So hat der Gerichtshof zwar anerkannt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen, er hat aber klargestellt, dass die Mitgliedstaaten die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie 93/104 ergebenden Anspruchs nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen können (vgl. in diesem Sinne Urteil BECTU, Randnr. 53).

In demselben Urteil hat der Gerichtshof unterstrichen, dass die zur Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie 93/104 erforderlichen Durchführungs‑ und Anwendungsbestimmungen gewisse Unterschiede in Bezug auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub aufweisen können, dass diese Richtlinie es den Mitgliedstaaten aber nicht erlaubt, bereits die Entstehung eines ausdrücklich allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs auszuschließen (Urteil BECTU, Randnr. 55).

Wenn somit nach der in den vorstehenden Randnummern angeführten Rechtsprechung der dem Arbeitnehmer durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 garantierte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht durch nationale Rechtsvorschriften in Frage gestellt werden kann, die die Begründung oder Entstehung dieses Anspruchs ausschließen, dann kann es sich hinsichtlich nationaler Rechtsvorschriften nicht anders verhalten, die das Erlöschen dieses Anspruchs bei einem Arbeitnehmer wie Herrn Schultz-Hoff vorsehen, der während des gesamten Bezugszeitraums und/oder über einen Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben war und seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Denn wie unter den Umständen der Rechtssache, in der das Urteil BECTU ergangen ist, in der der Gerichtshof entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten das Entstehen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausschließen können, können die Mitgliedstaaten in einer Situation wie der von Herrn Schultz-Hoff nicht das Erlöschen dieses Anspruchs vorsehen.

Daraus folgt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

– Krankschreibung während eines Teils des Bezugszeitraums, die bei Ablauf dieses Zeitraums und/oder eines Übertragungszeitraums fortbesteht

Angesichts der in den Randnrn. 37 bis 49 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen ist bei einem Arbeitnehmer, der wie Herr Schultz-Hoff im Jahr 2004 während eines Teils des Bezugszeitraums gearbeitet hat, bevor er krankgeschrieben wurde, hinsichtlich seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub der in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils dargelegte Schluss zu ziehen.

Jeder Arbeitnehmer, der wegen einer langfristigen Krankschreibung nicht in den Genuss einer Zeit bezahlten Jahresurlaubs gekommen ist, befindet sich nämlich in der in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation, da das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht vorhersehbar ist.

Nach alledem ist auf die erste und – soweit sie sich auf den Urlaubsanspruch und nicht auf die finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub bezieht – die dritte Vorlagefrage in der Rechtssache C‑350/06 zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

Zum Anspruch auf eine am Ende des Arbeitsverhältnisses zu zahlende finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, der während des Bezugszeitraums und/oder des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit während der gesamten entsprechenden Zeit oder eines Teils davon nicht genommen wurde

Mit der zweiten und, soweit sie sich auf die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub bezieht, hilfsweise mit der dritten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑350/06 sowie mit der zweiten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑520/06 möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war. Im Fall einer Bejahung dieser Frage möchte das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑520/06 wissen, anhand welcher Kriterien die finanzielle Vergütung zu berechnen ist.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass jeder Arbeitnehmer, wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ergibt, einer Bestimmung, von der diese Richtlinie keine Abweichung zulässt, Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Dieser Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der nach der in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft anzusehen ist, wird somit jedem Arbeitnehmer unabhängig von seinem Gesundheitszustand gewährt.

Wie sich aus Randnr. 52 des vorliegenden Urteils ergibt, erlischt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, diesen ihm mit der Richtlinie 2003/88 gewährten Anspruch auszuüben.

Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat.

In keiner Vorschrift der Richtlinie 2003/88 wird ausdrücklich geregelt, wie die finanzielle Vergütung zu berechnen ist, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Mindestzeit oder der Mindestzeiten bezahlten Jahresurlaubs tritt.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet allerdings der Ausdruck „bezahlter [J]ahresurlaub“ in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie weiterzugewähren ist und dass der Arbeitnehmer mit anderen Worten für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss (vgl. Urteil Robinson-Steele u. a., Randnr. 50).

Bei der Festlegung der dem Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 geschuldeten finanziellen Vergütung haben die Mitgliedstaaten darauf zu achten, dass die nationalen Anwendungsmodalitäten die sich aus der Richtlinie selbst ergebenden Grenzen beachten.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs werden der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts in der Richtlinie 2003/88 als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (vgl. Urteil Robinson-Steele u. a., Randnr. 58).

Daraus folgt, dass die finanzielle Vergütung, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitverhältnisses auszuüben, in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend.

Nach alledem ist auf die zweite und, soweit sie sich auf die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub bezieht, die dritte Vorlagefrage in der Rechtssache C‑350/06 sowie auf die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑520/06 zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Für die Berechnung der entsprechenden finanziellen Vergütung ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, maßgebend.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.

2. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

3. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Für die Berechnung der entsprechenden finanziellen Vergütung ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, maßgebend.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg